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Dating-Podcast „Hörtsblatt“Endlich Schluss mit Tinder

Der Podcast „Hörtsblatt“ versucht Dating-Apps zu ersetzen. Dabei liefert er Unterhaltung und Selbstironie. Aber manchmal wird es auch etwas zu ernst.

Geht nicht nur per App, sondern auch im Podcast: Dating in der Badewanne Foto: Willie B. Thomas/getty

„Wenn du dir eine Person auf der Welt aussuchen könntest: Wen hättest du gerne als Gast zum Abendessen?“ So lautet die erste von 36 Fragen, die der US-amerikanischen Psychologen Arthur Arons in den 1990er Jahren entwickelte. Stellen sich zwei bis dahin fremde Menschen gegenseitig diese Fragen und beantworten sie ehrlich, so verlieben sie sich laut Arons Studie innerhalb von nur 45 Minuten. „Hörtsblatt – dem Podcast zum Verlieben“ will das toppen: 30 Minuten haben die Kan­di­da­t:in­nen hier, um sich zu verlieben. Und das, ohne sich zu sehen.

Doch wer in wen? Die Vorauswahl trifft Gastgeberin Toyah Diebel – oder wie sie sich selber nennt: „Amors beste Mitarbeiterin“ – selbst. Mithilfe ihres „patentierten Dr. Toyah Love – Matchverfahren.“ Mit Fragen, die sie den Kan­di­da­t:in­nen vorab schickt, um sie dann perfekt miteinander zu verkuppeln. Da wird natürlich ausgefragt, was ihnen besonders wichtig in einer Beziehung sei. Aber auch: „Was ist dein peinlichstes Kleidungsstück?“ und „Welche Frage könntest du bei ‚Wer wird Millionär‘ locker beantworten?“

Arthur Arons' „Wie ist die Beziehung zu deiner Mutter?“-Fragen fallen da wohl nicht drunter. Aber wer braucht schon einen psychologisch fundierten Fragebogen? Es sind Lifestyle-Fragen, die wichtig sind, wenn es darum geht, die große Liebe zu finden. Man kann sich ja nicht total verlieben, wenn der oder die andere auf einem Konzert nicht auch unglaublich gern im Moshpit steht. Findet jedenfalls Toyah. Steht man auf viel Euphorie und Oberflächlichkeit, ist man die perfekte Ab­neh­me­r:in dieses Podcasts.

Eine knappe halbe Stunde sprechen die zwei Gäste miteinander. In einem „Blinddate“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Anmoderiert von der Unternehmerin, Influencerin und selbsternannten Milf Toyah Diebel, die dauerhaft versucht, die Stimmung hochzuhalten. Und das kann sie gut, denn darin ist sie jahrelange Expertin. Mit ihrem Instagramkanal @toyahgurl, der immer zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit switcht. Und für den sie schon Jahre vor Rihanna mit Babybauch posiert hat.

Ganz ohne Cringe

Getreu ihres Stils springt auch „Hörtsblatt“ zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit. Hund oder Katze? Whatsapp oder Telegram? Lockere Fragen von Toyahgurl zum Einstieg. Da merkt man schon, wenn wer nicht zusammenpasst. Dann plötzlich: „Was war deine längste Beziehung und warum ist sie in die Brüche gegangen?“, fragt ein Gast. Als Zu­hö­re­r:in ist man in solchen Momenten doch froh, das erste Dates lieber in einem Café zu haben und nicht am Telefonhörer in aller Öffentlichkeit. Ernst oder Selbstironie? Beides? Immerhin: unangenehm oder cringy wird es nie. Auch die größte aller Befürchtungen – peinliches Schweigen – bleibt aus.

Die Menschen haben sich schließlich freiwillig dazu bereit erklärt, sich öffentlich preis zu geben. Ob aus Jux oder tatsächlich, weil sie auf eine Chance hoffen, eine stabile Beziehung zu finden, alles ist ein bisschen dabei. Sie geben eine gute Schnittmenge der heutigen Mittelschicht-Twens in Deutschland ab: Sie schauen Netflix, gehen gern auf Festivals, sind tätowiert, arbeiten als Social Media-Manager:innen oder sind schon um die Welt gereist. Und vor allem scheinen sie eine Alternative zur Selbstdarstellung auf Datingapps zu suchen, ohne natürlich die Verantwortung zu übernehmen, was das Auswählen und Ansprechen angeht. Viel zu unsicher.

Also weg mit Tinder, ­OkCupid, Grindr! „Hörtsblatt“ ist die ­Zukunft. Es verbindet jedenfalls das Angesagteste, das ­unsere moderne Zeit zurzeit an Unterhaltung zu bieten hat, ­miteinander: algorith­musbasiertes Dating und ­Podcasts. Das Ergebnis ist – wie der Name schon sagt – eine Art 21. Jahrhundert-Herzblatt, aber eben ohne drei Personen, die hinter einer Wand auf ei­ne:n warten, ohne Publikum, ohne Hubschrauber und ohne Zwang, sich danach nochmal treffen zu müssen. Aber tatsächlich auch ohne richtige Auflösung für die Hörer:innen: Nachdem die zwei Auserwählten jeweils beschrieben haben, wie sie sich die andere Person vorstellen, ­bekommen sie zeitgleich ein Foto des jeweils anderen zugeschickt. Die ­Zu­hö­re­r:in­nen bekommen nichts. Der große Aha-Effekt, auf dem die ganze Sendung aufbaut, bleibt also aus. Etwas ratlos und enttäuscht bleibt man zurück.

„Hörtsblatt“ ist eine erfrischende Abwechslung– für Teilnehmer:innen. Das Zuhören hat seinen voyeuristischen Reiz. Doch nach zwei, drei Episoden wird das Ganze dann doch etwas eintönig. Vor allem im Sommer, wo man doch lieber selbst raus möchte, und Leute kennenlernen.

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1 Kommentar

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  • Mir scheint die Tendenz geht generell weg vom Selber- Daten und hin zum Konsum der Bemühungen Anderer. Weg von der Selbstdarstellung, weg vom Risiko, hin zum Fremdschämen oder auch zur Mitfreude. Kann man machen, kann man lassen.