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Bewegung gegen „Charlie Hebdo“Demonstranten ehren Terroristen

Demonstranten in Istanbul, Jerusalem und Amman protestieren gegen die Satirezeitschift „Charlie Hebdo“. Russland nimmt Sympathisanten fest.

Protest in Jerusalem. Bild: dpa

ISTANBUL/MOSKAU dpa/ap/afp | Dutzende Demonstranten haben in Istanbul ihre Sympathie für die getöteten Pariser Terroristen Chérif und Saïd Kouachi ausgedrückt. Rund 160 Männer hielten am Freitag zusammen ein Begräbnisgebet ab, sie riefen „Gott ist groß“ und hielten ein Transparent mit Bildern des früheren Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden und der Kouachi-Brüder hoch. Zu sehen waren zudem kleinere Schilder mit den Slogans „Wir sind alle Chérif“ und „Wir sind alle Saïd“.

Die Brüder Kouachi, die Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehabt haben sollen, hatten vor zehn Tagen in Paris die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" angegriffen und zwölf Menschen ermordet. Bei einem Polizeieinsatz zwei Tage später wurden sie getötet.

Auch in anderen Ländern wird gegen Charlie Hebdo demonstriert. Bei Protesten ist es in Pakistan zu Zusammenstößen zwischen Studenten und Polizisten gekommen. Die Ausschreitungen brachen am Freitagnachmittag aus, als die Demonstranten sich auf das französische Konsulat in der südpakistanischen Hafenstadt Karachi zubewegten. Die Protestteilnehmer warfen Steine auf die Polizei, die Wasserwerfer und Tränengas gegen sie einsetzte.

Mehrere hundert Palästinenser haben in Jerusalem demonstriert. Wie die palästinensische Nachrichtenagentur Maan berichtete, versammelten sich die Menschen nach dem Freitagsgebet auf dem Tempelberg. Am Ende des Zuges soll Maan zufolge die französische Flagge verbannt worden sein. Der Großmufti von Jerusalem hatte die neue Darstellung des Propheten zuvor verurteilt, sich aber auch gegen jede Form des Terrors ausgesprochen.

Demonstranten festgenommen

Die jordanische Polizei hat einen Protestmarsch verhindert. Die Demonstration habe nach dem Freitagsgebet vor einer Moschee im Zentrum Ammans begonnen und sollte bis vor die französische Botschaft führen, wie die jordanische Zeitung Al-Ghad im Internet berichtete. Es sei zu Rangeleien mit der Polizei gekommen. Die Sicherheitskräfte hätten vier Demonstranten festgenommen.

Der jordanische König Abdullah und seine Frau Rania hatten am vergangenen Sonntag am Gedenkmarsch für die Opfer der Terroranschläge von Paris teilgenommen. Das Büro des Königs nannte jedoch die in dieser Woche erschienene Mohammed-Karikatur von Charlie Hebdo verantwortungslos, wie die Zeitung Al-Dustur berichtete.

Weil er nach dem Anschlag auf das Pariser Magazin Charlie Hebdo mit einem Plakat in Moskau Solidarität mit den Opfern zeigte, muss ein Russe für acht Tage in Arrest. Der 46-Jährige hatte sich mit dem Schild „Je suis Charlie“ ins Stadtzentrum gestellt – ein Gericht in der russischen Metropole wertete dies als unerlaubte Kundgebung. Das sagte ein Justizsprecher der Agentur Interfax.

Ein zweiter Demonstrant, der das gleiche Schild getragen hatte, wurde am Freitag zu einer Strafe von 20.000 Rubel (265 Euro) verurteilt. Der Slogan „Je suis Charlie“ war weltweit als Geste der Anteilnahme verwendet worden. Der Kreml hatte die Morde verurteilt, Außenminister Sergej Lawrow hatte am Solidaritätsmarsch in Paris teilgenommen.

Verstoß gegen moralische Normen

Doch die russische Medienaufsicht hat vor der Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed wie in der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo gewarnt. „Die Veröffentlichung solcher Karikaturen in russischen Medien verstößt gegen die ethischen und moralischen Normen, die in Jahrhunderten ausgearbeitet wurden“, erklärte die Behörde Roskomnadsor am Freitag. Sie könnten überdies strafrechtlich geahndet werden.

„Die Verbreitung von Karikaturen zu religiösen Themen in Medien kann als beleidigend oder herabsetzend gegenüber Vertretern religiöser Konfessionen und Gruppen betrachtet und als Anstachelung zu ethnischem und religiösen Hass eingestuft werden“, wurde in der Mitteilung ausgeführt. Außerdem könnten Mohammed-Karikaturen Verstöße gegen das Medienrecht und Anti-Extremismus-Gesetze darstellen. Die Aufsichtsbehörde rief die Medien des Landes auf, derartige Veröffentlichungen zu unterlassen.

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12 Kommentare

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  • Da demonstrieren also Menschen für die Ermordung anderer Menschen aus religiösem oder politischem Fanatismus? Das sehe ich als Anstiftung zu Verbrechen und Verherrlichung von Gewalt an. Das sind für mich keine Demonstrationen mehr. Das sind Straftaten gegen die religöse weltanschauliche Freiheit der Presse.

     

    Hierzulande wäre ich dafür derart menschenverachtende Demonstrationen als nicht von unserer Verfassung gedeckt zu verbieten. Wer trotzdem demonstriert sollte bestraft und erkennungsdienstlich erfasst werden.

  • Typisch Russland unter Putin, sobald einer nicht aus der Reihe tanzt, gleich Verhaftungen...

  • ja

  • Hätte Voltaire die Charlie Hebdo-Karikaturen gutgeheißen ? Wohl kaum . Dafür war er zu kultiviert . Er hätte darauf bestanden , dass man die Religion des Islam nicht in der Weise angreifen und bekämpfen kann und darf , dass man seine Gläubigen grob beleidigt .

    Für sein gegen die katholische Kirche geschleudertes "Écrasez l' Infáme !" hatte er andere Mittel , u.a. sein Buch "Dictionnaire philosophique" , welches das gebildete Frankreich auch ganz oder in Teilen gelesen hat .

     

    (ein accent circonflex fehlt in meiner Tastatur)

    • @APOKALYPTIKER:

      Es scheint mir aber ohnehin, dass alle mit der globalisierten Welt auch so langsam in eine globale Debattenkultur eintreten müssen. Der Entwicklungsweg dahin, wie sich gerade wieder zeigt ist gigantisch. Dass in einigen Ländern mehr für die freie Bildung u das freie Wort getan werden muss u im "Westen" auch einges getan werden muss um Rassismus u (institutionelle) Diskriminierung zu stoppen, wären bedeutende Schritte dahin. Auch das Bedienen des rechten Randes durch die CSU muss aufhören, das hält den Rechtsradikalismus vllcht ein wenig im Zaum bzw aus den Parlamenten, aber konserviert Rassismus u Diskriminierung in der breiten Bevölkerung auf Dauer.

    • @APOKALYPTIKER:

      haben Sie das Dictionaire philosophique schon mal gelesen, und in welchen Worten er dort über religiöse Borniertheit u die Geistlichkeit herzieht? Kultiviert- akademisch und zartfühlend geht es dort keineswegs zu, umgemünzt auf den Islam bzw einige seiner Vertreter würde das allemal für ein paar Anschläge, rasende Mobs wie in Pakistan oder Niger reichen. Im übrigen werden in den Karikaturen auch nie Muslime oder der Islam an sich beleidigt sondern immer nur einige ihrer Vertreter, eben solche die andere Menschen in Unfreiheit u Bevormundung halten wollen, und solche die Bomben werfen sowieso. Die bekannte Karrikatur in der Mohammed die Hände über dem Kopf zusammenschlägt darüber "welche Idioten alles an ihn glauben", ist offensichtlich auch nicht auf alle Muslime gemünzt sondern eben auf jene Idioten die im Namen des Islam töten und unterdrücken. Heute war in der Faz auch ein Artikel der Charlie Hebdo kritisiert u jene Karikatur zitiert, für den Autor ist zwar offenbar, dass es sich um ein Ausspruch handelt der sich auf jene idoten bezieht, eine Karikatur, die ihn zumal schallend lachen lässt, aber den Muslimen billigt er denoch zu sich insgesamt als Idioten angesprochen u beleidigt zu fühlen. Versteh ich nicht. Hält er die Muslime doch alle für so blöd? Oder sind es genau jene die den Humor nicht verstehen ein paar der von Charlie angesprochenen Idioten? Und was die letzte Karrikatur mit dem weinenden Mohammed u dem 'Je suis Charlie'- Schild in der Hand angeht, hier entzieht sich mir ganz und gar, weshalb in manchen islamischen Ländern darüber Leute randalierend auf die Straße gehen. Dummheit hat etwas sehr zerstörerisches an sich.

  • Weite Teile der Welt sind nicht so begeistert von Charlie Hebdo's sodomistischen Mohammed-Darstellungen. Das heißt nicht, dass damit auch die Morde befürwortet werden. "Mehrere Dutzend" oder auch 160 Demonstranten in der Türkei - ausgewiesenes ISIS-Rückzugsgebiet - sind kaum erwähnenswert.

     

    Was Russland betrifft: 18 Millionen Bürger der Russischen Föderation sind Mohammedaner. Man legt dort keinen Wert auf Beleidigung dieser religiösen Minderheit:

     

    ...Putin's strategic advisor, said in a public speech this week: "There has been a tragedy in France. Are there lessons we can take from it? The fact that freedom of the press is necessary for the construction of a democratic society is indisputable. But who says that freedom of the press should be supported if it is aimed at debasing and insulting religious sentiment? Calls to exercise freedom of the press through publishing caricatures, for example, of the Prophet Mohammed offend the sentiments of Muslims. And in Russia, Muslims constitute a significant portion of the population - more than 18 million citizens." http://unurl.org/2VTb

     

    Doch auch die christlich-orthodoxe Mehrheit Russlands wird für Charlie Hebdo's sodomistische Darstellung der "heiligen Dreifaltigkeit" wenig Verständnis aufbringen. So sind dort "Je suis Charlie"-Bekundungen nicht gern gesehen, und der Andrang war auch nicht so groß.

     

    Selbst die US-Regierung - sonst immer für eine heuchlerische Propagandafeier westlicher Werte zu haben - wollte offenbar nicht die teils recht militanten Christen im eigenen Land reizen. Während Russland immerhin Außenminister Lavrov schickte, nahm für die USA nur der amerikanische Botschafter in Frankreich am Marsch teil. So fehlte ein hochrangiger Vertreter der USA beim Ringelpietz mit Anfassen.

    • @h4364r:

      Unfug!

       

      Die haben bloß Angst vor ihren eigenen Religionsfaschisten.

       

      Und machen sich erst garkeine Illusionen, wie hierzulande, um deren Willen zu demokratischem Verhalten.

  • "...verstößt gegen die ethischen und moralischen Normen, die in Jahrhunderten ausgearbeitet wurden" die Weisheit der Alten, Jahrhunderte darüber gebrütet und herausgekommen ist das Russland Putins. Viel Denkaufwand kann nicht dahinter gesteckt haben. Russland ist in der Tat nicht Teil Europas, es hat die Aufklärung leider total verpasst.

    • @ingrid werner:

      Das stimmt, Russland ist keine Hochburg der Aufklärung. Aber eine zu sein hat Deutschland auch nicht davor abgehalten, die Welt - vor noch nicht allzu langer Zeit - in Brand zu setzen.

      Dostojevskij hielt übrigens die Aufklärung für ein Produkt des römischen Katholizismus und für den Anfang des kulturellen Ausblutens der Menschheit. Nichtsdestotrotz gilt er als einer der nahmhaftesten Vertreter der europäischen Humanität. Deshalb sollte man mit derlei Pauschalisierungen über ein kulturell heterogenes Land lieber vorsichtig sein.

    • @ingrid werner:

      Ja Ingrid, da bin ich 100% Ihre Meinung.

      Es hört aber dort nicht auf:

      - China

      - Iran

      - Ägypten

      usw.

      Überall wo sowieso freies Denken als Gefahr gesehen wird, wird gegen Charlie gewettert.

      • @anton philips:

        Wie definierst du freies Denken? Und speziell in Bezug auf Charlie?