Chinas Kommunistische Partei: Wer zu spät eintritt, bleibt unten
Wer in die Kommunistische Partei in China eintreten will, hat es nicht leicht. Wer aufsteigen will, hat es noch schwerer. Drei Parteikader und ihre Wege.
PEKING taz | Wang Qi hat sich vor einiger Zeit tatsächlich einmal die Frage gestellt: Was bringt es mir, Mitglied der Kommunistischen Partei zu sein? Beamtin ist sie nicht, eine Karriere beim Militär strebt sie auch nicht an. Und bei einem Staatsunternehmen ist sie ebenfalls nicht angestellt. Die 32-Jährige leitet ein kleines Logistikunternehmen am Rande Pekings.
Inzwischen sei sie aber dennoch froh, dazuzugehören. Um den Zuschlag für ein weiteres Gelände nahe ihres gepachteten Firmengrundstücks zu erhalten, hatte sie neulich bei der zuständigen Behörde ihre Parteimitgliedschaft angegeben. „Das hat mir definitiv geholfen“, erzählt sie. Und bestechen, wie sonst bei Behörden in China häufig üblich, musste sie die Beamten auch nicht. „Das gehört sich nicht unter Genossen.“
Wang Qi ist eine von 82 Millionen Mitgliedern, die Chinas Kommunistische Partei derzeit zählt. Damit ist die KP der Volksrepublik die größte und wahrscheinlich auch mächtigste Organisation der Welt. Mitgliederschwund muss sie nicht befürchten. Wer als Beamter oder auf sonst eine Weise in den Staatsdienst möchte, kommt um eine Mitgliedschaft nicht herum. Aber auch wer in einem Staatsunternehmen aufsteigen will – und davon gibt es in der Volksrepublik jede Menge – braucht ein Parteibuch.
Längst ist es auch unter jungen Privatunternehmern, Studenten, ja selbst unter Künstlern üblich, sich um eine Aufnahme zu bemühen. „Die Mitgliedschaft ist denn auch nicht so sehr ein politisches Bekenntnis“, erzählt Wang Qi. Sie bringe Status und praktische Vorteile. „Wer in China was auf sich hält, wird Kommunist.“
Mao büffeln, Gesinnungsaufsätze abliefern
Und doch sind es gerade einmal rund 5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die es tatsächlich in die Partei schaffen. „Die Aufnahme ist gar nicht so einfach“, sagt Luo Xu. Der 32-Jährige arbeitet für ein staatliches Medienunternehmen im Westen von Peking und berichtet für den dortigen Fremdsprachendienst. Acht Mitarbeiter zählt seine Abteilung. Bis auf zwei sind sie alle in der KP. Luo hat sich bereits in seiner Schulzeit um eine Mitgliedschaft bemüht. An seiner Schule schaffte es aber nur einer von tausend. Er gehörte zunächst nicht dazu.
Als Student versuchte er es ein weiteres Mal. Er musste zunächst bei der „örtlichen Parteizelle“ einen Antrag stellen. Gleich zu Beginn des ersten Semesters belegte er einen entsprechenden Kurs. Marx stand auf dem Programm, auch die Lehren Maos – aber nur in einem Lehrbuch. Die Werke selbst musste er nicht durcharbeiten, auch nicht die drei blauen Bänder des „Kapitals“. Dafür lieferte er in regelmäßigen Abständen eine Art von Gesinnungsaufsätzen ab, in denen er begründete, was ihn zur Mitgliedschaft motiviert.
Luo Xu habe seine Aufsätze selbst verfasst. Aber es gebe durchaus auch Musterschreiben von speziellen Internetseiten herunterzuladen, an denen man sich orientieren könne. Luo hatte im zweiten Anlauf Erfolg. Noch bevor er mit seinem Studium an der Fremdsprachenuniversität in Peking fertig war, hat ihn die Partei nach einer feierlichen Eidablegung aufgenommen.
Dabei haben Chinesen schon früh mit der KP zu tun: Den Jungen Pionieren der Kommunistischen Partei gehört noch so gut wie jedes Kind an, sobald es auf die Schule kommt. Viel Politik steht noch nicht auf dem Programm, aber man lernt etwas über das große Vorbild, den braven Soldaten Lei Feng, der seinen Kameraden unermüdlich und selbstlos half und ihnen abends sogar noch die Socken wusch.
Erst mit 14 Jahren beginnt der Auswahlprozess. Schüler, die mit guten Noten oder durch soziales Engagement auffallen, haben gute Chancen, dem Kommunistischen Jugendverband beizutreten. Dort beginnt dann auch der politische Unterricht. Eine Vollmitgliedschaft ist aber erst mit dem 18. Lebensjahr möglich.
„Einen hohen Posten kann ich mir abschminken“
Das Beitrittsalter ist für die Parteikarriere ganz entscheidend. Liang Junwei hat sich erst mit 41 für die KP interessiert. Der heute 52-Jährige war damals noch einfacher Fabrikarbeiter in einem Staatsunternehmen für Lötkolben in der Provinz Hebei. Er wollte aufsteigen. Sein damaliger Vorgesetzter wollte das auch. Aber ohne Parteibuch sah auch er keine Möglichkeit.
Also hieß es für Liang: Antrag stellen, Kurs belegen und Lehrbücher durcharbeiten. „Ich hatte große Schwierigkeiten“, erzählt der gelernte Techniker. Ein Buch hatte er mehr als 20 Jahre nicht mehr angefasst. Nun musste er büffeln. Inzwischen hat er seinen Vorgesetzten beerbt, der heute als Parteisekretär in der Firmenleitung sitzt. Sehr viel weiter geht es für Liang in der Partei- und damit auch Firmenhierarchie jedoch nicht. „Einen hohen Posten kann ich mir abschminken“, sagt er. Er sei der Partei zu spät beigetreten.
Wie viel sie im Alltag mit der Partei zu tun haben? Gar nicht, sagt die Logistikunternehmerin Wang Qi. Sie habe 20 Angestellte und zu Hause ein vierjähriges Kind. Da bleibe gar keine Zeit für Veranstaltungen oder gar regelmäßige Sitzungen. Fünf Prozent ihres Einkommens führe sie im Monat ab – den Mindestbeitrag. Das sei schon jede Menge.
Der Redakteur Luo Xu hingegen nimmt regelmäßig an Veranstaltungen seiner „Parteizelle“ teil, am Besuch von Ausstellungen etwa oder Sitzungen, in denen sie Schriftstücke und Reden der Parteiführung durchgehen. Inzwischen wirbt er auch selbst neue Parteimitglieder an. Und an den Wahlen der Delegierten für den Parteikongress nahm er ebenfalls teil. „Ich bin stolz, Mitglied der KP zu sein“, sagt er, und er sei bemüht, „immer besser aufzutreten, sowohl bei der Arbeit als auch im Privatleben“.
Auch der Lötkolbenbauer Liang nimmt regelmäßig an den Sitzungen im Betrieb teil. Dabei gehe es vor allem um Planzahlen und Firmenstrategien. „Nur manchmal“, sagt Liang und lacht, „schauen wir auch mal, wie das Ganze mit den Lehren von Marx im Zusammenhang steht.“ Aber das passiere wirklich selten.
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