Berliner Klimabilanz: (E)Mission impossible

Bis 2050 soll Berlin klimaneutral sein. Doch die Donnerstag veröffentlichte Klimabilanz zeigt: Die Emissionen steigen. Schuld ist vor allem der Autoverkehr.

Autos bedrohen Berlins Klimaziele Foto: dpa

In 30 Jahren sollen die CO2-Emissionen Berlins so radikal reduziert sein, dass die Stadt wahrscheinlich kaum wieder zu erkennen wäre. Denn bis 2050 soll Berlin klimaneutral werden. Das hat das Land mit dem Energiewendegesetz 2017 beschlossen. Sprich, die CO2-Emissionen sollen so stark reduziert werden, dass sich, wenn global so gehandelt würde, das Weltklima nicht auf über 2 Grad erwärmt.

Allerdings sind die CO2-Emissionen Berlins zuletzt nicht gesunken, sondern sogar leicht gestiegen. Das zeigt ein Blick auf die aktuellen Zahlen zur Energie- und CO2-Bilanz, die am heutigen Donnerstag vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg und der Senatsverwaltung für Wirtschaft veröffentlicht wurden. Vor allem der Verkehr macht Dreck und ist Sorgenkind des Klimaschutzes.

Im Schnitt wurden demnach 2016 in Berlin 5,7 Tonnen CO2 pro Kopf pro Jahr emittiert – ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Damit Berlin klimaneutral werden kann, sollen die Emissionen pro Kopf bis 2050 jedoch auf zwischen 1,1 und 1,7 Tonnen pro Jahr sinken. Das entspricht einer Reduktion um insgesamt 85 Prozent im Vergleich zu 1990. Theoretisch ist das machbar, zeigte 2014 eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt. Praktisch wurde seit 1990 bislang eine Reduktion um 31,4 Prozent erreicht. Doch die Entwicklung der Emissionen einzelner Sektoren zeigt, dass für einen fairen Beitrag Berlins zur Einhaltung des 2-Grad-Ziels weiterhin rigoros umgesteuert werden muss.

„Alle Sektoren müssen jetzt an die Kandare genommen werden – vor allem Verkehr und Gebäude und nicht nur der Stromsektor“, sagt Georg Kössler, Grünen-Abgeordneter und Sprecher für Klima- und Umweltschutz. „Politisch hat man sich bisher an den Verkehrssektor nicht getraut“, so Kössler. Das zeigen auch die Zahlen: Seit 1990 ist der Anteil der Verkehrs- an den Gesamtemissionen von 17,3 auf 27,5 Prozent gestiegen. Dass Autofahren aber immer noch privilegiert werde, so Kössler, lasse sich daran erkennen, wer wie viel Platz in der Stadt bekommt. Die Fläche müsse drastisch umverteilt werden, da der Pkw- im Vergleich zum Rad- und Fußverkehr immer noch zu viel Raum einnehme. Anstelle von Parkplätzen brauche es mehr Busspuren, so Kössler.

Eine Mammutaufgabe

Eine weitere Mammutaufgabe auf dem Weg zu Klimaneutralität ist der Gebäudesektor – genauer gesagt: die Raumwärme in den Haushalten. Fast die Hälfte der Emissionen Berlins – und damit der Bärenanteil – stammt aus Gebäuden: 47 Prozent waren es 2014. Seitdem gab es leichte Veränderungen; die Zahlen für 2016 werden jedoch nicht explizit für Haushalte, sondern gemeinsam mit Gewerbe und Dienstleistungen ausgewiesen (66,3 Prozent der Emissionen). „Eine Wärmewende ist nicht in Sicht“, sagt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. Die momentan durchgeführten Maßnahmen seien viel zu wenig ambitioniert.

Vor dem Hintergrund der steigenden Mieten fehle zudem eine sozialverträgliche Flankierung. Weil der Bund hier bislang zu wenig mache, könne Berlin den gesetzlichen Rahmen verändern, so Wild. „Der Senat muss hier aktiver werden“, sagt auch Kössler von den Grünen. „Doch der SPD geht es vor allem darum, schnell neu zu bauen.“ Dabei reiche es nicht, darauf zu warten, dass auf Bundesebene in Bezug auf den Bestand etwas passiert.

Bereits im Umbruch befindet sich der Stromsektor. Aus der Braunkohle ist Berlin 2017 ausgestiegen. Für die Steinkohle prüft der Senat derzeit, wie ein Ausstieg bis spätestens 2030 erreicht werden kann.

Ebenfalls richtungsweisend wird sein, wer in den kommenden Wochen den Zuschlag bei der Vergabe des Stromnetzes bekommt. Die Genossenschaft Bürger Energie Berlin will das Netz kaufen und damit eine „dezentrale Energiewende aktiv unterstützen“, sagt Vorstandsmitglied Christoph Rinke. Die Gewinne, etwa 100 Millionen Euro pro Jahr, sollten dann den BerlinerInnen durch den Ausbau erneuerbarer Energien und nicht dem bisherigen Betreiber Vattenfall zugutekommen.

Damit die Emissionen Berlins bis 2050 ausreichend reduziert werden, gilt es, verschiedene Stellschrauben zu drehen. „Eine klimaneutrale Stadt sieht radikal anders aus“, so Kössler.

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