Cannabiskonsum in Berlin: Görli ist überall
Der Senat will die Straffreiheit für's Kiffen nicht nur in Kreuzberg aufheben. In allen Parks der Stadt darf bald kein Joint mehr kreisen.
Kiffen wird in Berlin wieder kriminalisiert. Innensenator Frank Henkel (CDU) will ab April den Konsum von Haschisch und Gras in keinem Park mehr dulden. Das geht nach Informationen der taz aus einem Entwurf hervor, der die Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes neu regeln soll. Das Papier aus den CDU-geführten Senatsverwaltungen für Inneres und Justiz befindet sich zurzeit in Abstimmung. Aus Koalitionskreisen war zu hören, es bestehe noch Gesprächsbedarf.
In der Verordnung zum Paragraf 31a des Betäubungsmittelgesetzes ist geregelt, dass der Besitz von bis zu 15 Gramm Haschisch für den Eigenbedarf – obwohl verboten – in der Regel straffrei bleibt. Diese Freigrenze ist höher als in vielen anderen Bundesländern. Das entlastet die Justiz. Schon bisher gilt dieser Kiffer-Freischein allerdings nicht überall. Vor oder in Schulen, Kindergärten, Jugendheimen und auf Spielplätzen gibt es kein Pardon. Die Liste der Ausnahmen soll nun, so der Entwurf, um alle öffentliche Grün- und Erholungsanlagen ergänzt werden. Damit wäre Kiffen in allen Parks komplett verboten.
Die Änderung ist eine Folge der Debatte um die Drogenhändler im Görlitzer Park in Kreuzberg. Beschwerden von Anwohnern über immer aggressiver auftretende Dealer nahmen im letzten Jahr zu. Die Situation eskalierte im November, als der Wirt einer Shisha-Bar sich von zwei Männern massiv bedrängt fühlte und – so die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen – in Notwehr einen der beiden mit einem Messer attackierte.
In der Folge verstärkte die Polizei ihre Kontrollen im und um den Park massiv. Brennpunktstreifen und eine Sonderermittlungsgruppe wurden eingerichtet. Die Zahl der Haftbefehle gegen mutmaßliche Dealer ist seitdem deutlich gestiegen.
Innensenator Henkel und sein CDU-Kollege und Justizsenator Thomas Heilmann kündigten an, den Görli zu einer Nulltoleranzzone auch für Drogenkonsumenten machen zu wollen. Wie das konkret aussehen soll, ist bislang selbst der Polizei unbekannt. Die Öffentlichkeit ging allerdings stets davon aus, dass sich das Drogenverbot allein auf den Görlitzer Park beschränken soll. Nach taz-Informationen ist das falsch. Aus Senats- und Koalitionskreisen war am Montag keine Stellungnahme zu dem Entwurf zu erhalten. Das Papier befinde sich noch in Abstimmung, sagte eine Justizsprecherin.
Fragen von Journalisten und dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zur Ausgestaltung des Vorhabens bleiben von den zuständigen Senatsverwaltungen seit Wochen unbeantwortet. Dabei haben Henkel und Heilmann bislang stets den 1. April als Stichtag genannt. Monika Herrmann, grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, reagierte verwundert auf die Pläne, dass alle Parks Berlins unter Kuratel gestellt werden sollen: „Wollen die die Polizei verzehnfachen oder was?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Getöteter Schwarzer in den USA
New Yorker Wärter schlagen Gefangenen tot
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus
Einsatzkräfte an Silvester
„Wir sind nicht unantastbar“