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5 Jahre „Missy Magazine“„Kein Lobbyismus für Privilegierte“

Seit fünf Jahren erscheint das „Missy Magazine“ – im Eigenverlag und mit klarer Ausrichtung. Herausgeberin Chris Köver über Popkultur, Sexismus und Medienhypes.

Feministinnen mit Kochutensilien: das „Missy“-Team. Chris Köver ist die zweite von rechts (mit Hammer). Bild: Franziska Sinn
Anne Fromm
Interview von Anne Fromm

taz: Frau Köver, fünf Jahre Missy Magazine, und trotzdem muss man das Heft im Zeitschriftenladen noch suchen. Mal steht es bei den Frauenmagazinen, mal neben Neon und Zeit Campus. Wo gehört es denn hin?

Chris Köver: Tja, wenn wir das wüssten. Es gibt keine mit Missy vergleichbaren Zeitschriften – deswegen haben wir sie ja gegründet. Ich finde, es passt neben die Frauen-, aber auch neben die Popkulturhefte. Es passt aber auch zum Beispiel neben Dummy, weil das genau wie Missy mit wenig Geld im Eigenverlag erscheint.

Sie und Ihre Partnerinnen seien vor fünf Jahren angetreten, um die „patriarchalische Bastion Popkultur“ zu erobern, steht im aktuellen Heft. Wie weit sind Sie damit gekommen?

Wenn man die großen Musikzeitschriften, Intro, Spex, De:Bug früher nebeneinandergelegt hat, waren da meist Männer auf den Covern. Wenn über Frauen berichtet wurde, dann oft aus einer heterosexuell begehrenden Perspektive. Das hat sich ein bisschen gebessert. Wer heute ein Heft oder ein Panel ganz ohne Frauen macht, der muss sich dafür rechtfertigen.

Und das ist Ihr Verdienst?

Nicht nur allein unserer. Aber wir haben immer betont, dass wir anders arbeiten als die klassischen Popmagazine: ausschließlich Frauen auf die Cover und überwiegend weibliche Autorinnen. Wir haben bewusst eine Quote eingeführt: Eine einzige Rubrik widmet sich männlichen Menschen. Damit haben wir die anderen Magazine zum Nachdenken gezwungen.

Einst trug Missy die Unterzeile „Popkultur für Frauen“. Die fiel irgendwann weg. Warum?

Der Vertrieb hatte uns zu einer Unterzeile geraten, damit die Leute am Kiosk schnell sehen, worum es in dem Heft geht. Das wurde uns aber zu eng. Wir haben gemerkt, dass sowohl wir als auch unsere Leserinnen mehr politische Berichte wollen – Themen wie Flüchtlingspolitik, das Ehegattensplitting, die Proteste in Istanbul.

Im Interview: Chris Köver

geboren 1979, Mitgründerin und Redakteurin von „Missy“ und Dozentin an der Hamburger Akademie für Publizistik.

Sie wollten also eher den Popkultur- als den Frauen-Fokus loswerden?

Ja. Wir machen nach wie vor ein Heft für und über Frauen.

Wieso diese Einschränkung? Sie behandeln ja nicht nur feministische Perspektiven, sondern ganz unterschiedliche Diskriminierungsformen, wie Rassismus und Heteronormativität.

Feminismus bedeutet nicht nur, sich dafür einzusetzen, dass mehr weiße, gut ausgebildete, heterosexuelle Frauen in Führungspositionen gelangen. Wir sehen uns nicht als Lobbyistinnen für eine ohnehin schon privilegierte Gruppe. Unser Feminismus soll größere Zusammenhänge von Unterdrückung beleuchten.

Zum Beispiel?

Innerhalb der weiblich sozialisierten Menschen gibt es mehr Unterschiede als zwischen Männern und Frauen. Schwarze oder migrantisierte Frauen in Deutschland werden anders diskriminiert als weiße mit deutschem Pass, lesbische oder dicke Frauen wieder anders. Deswegen lassen wir im Zweifelsfall lieber Leute für sich selbst sprechen, als über sie zu sprechen. Sie sind die Expertinnen ihrer Situation. Ein imaginäres „Wir Frauen“ gibt es bei uns nicht.

Mit der Aufschrei-Debatte ist Feminismus wieder in die Öffentlichkeit gekommen. Kurzer Medienhype oder ist das Thema mittlerweile Mainstream?

Es ist Mainstream, zumindest insofern, als junge Frauen sich heute wieder als Feministinnen bezeichnen. Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt, dass das Wort Sexismus wieder in Mode kommt, hätte ich das nicht geglaubt. Es gibt unzählige Blogs, in denen Frauen von Sexismus schreiben und beweisen, wie alltäglich er leider noch ist.

Aber wenn das Thema angeblich so salonfähig ist, warum lesen immer noch viel mehr Frauen Brigitte als Missy?

Weil auch Frauen Sexismus internalisiert haben und in den Frauenzeitschriften das finden, was sie suchen: Tipps, wie sie schöner werden, die perfekte Mutter und gleichzeitig die toughe Chefin sind. Schönheitsideale und Rollenerwartungen sind anerzogen, die wird man nicht so leicht los. Die klassische Frauenzeitschrift liefert eine Anleitung zur perfekten Geschlechtsidentität.

Aber was ist mit den Frauen, die zum Aufschrei getwittert haben? Würden sie alle Missy lesen, ginge Ihre Auflage durch die Decke.

Sie steigt ja, aber eben langsam. Wir haben kein Budget für Werbung, das Heft verbreitet sich nur über Mundpropaganda und Medienberichte. Natürlich werden wir niemals die Brigitte ablösen. Missy spricht nur bestimmte Frauen an, die auf den ganzen sexistischen Quatsch keine Lust mehr haben. Aber das werden eben immer mehr.

Wie verträgt sich ein Nischenheft mit journalistischer Unabhängigkeit?

Wir versuchen die Abhängigkeit von Anzeigenerlösen zu verkleinern, indem wir uns noch stärker über Verkäufe und Abos finanzieren. Das Heft müsste etwa 12 Euro kosten, wenn wir es komplett ohne Anzeigen finanzieren wollten. Unsere Leserinnen sind aber jung und zum Teil noch in Ausbildung, so viel werden wir also nie verlangen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass wir irgendwann gar kein feministisches Heft mehr brauchten, weil die Kategorie Geschlecht keine Rolle mehr spielt und Menschen einfach als solche gesehen werden.

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10 Kommentare

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  • Ach ja und

    "Dass das Heft dann solch ein Kracher wurde, zeigt wie gut diese Analyse deutscher Zeitungslandschaften so war."

     

    ... zeigt alles mögliche, am nahesten liegt es doch anzuerkennen, dass stark von der Mainstream-Meinung abweichende Meinungen sich halt (erstmal) weniger gut verkaufen. Das sollten Sie als anscheinend fleißiger ta-Leser ja verstehen können.

  • "Weil auch Frauen Sexismus internalisiert haben und in den Frauenzeitschriften das finden, was sie suchen: Tipps, wie sie schöner werden, die perfekte Mutter und gleichzeitig die toughe Chefin sind. Schönheitsideale und Rollenerwartungen sind anerzogen, die wird man nicht so leicht los. Die klassische Frauenzeitschrift liefert eine Anleitung zur perfekten Geschlechtsidentität."

     

    Da ist sie wieder, die für Feministinnen typische Mischung aus Borniertheit und Arroganz. Frauen, die Frauenzeitschriften lesen, die nicht politisch auf Linie sind, haben das falsche Bewusstsein und sind vom bös-bösen Patriarchat indoktriniert. Nur Missy-Redakteusen wissen, was gut für Dich ist, Schwester!

     

    Zum Kotzen..

  • Also nochmal: Wenn überall Männer auf den Covern sind, dann ist das Lt. Missy Magazin übler Sexismus. Aber wenn Missy Magazin nur Frauen auf ihren Covern hat, dann ist das feministisch, hip und cool? Aha, so sieht also moderner Popfeminismus aus.

     

    Ohnehin ist da wenig Modernität, sondern viel reaktionärer Müll zu lesen.

    • @Horsti:

      Sexismus hat eine Richtung: er richtet sich vornehmlich gegen Frauen.

       

      Und wenn Frauen nur bestimmte Rollen zugedacht werden, die sie unterordnen und auf sexuell anziehende Fleischpuppen reduzieren, ja dann nennt man das Diskriminierung. Wenn nun Missy absichtlich nur Frauen abdruckt, dann nicht weil sie finden, anstatt der Diskriminierung von Frauen müsse die von Männern her, sondern um zum Beispiel darauf aufmerksam zu machen, dass die anderen einschlägigen Popkultur-Magazine erstaunlicherweise vor allem Personen mit Penis abbilden und auch nur diese als ernstzunehmende Vertreter darzustellen (die also etwas anderes zu bieten haben als eine gut geformte Hülle).

       

      Aber dabei geht es nicht darum dass alle NUR noch IMMER Frauen abbilden sollen weil dass dann gerecht ist, sondern Frauen AUCH mal die ihnen als vollwertige MENSCHEN gebührende Aufmerksamkeit zu geben.

       

      Lesen Sie doch mal aufmerksam Begründngen FÜR Quotenregelungen in Machtpositionen durch, vielleicht verstehen Sie ja dann ein bisschen besser worum es geht.

  • Oh ja, es gibt ja auch so wenig Frauenzeitschriften am Kiosk. Und Frauen auf dem Cover gibts ja auch kaum. Und Frauen werden natürlich auch ganz derbst diskriminiert. Da wurde es ja auch endlich Zeit...

     

    Dass das Heft dann solch ein Kracher wurde, zeigt wie gut diese Analyse deutscher Zeitungslandschaften so war.

    • @Pedro Jimenez Duarte:

      " Und Frauen werden natürlich auch ganz derbst diskriminiert."

       

      Ja werden sie, und zwar in den unterschiedlichsten Formen und das überhall auf der Welt. Das könnten Sie so und nicht anders überall bewiesen lesen und tagtäglich in ihrem eigenen Umfeld beobachten, wenn Sie nicht lieber die gemütliche Meinung beibehalten wollten, dass nicht Sie eventuell zu Unrecht privilegiert sind, sondern die anderen nur doof und hysterisch.

       

      Aber versuchen Sie doch gerne, mich mit validen Argumenten von Ihrer Meinung zu überzeugen.

    • @Pedro Jimenez Duarte:

      "Und Frauen auf dem Cover gibts ja auch kaum. "

       

      Auch hiervon ist im Artikel nichts zu lesen.

    • @Pedro Jimenez Duarte:

      Ich erlaube es mir, Sie auf einige Fehler in Ihrer "Analyse" der Situation, sowohl was den Markt für Zeitschriften in Deutschland als auch die sehr einseitige Diskriminierung Menschen eines bestimmten Geschlechts angeht, hinzuweisen.

       

      "Oh ja, es gibt ja auch so wenig Frauenzeitschriften am Kiosk. "

       

      Ich meine nicht, dass die Interviewte davon gesprochen hat, nur ähneln sich viele der "klassischen" Frauenzeitschriften sehr stark und wie die Interviewte auch ausführlich beschrieben hat, ging es ihr darum, ein Magazin zu machen, dass sich von diesen, deren Themen und generellen Deutungslogiken unterscheidet.

       

      Vermutlich haben sie hier die Intenton der Damen missverstanden.

  • K
    klaus

    Oh nein! Die „heterosexuell begehrenden Perspektive.“ Wie furchtbar, Wie furchtbar das doch immer ist!!!!!!!111111

     

    Hey, Ladies, gepampert und gefüttert vom Patriarchat (Man siehe sich nur das typische Frauenstudium an o.O):

     

    It’s better to be an object of desire, than an object of disposability!

     

    Denkt da mal drüber nach bevor ihr wieder den bescheuerten „Oh Nein, die Männer stehen auf uns!!! ZU HÜLFE“ Gesang anstimmt. Das ist mehr als peinlich.

     

    Feministen…

    • @klaus:

      Sexistischer Kommentar eines Mannes der eindeutig keinen Plan hat und sich aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit und seiner sexuellen Neigungen von Menschen angegriffen fühlt, die sagen, dass Menschen mehr sein sollten als sexuell begehrenswerte Geschöpfe und auch nicht in der Mehrzahl der Fälle so dargestellt werden.

       

      Peinlicher (alter) weißer Mann, wie all die anderen Kommentatoren :)