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Gastkommentar Historische KommissionDie Geschichtsdemenz der SPD

Kommentar von Edgar Wolfrum

Die Sozialdemokraten wollen ihre Historische Kommission abschaffen. Dabei lässt sich ohne Wissen um die Vergangenheit keine Zukunft gewinnen.

Was die SPD-Gründerväter August Bebel und Ferdinand Lasalle wohl dazu sagen würden? Foto: ap

R echtspopulisten okkupieren die deutsche Geschichte, erst kürzlich traf es die „Wiege der deutschen Demokratie“, das Hambacher Fest von 1832. Von linksaußen ertönt zur 100. Wiederkehr der Revolution von 1918 eine alte Melodie: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“, wobei eine Linie bis zur Agenda 2010 suggeriert wird. Überall wanken demokratische Erinnerungskulturen, in Polen, Ungarn, in Frankreich – in jedem Museum, jeder Erinnerungsstätte, bei jedem Jahrestag.

Ausgerechnet in diesem Umfeld hat jene deutsche Partei, die sich rühmt, die älteste zu sein, und stolz ist auf ihre Demokratiegeschichte, eine ab­struse Idee: ihre Historische Kommission einzustellen.

Man könnte klagen, dass die jungen SPD-Funktionäre eben keinen Sinn für Geschichte haben. Aber es ist schlimmer: Sie haben keine Ahnung davon, warum unsere Demokratie ein Geschichtsbewusstsein benötigt, um nicht zu verkümmern.

Ohne Wissen um die Vergangenheit lässt sich keine Zukunft gewinnen. Kritisches Geschichtsbewusstsein ist ein Lebenselixier für jede Demokratie. Denn Geschichte ist die Trias aus Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive. Sie ist lebendige Aufklärung und Demokratiewissenschaft.

Edgar Wolfrum

Prof. Dr. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg und Mitglied der Historischen Kommission beim SPD-­Parteivorstand.

Geschichte als Waffe

Jedes Leben wird rückwärts gedeutet und nach vorne gelebt. Ohne historische Erfahrung kommen wir nicht aus. Geschichte zeigt uns, woher wir kommen – sie zeigt uns aber vor allem, was wir nicht mehr sind. Alle Europäer, die Diktaturen überwinden und Zivilgesellschaften aufbauen mussten, wissen das.

Für Antidemokraten war und ist Geschichte immer eine Waffe. In den anstehenden erinnerungskulturellen Kämpfen wird die stolzeste deutsche Partei stimmlos sein. Das geschichtsgesättigte Solidaritätslied der Arbeiter wird neu geschrieben. Aus: „Vorwärts und nicht vergessen“ wird „Vorwärts und schnell vergessen“.

Schadenfreude ist unangebracht. Denn es geht gar nicht um die geschichtsblind gewordene alte Tante SPD. Es geht, und das ist das Fatale dieser Posse, um die ­demokratische Gesellschaft.

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14 Kommentare

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  • Nun war die Historische Kommission nicht ohne Grund an der heutigen SPD-Parteispitze angeklebt. Die parteinahe Ebert-Stiftung hat ja selbst bis heute ein geschichtsklitterndes Bild der Ereignisse unter die Leute gebracht. Viel wäre also u.U. nicht von der HiKo zu erwarten gewesen.



    Und dennoch hätte sie sich kaum der neueren „links-liberalen“ Forschungsergebnisse zu 1918/19 verschliessen können.



    D.h., sie hätte, für die Geschichte und Position der damaligen SPD-Führung, bezogen auf ihr Selbstverständnis als sozial-demokratische Arbeiterpartei, alles andere als Rühmliches darzustellen gehabt:



    - Liebknecht/Luxemburg wurden ermordet;



    - Tausende Arbeiter*innen wurden auf Geheiß der SPD in Berlin, Bremen, München, dem Ruhrgebiet und Mitteldeutschland zusammengeschossen,



    - Luftangriffe auf Arbeiterstadtteile in Berlin,



    - Flammenwerfereinsätze,



    - willkürliche Erschiessungen ohne Standrecht zu Hunderten/Tausenden!



    Die Opfer blieben ungezählt und namenlos – bis heute!

    Die Aufarbeitung und die Verantwortlichkeit der unsäglichen Taten der EBERT/NOSKE/etc dafür steht noch aus, die Interessen der revolutionären Arbeiter*innen und Soldaten verraten, die ökonomisch-politischen Besitz- und Machtverhältnisse nicht im mindesten angetastet und dem Militarismus bei der Geburt des Präfaschismus Hebammendienste geleistet zu haben.



    Da sieht die Sozialdemokratie lieber nicht in den historischen Spiegel. Und das wiegt schwer, auch für die heutigen SPD-Führung. Denn: Wenn es die SPD selbst nicht tut, werden es andere tun, die daraus, wie damals bei der Dolchstoss-Lüge, politisches Kapital zu schlagen wissen werden.

    Nie war mir so übel wie jetzt, wenn ich an die letzten hundert Jahre der deutschen Geschichte und an unsere Zukunft denke.

    Historisches Fazit: Die Funktion der SPD-Mehrheitler scheint es zu sein, die Linke zu spalten, und als höchstes Ziel dabei, eine wirkungsvolle vereinte Linke Gegenkraft gegen Krieg und Kapitalismus zu verhindern. Tatsächlich wäre das nämlich die Mehrheit!

  • btw only -;)



    Mal die eine eine Frage*¿*



    Ist der ganze Käse nich eh gegessen*!*

    Ha noi. Findet sich doch längst inne - taz! Woll. by - auch klar! Newahr.

    "Kolumne Die eine Frage



    Die Zeit der Moralparteien ist vorbei



    Jeder Nationalismus ist rechts. Planen Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine eine linke oder eine rechte Sammlungsbewegung?" unser aller PU.

    www.taz.de/Archiv-...5517534&s=Unfried/

    kurz - Ab in die Tonne. Liggers.



    Jau. "Es lebe die Farce!"

    Na - Si'cher dat. Da mähtste so fix - Nix!



    Normal.

  • Hat eigentlich die LINKE auch eine historische Kommission, die die Verbrechen ihrer Vorgängerorganisationen KPD und SED aufarbeitet?

  • Der Autor irrt, die Abschaffung der Historische Kommission der SPD ist folgerichtig, sonst könnten die Genossen an die einstigen Fundamente der eigenen Politik erinnert werden - und an den Verrat der eigenen Prinzipien. Merke: Manche leben ohne Rückgrat besser, als mit.

  • Die Abschaffung hat im Zuge der Selbstabschaffung der SPD den Vorteil



    der Konsequenz.



    Hätte man den Leichenfledderer nicht



    zugetraut - wäre diese Entscheidung bei vollem Bewußtsein erfolgt.

  • "Von linksaußen ertönt zur 100. Wiederkehr der Revolution von 1918 eine alte Melodie: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“, wobei eine Linie bis zur Agenda 2010 suggeriert wird."



    So falsch ist das nicht. Die SPD hat sich in ihrer langen Geschichte viel zu oft an kritischen Punkten falsch entschieden. Dieses Muster aufzuzeigen kann zum geforderten Geschichtsbewusstsein viel beitragen. In diesem Sinne kann eine "Linie" "suggeriert" werden; in diesem Sinne erscheint der Scholzomat (auch in seinem aktuellen Wirken bspw. gegen mehr Steuertransparenz auf EU-Ebene) als Noskes Wiedergänger.

  • Geschichtliche Bildung zu betreiben und Erinnerung an wichtige Wegmarken sind nicht Sache von Parteien



    und die SPD ist keine alte Tante.

  • "Man könnte klagen, dass die jungen SPD-Funktionäre eben keinen Sinn für Geschichte haben. Aber es ist schlimmer: Sie haben keine Ahnung davon, warum unsere Demokratie ein Geschichtsbewusstsein benötigt, um nicht zu verkümmern."

    Wenn die SPD eine Partei wäre, die bereit wäre, aus ihren Fehlern zu lernen, dann - wär sie nicht mehr die SPD. Seit 1914 unwählbar.

    Wahrscheinlich hätte ich 1969 eine Ausnahme gemacht, die ich spätestens '72 bereut hätte...

    • @pitpit pat:

      Na gut, die KPD (und die ihr nachfolgenden Organisationen SED und PDS) war seit dem Spartakusaufstand 1919, spätetstens jedoch nach ihrer Stalinisierung 1925 auch nicht mehr wählbar.

      • @Hans aus Jena:

        Da bin ich ganz ihrer Meinung. - Das ist ja das Traurige...

  • Werter (Genosse?) Prof. Wolfrum,

    so wichtig wie Sie hier tun, kann Ihnen die Komission ja schon nicht sein, wenn sie nicht einmal unter "Mitgliedschaften" auf Ihrer Lehrstuhlseite auftaucht, www.uni-heidelberg...olfrum_person.html .

    Gewissermaßen typisch Babyboomer, immer auf den "jungen Funktionären¹" herum hacken aber nicht einmal selbst Farbe bekennen im akademischen Umfeld sondern allerhöchstens die Tätigkeiten für die parteinahen Stiftungen aufzählen, wobei auch hier noch für die Diversität die der Grünen dabei steht.



    "wird die stolzeste deutsche Partei stimmlos sein." Jap, wie auf Ihrer Lehrstuhlseite.

    Ernsthaft bei sowas kriege ich das kalte Kotzen, aber es wundert mich nicht. Parteigeschichte heißt für mich vor allem dass ich ihr Tun und somit ihre Führungspersönlichkeiten an den Verdiensten ihrer Geschichte messe und da hat sie schlecht in meinem Leben bisher gnadenlos versagt, seit 20 Jahren!



    Wem aus der Partei sollte ich heute ernsthaft zutrauen gegen Nazis oder den Kaiser aufzubegehren und zur Not ins Exil zu gehen wenn sie es noch nicht einmal geschafft haben sich gegen die Wirtschaftsbosse dieser Republik aufzulehnen und stattdessen bis zum heutigen Tag lieber ihre Genossen sein wollen, Olaf Schäuble, Andrea "Pippi" Nahles und KEVIN! eingeschlossen?

    Vielleicht sollte diese Historische Kommission der Sozialdemokratie einfach die eigenen Eier finden und geschlossen zur Linkspartei überwechseln, die ßPDEEEEE hat den Begriff und die Geschichte schließlich nicht markenrechtlich geschützt, was auch unmöglich wäre.

    ¹In case you'll change it above:



    "Man könnte klagen, dass die jungen SPD-Funktionäre eben keinen Sinn für Geschichte haben. Aber es ist schlimmer: Sie haben keine Ahnung davon, warum unsere Demokratie ein Geschichtsbewusstsein benötigt, um nicht zu verkümmern."

    • @Pleb:

      Olaf Schäuble - Danke!;))

      unterm-----



      Liggers - der blanke Neid!;))



      Aber - mal ab vom scheint's berechtigten Brodfresser-bashing!



      Selbst bei einer so fitten Kappe wie Hans-Jochen Vogel - sah ich mich nach klugen postWK II/UniMbg/L-Anmerkungen - doch bass erstaunt doch schleunigst angesichts roter Flecken zum Themawechsel veranlaßt!



      Als ich den Spruch & "Der Verrat" by Sebastian Haffner - nunja näher ins Auge faßte!



      &



      Auch nicht mehr soon ganz Junger!



      Münte! Zu Zeiten der Friedensbewegung ein wacher kluger Zuhörer. & Däh! "Wer nicht arbeitet - soll auch nicht essen!" et al. - glatt hirnvergoebbelt! Aber Hallo wie der Rest! - bis Olaf Schäuble! Das ja!;((

      kurz - Ja! Das hat methode schizo!



      Gewiß.



      But.Die Linke - die substantielle Alternative*¿* Im Ernst sein Mantel?



      Nö. Sorry - Aber över de Brüch!



      Joh'ik normal nich*¡*

  • kEIN kOMMENTAR

  • Ich kann das Unverständnis des Autors nicht nachvollziehen.

    Für eine Partei, die vor 30 Jahren Ihren Anspruch und ihre Geschichte ad acta gelegt hat, ist das nur konsequent.



    Den einzigen Output, den diese Kommission noch produzieren kann, ist doch “Außen rot und innen weiß“.



    Da wir das aber ohnehin schon alle wissen, braucht's dafür die Kommission nicht mehr - und die SPD eigentlich auch nicht...