piwik no script img

Chinas Vorgehen gegen Meinung im NetzDer Blogger als Bedrohung

Die chinesische Führung geht verschärft gegen kritische Blogger vor. Im Fokus stehen nicht Regierungsgegner, sondern Prominente und Unternehmer.

In China werden prominente Blogger derzeit eingeschüchtert und festgenommen. Bild: ap

PEKING taz | Auf Inhalte scheinen es die chinesischen Sicherheitsbehörden nicht abgesehen zu haben. Denn über was sich die kritischen Blogger echauffieren, steht weitgehend im Einklang mit dem, was die chinesische Führung seit Monaten auch anprangert: Korruption, Luftverschmutzung und mangelndes Rechtsstaatsbewusstsein. Und trotzdem werden diese Blogger derzeit eingeschüchtert oder gar festgenommen.

Seit einigen Wochen geht die chinesische Führung verschärft gegen Blogger vor. Doch dieses Mal trifft es gar nicht so sehr Regierungskritiker oder Dissidenten. Sie scheinen es auf die sogenannten „Big V“ abgesehen zu haben. Dabei handelt es sich um Unternehmer, Journalisten und Prominente, die mit ihren echten Namen in den sozialen Netzwerken zu allen möglichen Themen ihre Meinungen äußern.

Jüngstes Opfer ist der US-chinesische Unternehmer Charles Xue. Offiziell wird er seit zwei Wochen in Gewahrsam gehalten, weil er angeblich mit einer Prostituierten erwischt wurde. Doch auch die chinesischen Staatsmedien erwähnen seine Festnahme stets im Zusammenhang mit seinen kritischen Blogeinträgen.

Der Millionär mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft zählt mehr als 12 Millionen Follower auf dem chinesischen Microblog-Dienst Sina Weibo. Dort hat er in den vergangenen Monaten regelmäßig die grassierende Korruption oder die mangelnde Lebensmittelsicherheit in China kommentiert.

Zum Gespräch mit den Behörden eingeladen

Aber auch auf den Pekinger Immobilienmogul Pan Shiyi haben es die Behörden abgesehen. Er ist Gründer und Miteigentümer des in Chinas Großstädten bekannten Immobilienunternehmens Soho. Er zählt auf Weibo ebenfalls viele Millionen Anhänger und bloggte zuletzt vor allem über Chinas Umweltprobleme. Unter anderem postete er täglich Verschmutzungsindizes von Peking.

Vergangenes Wochenende wurde Pan Shiyi zu einem Behördengespräch geladen und auf die jüngst von Chinas Staatspräsident Xi Jinping erlassenen sieben Grundsätze eingeschworen: das Recht zu achten, das sozialistische System zu stützen, dem nationalen Interesse zu folgen, individuelle Rechte zu schützen, die soziale Ordnung einzuhalten, die Moral zu respektieren und immer bei den Fakten zu bleiben. Der stets eloquent wirkende Pan trat daraufhin im chinesischen Staatsfernsehen auf und betete stammelnd diese Regeln herunter.

Volkszeitung mahnt die Blogger

Neben Pan und Xue sind in den vergangenen Wochen auch eine Reihe von Journalisten festgenommen worden, die über bestimmte Korruptionsskandale in den staatlich kontrollierten Zeitungen und Zeitschriften eingeschränkt oder gar nicht berichten durften, ihre Recherchen dann aber über die sozialen Netzwerke veröffentlichten. Die Volkszeitung (Renmin Ribao), das Zentralorgan der Kommunistischen Partei, mahnte gleich in mehreren Artikeln Blogger an, ihr „Recht zur Meinungsäußerung“ verantwortungsvoll zu nutzen.

Was genau hinter dieser Kampagne steckt, darüber gehen die Einschätzungen auseinander. „Sie spüren, dass es zunehmend schwieriger geworden ist, die öffentliche Meinung zu kontrollieren“, vermutet der chinesische Politologe Yang Dali von der Universität Chicago. Einige Blogger auf Weibo hingegen glauben, dass Präsident Xi Jinping und die neue Führung sich bloß als Hardliner profilieren wollen, um parteiintern Stärke zu beweisen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!