piwik no script img

Kolumne Die KriegsreporterinFettsucht-Geschosse auf Dreijährige

Kolumne
von Silke Burmester

Die „Bunte“ debattiert, ob ein Kleinkind zu dick ist, Ildikó von Kürthy sucht die Anleitung, um Feministin zu werden. Und das alles mit dänischem Akzent.

Liebe „Bunte“: Kinder sehen halt so aus. Egal ob ein Beckham-Spross oder wie hier Kinder in einer Leipziger Kita. Bild: dpa

S möre-taz, smöre-taz, römpömpömpöm! Guck mal, meine erste dänishe Ausgabe! Ich habe gelernt, man mus immer bei die Erfolgreiche gucke und da guck ich bei Die Zeit. Die haben einen estra-Firma für die PR-Sachen und die produsiert eine Hamburg-Beilage. Seit neuesten mache die das auch auf dänish. Für die dänishe Zeitungen. Also mach ich meinen Kolumne jetst auch auf dänish. So werde ich noch erfolgreicher!

Erfolgreich möchte auch Bunte.de sein. Also geklickt werden. Deswegen macht sie was mit Menschen. Egal was. Hauptsache, sie zeigt Menschen, an denen andere Menschen rumkritteln können. Das ist das Prinzip Bunte. Letzte Woche zeigte die Webseite ein Foto, auf dem Victoria Beckham ihre dreijährige Tochter Harper auf dem Arm hält, und titelte: „Victoria und David Beckham: Ist ihre kleine Harper zu dick?“ Und: „Riesendiskussion um neues Foto“.

Wohl aus Neugier, was die meinen – schließlich machte das Kind auf dem Arm einen überaus normalgewichtigen Eindruck –, klickte ich auf das Bild, worauf sich diese Zeilen eröffneten: „Während die beiden Stars rank und schlank durchs Leben gehen, zieht es Harper offenbar vor, getragen zu werden. Das zeigen aktuelle Aufnahmen. Zudem lässt es sich die kleine Prinzessin dabei noch schmecken, genießt augenscheinlich einen Softdrink. Wenn dem so ist, nimmt Harper mit einem Zug wohl mehr Kalorien zu sich als ihre Mutter in der ganzen Woche.“ Wie gesagt, das Kind ist drei.

Und da frage ich mich doch mal, so als Journalistin, die glaubt, Journalismus wohne auch Verantwortung inne, wie es sein kann, dass hier mal so eben die Hatz auf Kinder eröffnet wird. Zumal mit so einem perfiden Mittel wie angeblichem „zu dick sein“? Mal abgesehen davon, dass dieses Kind so was von normal ist, wie man in dem Alter nur normalgewichtig sein kann, möchte ich gern wissen, was diese „Redakteure“ für eine Selbstachtung haben, wenn sie ihre widerlichen Frauen-Magersucht-Fettsucht-Geschosse jetzt schon auf Dreijährige abfeuern.

Anlass ihres Berichts, so suggerieren sie, ist die „Riesendiskussion nach neuen Fotos“. Komisch nur, dass die „Riesendiskussion“ nirgends sonst zu finden ist. Oft genug geht der deutschen Berichterstattung über internationale Stars eine Berichterstattung in ihrem Land voraus. Aber Pustekuchen. Die Engländer schreiben keinen Ton.

Klingelingeling! Nach einigen falschen Verbindungen ist dann endlich der Chefredakteur von Bunte.de am Telefon und erklärt, was es mit der „Riesendiskussion“ auf sich hat: „Sie hat bei uns in der Redaktion stattgefunden.“ Ja, smöre-Redaktion, so einfach ist es bei Bunte, wenn man etwas zum Thema machen will.

An die Wut, die mich da unter meinem Helm überkommt, kann in puncto Kreischpotenzial nur noch die Beschränktheit einer Person heranreichen: die Ildikó von Kürthys.

Es gibt ja so Frauen, die machen den Mund auf und Wort gewordene Hirnentleerung tritt aus. Wohl weil die Autorin mit ihrem Roman „Sternschanze“ erneut gezeigt hat, dass es im Anspruch keine Grenze nach unten gibt (toller Beitrag zum Making-of hier!), hat der Kultur Spiegel Ildikó von Kürthy gefragt, wie sie denn den Monat September plane. Tatsächlich hat sie so dies und das vor. Und an den länger werdenden Abenden wolle sie sich durch das Buch von Anne Wizorek, „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“, arbeiten, sagt sie. „Weil, ich will auf meine alten Tage auch Feministin werden, und da steht hoffentlich, wie man das macht.“

Auch da fehlen mir die Worte. Auch die dänischen. Kommt ja nicht oft vor, smöre-Redaktion, ist aber so. Sprachlos zurück nach Berlin!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Der große Dieter Hildebrandt,

    der gern Kritik mit Witz verband,

    hat Macht und Medien gekannt

    und Offenburg einst „Burdapest“ genannt.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Something is rotten in Offenburg.

  • Der Babyspeck bleibt - Gott sei Dank,

    nicht bei jedem lebenslang.

     

    Bist Du als Bohnenstange einst geboren,

    quillt später Fett Dir aus den Ohren.

     

    Die Kurve hin zum Feminismus,

    die kratz ich jetzt, weil's heute sein muss.

     

    Wie gerne wär ich Feminist geworden,

    es scheiterte am Männermorden.

  • Auch interessant, dass die Bunte, wenn sie in einem weiteren Artikel einen "Fachmann" dazu befragt, nicht etwa einen Kinderarzt zu Wort kommen lässt, der mal eben einen Blick auf die üblichen Entwicklungskurven wirft. Nein, da muss ein Psychologe her.

    Liebe Frau Burmester, tun sie was für ihr Seelenheil und quälen sie sich nicht mit Bunte.de

  • Na, sprachlos tut bei dem ganzen #Aufschrei auch mal ganz wohl :)