Männerlobbyist über Gleichstellung: „Männer sind auch benachteiligt“

Männer, die in einem Frauenberuf arbeiten, sind benachteiligt. Aber sie können sich noch nicht einmal einklagen, kritisiert Martin Rosowski.

Fingerfarbenalarm in der Kita! Männer wie Frauen sollten sich jetzt angesprochen fühlen Bild: dpa

taz: Herr Rosowski, das Bundesforum Männer hat eine Stellungnahme veröffentlicht: Sie fühlen sich durch das neue Bundesgleichstellungsgesetz benachteiligt. Warum?

Martin Rosowski: Hier wird Etikettenschwindel betrieben. Männer sollen im Gegensatz zu Frauen ausschließlich dort gefördert werden, wo sie „strukturell benachteiligt“ sind. Das ist aber ein undefinierter Begriff. Das Grundgesetz spricht allgemein von „bestehenden Nachteilen“, nicht von „strukturellen Nachteilen“ nur von Frauen. Frauen müssen das auch nicht gesondert nachweisen. Aber Männer sollen das nun tun.

Ja, weil die strukturelle Benachteiligung von Frauen bereits nachgewiesen ist. Kein Wunder, oder?

Ein Mann gilt als bevorzugt, wenn er befördert wird. Aber zugleich wird ihm klargemacht, dass er nun 60 Stunden zu arbeiten hat. Er kann also seine Arbeit nicht mit der Familie vereinbaren. Männer treffen aufgrund von Rollenstereotypen auf mehr Blockaden als Frauen. Das stellt ebenso eine strukturelle Benachteiligung dar. Und was machen wir mit den Männern, die in den sogenannten Frauenberufen tätig sind, die eindeutig strukturell benachteiligt werden? Die Altenpflegerin, die genauso schwer hebt wie der Hausmeister, kann die entsprechende Zulage einklagen, weil sie mittelbar diskriminiert ist. Aber der männliche Altenpfleger kann das nicht, da er als Mann in diesem Beruf ja nicht strukturell benachteiligt ist!

Nun sagt die Forschung aber, dass gerade Männer in typischen Frauenberufen oft in einer Art gläsernem Fahrstuhl sitzen und schnell befördert werden, weil den Frauen immer die Sorge um die Kinder zugerechnet wird. Das heißt doch, dass sie nicht dieselbe Art von Unterstützung benötigen wie die Frauen.

Da gebe ich Ihnen recht. Frauen und Männer bedürfen auf unterschiedlichen Ebenen der Ermutigung und Unterstützung. Dazu ist es aber nötig, dass die Benachteiligungsbereiche der Männer, zum Beispiel bei der Vereinbarkeitsfrage, als relevante Probleme von den Gleichstellungsbeauftragten wahrgenommen werden.

In Ihrer aktuellen Stellungnahme fordern Sie, dass Männer überall gefördert werden sollten, wo sie unterrepräsentiert sind. Dann wird also der einzige Erzieher in einer Kita gleich wieder der Leiter. Gläserner Fahrstuhl mit Turboantrieb.

Wenn in einem Bereich Männer so krass unterrepräsentiert sind wie bei den ErzieherInnen, dann muss man als Erstes dafür sorgen, dass mehr Männer in diesen Beruf gehen können. Und wenn dann auch mal ein Mann für eine Leitungsposition in Frage kommen sollte, sehe ich darin kein Problem.

56, ist Theologe, Historiker und langjähriger Leiter der Männerarbeit der Evangelischen Kirche. Er ist im Vorstand der Männerlobby „Bundesforum Männer“.

Ist es eine Benachteiligung von Männern, wenn sie nicht in typischen Frauenjobs arbeiten wollen?

Nein, natürlich nicht. Es ist aber auch kein schlechter Charakterzug. Wir sind nicht deshalb dafür, diese Bereiche aufzuwerten, damit mehr Männer hineingehen, sondern weil die Menschlichkeit unserer Gesellschaft unbedingt an der Wertschätzung dieser Bereiche gemessen werden muss.

Wenn Frauenberufe unterbewertet sind, dann ist das aber doch eine strukturelle Benachteiligung von Frauen.

Ich bestreite nicht, dass es eine strukturelle Benachteiligung von Frauen gibt. Aber das gilt auch für Männer, die in ihrer aktiven Vaterschaft durch gesellschaftlich wirkmächtige Rollenstereotype gehindert werden. Das ist kein Luxusproblem – ohne Übernahme von Verantwortung der Männer für die Fürsorge wird es zukünftig nicht weitergehen!

Im Gesetz steht nun, dass Männer erst mal ihre strukturelle Benachteiligung nachweisen müssen, bei Frauen wird sie automatisch angenommen. Das ist doch auch eine Chance, strukturelle Benachteiligungen von Männern sichtbar zu machen, oder?

Natürlich. Aber das Problem ist, dass es in der gängigen Definition der meisten Juristen diese strukturelle Benachteiligung nicht gibt.

Die Gleichstellungsbeauftragten haben sich mit Händen und Füßen gegen die Erweiterung ihres Auftrags gewehrt.

Deshalb wollen wir ja auch, dass die Gleichstellungsstellen mit paritätischen Teams besetzt werden. Wir sind uns da mit den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten durchaus einig. Doch wir machen deutlich, dass wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Denn eine solche Erweiterung kann nicht zu Lasten der Frauenförderung gehen, sondern hier müssen die Ressourcen erweitert werden. Leider hat uns der Bundestag nicht an der Anhörung zum Thema beteiligt. Dann hätten wir das auch vertreten und das Gesetz hätte vielleicht anders ausgesehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.