Nach Rassismus-Vorwürfen in Berlin: Polizei zeigt nur noch deutsche Diebe
Die Polizei zieht ein Video zurück, mit dem sie vor Taschendieben warnen wollte. Alle Täter hatten einen Migrationshintergrund. Nun wird neu gedreht.
BERLIN taz | Die Polizei reagiert auf die Rassismus-Vorwürfe: Im Berliner U-Bahn-TV wird nicht länger der umstrittene Film gezeigt, mit dem die Polizei vor Taschendieben warnte. Das verkündete der Berliner Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) im Landesparlament.
Das Video „Vorsicht Diebe – so schützen Sie Ihr Weihnachtsgeld!“ zeigt in der ersten Szene eine Asiatin, die in einem Kleidungsgeschäft in einen fremden Rucksack greift. In der zweiten Szene zieht ein Schwarzer im Supermarkt eine Geldbörse aus einer Tasche, während sein Komplize das Opfer ablenkt – eine alte Frau mit Krückstock. In der dritten Szene beklaut eine dunkelhäutige Frau mit einem Handlanger einen Fahrgast während des Einsteigens in eine Straßenbahn. Es handelt sich um Originalaufnahmen echter Taschendiebstähle, die von Überwachungskameras gefilmt wurden.
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In dem Video haben alle gezeigten Täter offensichtlich einen Migrationshintergrund. Dabei ist völlig unklar, wie häufig das auch in der Realität der Fall ist. Bei 96 Prozent der Taschendiebstähle findet die Polizei keinen Tatverdächtigen (Polizeiliche Kriminalitätsstatistik als PDF).
Und bei den wenigen gefassten Dieben wird der Migrationshintergrund nicht erfasst, sondern nur die Staatsangehörigkeit. Von den ermittelten Tatverdächtigen hatten 74 Prozent keine deutsche Staatsbürgerschaft, sondern häufig eine rumänische, polnische oder bulgarische.
Das Video war auf heftige Kritik gestoßen. Hakan Taş, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sagte der taz: „Das Video erweckt den Eindruck, dass die Berliner Polizei Menschen, die nicht-deutscher Herkunft sind, als Täter vorführen will und stellt diese Personengruppe damit unter Generalverdacht.“ Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, sagte, es sei „schade, dass hier unnötig Klischees bedient werden. Als ob nur weiße Omis Opfer von Taschendiebstählen werden und als ob alle Täter ein vermeintlich ausländisches Aussehen hätten.“
Canan Bayram, Sprecherin für Integration, Migration und Flüchtlinge der Berliner Grünenfraktion, kritisierte: „Die Berliner Polizei sollte endlich erkennen, dass sie Dienstleister für alle Berlinerinnen und Berliner ist, unabhängig von Herkunft und Nationalität.“ Der Spot zeige Menschen, „bei denen aufgrund optischer Merkmale eine Stigmatisierung als 'kriminelle Ausländer' bezweckt ist“. Die interkulturelle Öffnung der Polizei sei gescheitert, so Bayram.
Der Mentalitätswandel, der auch seit dem Bekanntwerden des NSU-Skandals gefordert werde, fange im Kleinen an, sagte Aziz Bozkurt, Berliner Landesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD. „Dazu gehören auch so einfache Bilder, die man in diesem Video bedient.“
Der Türkische Bund kritisierte, die Täter in den Filmsequenzen seien klischeehafte Ausländer: „Damit stellt die Berliner Polizei Menschen nicht-deutscher Herkunft unter Generalverdacht.“
Angelina Weinbender vom Migrationsrat Berlin-Brandenburg sagte in Bezug auf polizeiinterne Richtlinien: „Die Weisung, Diskriminierung zu vermeiden, gilt scheinbar nur für Pressemitteilungen und nicht für rassistische Warnspots der Polizei. Auch gilt der Minderheitenschutz in Deutschland nicht für die asiatische und afrikanische Diaspora und andere People of Color“.
Die Polizei zieht ihre Konsequenzen: Der Film mit den Überwachungsbildern von dunkelhäutigen Taschendieben wird nicht mehr gezeigt. Stattdessen wird ein neuer Film produziert. Darin werden die Täter von Polizisten gespielt, die keinen Migrationshintergrund haben - und außerdem die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
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