Pressefreiheit in Südkorea: Die Schoßhündchen der Präsidentin
Südkoreas große Medien sind regierungsfreundlich wie nie zuvor. Der Skandal um die Wahlmanipulation von Park Geun Hye wird dezent verschwiegen.
Als die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye Anfang des Jahres ihre erste Pressekonferenz nach ihrem Wahlsieg abhielt, offenbarte sich die ganze Krise des Journalismus in ihrem Land. Die inszenierte Fragerunde, in der die regierungsfreundlichen Journalisten, der Stab der Präsidentin und die Präsidentin selbst wie nach einem Drehbuch agierten, legt ein erschreckendes Zeugnis ab – über die Medien in Südkorea, deren Freiheit und auch die Demokratie im Land.
Dabei hatten die Journalisten im Land nur wenige Monate zuvor aufbegehrt gegen die staatliche Einflussnahme auf die Berichterstattung und gar die Absetzung der Intendanten der einflussreichen Sender KBS, MBC, des Nachrichtensenders YTN und der koreanischen Nachrichtenagentur Yonhap gefordert. Sie alle werden auf Vorschlag des Präsidialamts benannt.
Nach der Liveübertragung der Pressekonferenz hagelte es in den sozialen Netzwerken Kommentare, die sich über die Journalisten und die Präsidentin lustig machten: „Das ist doch eine Fake-Show!“ hieß es. Oder: „Warum schielt sie immer auf das Rednerpult? Sieht aus, als würde sie ihre Antworten vom Blatt ablesen.“ Und ein alter Clip einer Pressekonferenz des vorletzten Präsidenten Roh Mu Hyun ging als Kontrastbeispiel durchs Netz, in dem die Journalisten den Präsidenten mit scharfen Fragen bombardieren und er zwar sichtlich verärgert, aber dennoch Rede und Antwort steht.
Nach wenigen Tagen stellte Newstapa, ein unabhängiger Internetsender, die Vermutung über die inszenierte Pressekonferenz als wahr heraus. Dem Sender war ein vierseitiges Dokument des präsidialen Staatssekretariats für Öffentlichkeitsarbeit in die Hände gekommen.
Alle Fragen aufgelistet
Das Papier war schon vor der Pressekonferenz fertiggestellt worden. Darin waren die zwölf Fragen, die bei der Pressekonferenz gestellt wurden, in der exakten Reihenfolge aufgelistet. Die unabhängigen Medien bezeichneten die Chongwadae-Korrespondenten der einflussreichen Medien als „Schoßhündchen der Präsidentin“, die in der Inszenierung brav ihre zugedachte Rolle spielten und in der nachfolgenden beschönigenden Berichterstattung nur dem Frauchen nachkläfften und es hochlobten.
Zu den Journalisten, die dem präsidialen Staatssekretariat für Öffentlichkeitsarbeit für ihre Inszenierung geeignet schienen, gehörten auch die Auslandskorrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters und des chinesischen Staatssenders CCTV. Sie erzählten Newstapa, Chongwadae, der Amtssitz der südkoreanischen Präsidenten, habe sie einen Tag vorher in Kenntnis gesetzt, ihre Fragen einzureichen.
Sawada Katsumi, der Vorstand des Foreign Correspondents Club in Südkorea, sagte, dass die anderen Auslandskorrespondenten diese Anfrage weder bekommen noch sonst wie davon gewusst hätten. Regierungskritische Journalisten bemängeln, sie hätten keinerlei Möglichkeit gehabt, irgendeine Frage an die Präsidentin zu richten. Die Pressekonferenz sei reine Propagandashow gewesen. Denn an kritischen Fragen hätte es sicherlich nicht gemangelt.
22 Millionen Fake-Tweets
Seit Januar letzten Jahres steht die Präsidentin wegen der sogenannten verfassungswidrigen Cyber-Wahlmanipulation massiv unter Druck. Schon während des Präsidentschaftswahlkampfes war durch Whistleblower aus dem südkoreanischen Nachrichtendienst NIS (National Intelligence Service) bekannt geworden, dass der NIS systematisch illegalen Wahlkampf für Park Geun Hye betrieb. Der Geheimdienst soll mit Tausenden Scheinaccounts mehr als 22 Millionen Fake-Tweets verschickt haben, um Stimmung für Park Geun Hye zu machen und den Oppositionskandidaten Mon Jae In persönlich wie politisch zu diffamieren.
Die Präsidentin sitzt den Skandal aus – und kann sich auf ihre Getreuen in den großen Medien verlassen. Der NIS-Skandal und die seit einem Jahr andauernden Proteste für eine Aufklärung werden in den einflussreichen Medien, wie etwa den Sendern KBS und MBC, deren Rundfunknachrichten rund 80 Prozent der verbreiteten Nachrichten in Südkorea ausmachen, dezent verschwiegen.
Und sie gehen noch weiter: Die Regierungskritiker, die unter Anwendung des Nationalen Sicherheitsgesetzes strafrechtlich verfolgt werden, werden in diesen Medien als kommunistische Kräfte dargestellt, die das Land nur ins Chaos stürzen wollten – im Dienste Nordkoreas.
Der Eingriff in die Pressefreiheit durch die südkoreanische Regierung macht vor Staatsgrenzen nicht halt. Die Kulturabteilung der südkoreanischen Botschaft in Deutschland erbat zuletzt von Christian Esch, dem Direktor des nordrhein-westfälischen Kultursekretariats, für ihr Quartalsmagazin Kultur Korea einen Artikel über ein deutsch-koreanisches Kunstprojekt zu schreiben. Bei der Freigabe des Artikels wurde er gebeten, den Satz „… der Komponist Isang Yun lebte, verfolgt von der Diktatur zu Hause, viele Jahre in Deutschland“ zu streichen. Begründung: Der Komponist sei in Südkorea umstritten. Esch kam der Forderung nicht nach. Der Artikel blieb unveröffentlicht.
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