Die Popstrategie des US-Kandidaten: Obama, Kant und Star Trek
Obamas Loveparade-Rhetorik und seine Pläne für Afghanistan haben mehr miteinander zu tun, als man denkt: Kants ewiger Friede steckt dahinter. Und ein bisschen Star Trek.
Die Frage war, ob es Barack Obama gelingen würde, auch der deutschen Jugend ein Erweckungserlebnis zu bescheren. Würde man nachher sagen können: Ja, auch ich habe das Licht gesehen? Den Amerikanern zumindest hat Obama ein Licht versprochen, das über Washington scheinen wird, wenn Amerika erst wieder geeint ist. Wobei man ihm zugute halten muss, dass er dieses Licht nicht mit seiner Person in Verbindung gebracht hat: "Change does not happen from the top down, it happens from the bottom up." In Berlin hat Obama sich nun zum Weltbürger erklärt, seine Einheitsrhetorik auf den ganzen Globus ausgedehnt und damit auf den ersten Blick eine Rede im Geist der Loveparade gehalten. Das Motto seiner World-Tour lautet: "A Global Tsunami for Change".
Die Mauern zwischen reichen und armen Ländern, Einheimischen und Migranten, Christen, Muslimen und Juden müssten fallen, hat er gefordert. Der Applaus der Massen war ihm an dieser Stelle sicher, ganz tief unten erinnert er uns wohl an Lieutenant Uhura. Seine Vision zumindest kennt so mancher erwachsene Deutsche aus "Star Trek", wo eine Konföderation der Guten ein interplanetarisches Reich des Friedens errichtet hat. Ganz im Sinne Immanuel Kants, der erklärte, der ewige Friede sei keine leere Idee, "sondern eine Aufgabe, die ihrem Ziele beständig näher kommt". Weil die Staaten aber sich nicht wirklich zu einer Weltrepublik vereinigen wollen, schloss Kant, könne nur das "negative Surrogat" eines Bundes den stetigen "Strom der rechtscheuenden, feindseligen Neigung aufhalten".
Das sieht Obama genauso, und in "Star Trek" ist es nicht anders, weil schon morgen irgendwo in der Exsowjetunion herumliegendes Uran oder die geheimen Pläne eines Wissenschaftlers in Pakistan zum Bau einer Bombe führen könnten, die in Paris detoniert. Deswegen könnten wir uns Spaltungen nicht mehr leisten, rief Obama. Keine Nation, und sei sie noch so mächtig, könne solche Herausforderungen alleine bewältigen. Das kommt gut an. Auch die Forderung nach baldiger Verschrottung aller Atomwaffen und der Rettung der Welt klingt gut. Und natürlich wollen wir aufstehen für die Menschenrechte des Bloggers in Iran.
Die Popstrategie Obamas beruht darauf, dass die Leute immer nur das hören, was sie hören wollen. Aber er belässt es nicht dabei und fordert auch das Ende der nuklearen Ambitionen Irans und den entschiedenen Kampf gegen die feindseligen Neigungen von al-Qaida und den Taliban in Afghanistan. Hier, wo er konsequent kantianisch und am Unpopulärsten ist, also am wenigsten Dr. Motte an der Siegessäule ähnelt, ist Obama am sympathischsten. "Ehrlichkeit", sagt Commander Kant, "ist besser denn alle Politik."
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