piwik no script img

Ehemaliges KZ als FlüchtlingsunterkunftAsylsuchende in Buchenwald-Baracke

Früher nutzte die SS die Baracke in Schwerte. Bald sollen Flüchtlinge dort leben. Flüchtlingsinitiativen sind entsetzt, die Grünen nicht.

Die Flüchtlingsunterkunft in Schwerte wurde von den Nazis genutzt: eine ehemalige Außenstelle des KZ Buchenwald Bild: reuters

KÖLN taz | Früher schufteten 700 versklavte polnische Zwangsarbeiter auf dem Areal, demnächst sollen hier Flüchtlinge wohnen. Die Stadt Schwerte will Asylsuchende in einem Gebäude einer ehemaligen Außenstelle des KZ Buchenwald unterbringen.

Sie sollen in einem Flachbau untergebracht werden, den einst die SS-Wachmannschaften nutzten. Der Flüchtlingsrat NRW kritisiert die Pläne scharf. „Das ist ein Unding“, sagt Geschäftsführerin Birgit Naujoks. Sie fürchtet, dass vor Gewalt und Verfolgung Geflohene traumatisiert werden, wenn sie realisieren, wo sie untergebracht sind.

Die Aufregung in der Region ist groß. Aber Bürgermeister Heinrich Böckelühr (CDU) und Sozialdezernent Hans-Georg Winkler gehen in Deckung. Sie haben für Stellungnahmen keine Zeit, heißt es.

In der vergangenen Woche hatte der Sozialdezernent die Ratsfraktionen über Pläne informiert, die ehemalige KZ-Außenstelle zur Flüchtlingsunterkunft zu machen. Von SPD und Grünen kamen keine Einwände. „Wir sind entsetzt, dass dieses Thema jetzt so hochgekocht wird“, sagt die grüne Fraktionsvorsitzende im Schwerter Rat Andrea Hosang. „Vordergründig ist das ein Skandal“, räumt sie ein. „Aber nur vordergründig.“

Die Flüchtlinge sollen nur übergangsweise dort leben

Hosang würde den Kritikern recht geben, wenn die Notunterkunft direkt auf dem Gelände der Gedenkstätte für die KZ-Außenstelle läge, auf der ein Stein an das damalige Geschehen mahnt. Das sei aber nicht der Fall. Außerdem würde es sich bei der vorgesehenen Unterkunft schließlich um ein Gebäude handeln, dass nicht von KZ-Häftlingen, sondern deren Aufseher genutzt worden sei. „Das ist ein seit Jahrzehnten normal genutztes Gebäude“, sagt Hosang.

20 Jahre lang war dort ein Waldorf-Kindergarten untergebracht, zuletzt ein Kunstatelier. Zudem sollten die Flüchtlinge nur übergangsweise dort leben, bis die Stadt etwas anderes habe. „Das ist keine gute, aber auch keine wirklich schlechte Unterbringung“, sagt die Grüne.

Anders sieht das der Sprecher der Linkspartei in Schwerte, Karl-Heinz Schimpf. „Das ist außerordentlich unsensibel“, sagt er. Aus moralischen Gründen verbiete sich die Unterbringung von Flüchtlingen in einer ehemaligen KZ-Außenstelle. „Die Stadt hätte eine andere Lösung finden müssen.“

Das findet auch der Flüchtlingsrat NRW. Er fordert die Unterbringung von Asylsuchenden in Privaträumen und lehnt die Unterbringung in Containern eigentlich ab. Im äußersten Notfall sei sie aber immer noch besser als die Unterbringung in der Außenstelle eines ehemaligen KZ. „Es muss eine andere Lösung gefunden werden“, sagt Flüchtlingsrat-Geschäftsführerin Naujoks. Daran ändere auch nichts, dass das Gebäude in den vergangenen Jahren von verschiedenen Nutzern belegt war.

„Wir brauchen diese Mindeststandards"

Auf Landesebene ist nach dem Skandal um Übergriffe im Aufnahmelager Burbach Bewegung in die Flüchtlingspolitik gekommen. So diskutiert das Land mit NGOs über die Vorgaben für die eigenen Einrichtungen. „Das Land blockiert aber die Festschreibung von Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen“, sagt sie. Denn das Land fürchte, für die Einhaltung dieser Anforderungen zahlen zu müssen. „Wir brauchen diese Mindeststandards, damit die Menschen nicht auf drei Quadratmetern untergebracht werden“, sagt sie.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Steine sind Steine, bleiben Steine.

     

    Wenn interessiert es heute, wer dort irgendwann seine Stiefel über die Schwelle getreten hat.

     

    Geschichte hat ihre Denk-Orte. Und das ist auch richtig.

     

    Dieses Gebäude ist nicht von historischem Wert, oder Unwert.

  • Ich denke, den meisten Flüchtlingen ist es egal, wo sie wohnen. Es handelt sich wahrscheinlich in der Mehrzahl um Kriegsopfer, viele dieser Menschen sind bereits traumatisiert. Das dies Baracke vor über 70 Jahren von SS-Wachmannschften genutzt wurde? Ganz Deutschland war Nazi-Land, schon vergessen?!

  • recycling ist doch grün, oder ?

    remember :

    in Weimar, der Nazi Hauptzentrum wurde später von den Russen als Hauptquartier benutzt und jetzt für den liberalen konsumer Markt neu geschminkt (shoppingsgalerie)

  • Ich meine, man sollte Lokalitäten nicht auf Ewigkeiten zu unberührbaren Orten stilisieren. Das hat religiöse Tendenzen, die ich nicht mag. Wer unbedingt eine Erinnerung am Ort des Geschehens braucht, kann eine Gedenktafel anbringen und das Leben geht weiter. Das bedeutet nicht "Schwamm drüber", denn Bücher, TV und Internet sollten natürlich gegen das Vergessen veröffentlichen.

  • Viele der kleineren Konzentrationslager waren auf Geländen untergebracht, die schon vor 1933 für Sammelunterkünfte verwendet wurden, zum Beispiel gerade ungenutzte Kasernengelände. Nach dem Krieg wurden dann Displaced Persons und Spätheimkehrer dort untergebracht. Mit Symbolpolitik hat das erst einmal wenig zu tun. Mehr mit kommunalen Ressourcen.

  • Kein Bewusstsein für Geschichte und Verantwortung.

     

    So verschmelzen auch bewusst dummgehaltene Nachgeborene mit den Leugnern kapitalfaschistischer Verbrechen bis in die Gegenwart.

     

    Keine humanistische Aufklärung und Bildungspolitik im heutigen Deutschland.

    • @Reinhold Schramm:

      "Kein Bewusstsein für Geschichte und Verantwortung."

       

      Das muss der Mensch sagen, der glaubt, seit 1945 hätte sich in Deutschland vom System her nichts verändert.

      • @Dhimitry:

        Seit 1918 hat sich in den Eigentums- und Herrschaftsverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaftsordnung nichts verändert. Zur ideologischen Verschönerung trägt Ihr geistiges Manipulationssystem heute die Bezeichnung "Soziale Marktwirtschaft".

  • wenn überall dort, wo die nazis ihr unwesen getrieben haben keinerlei aktivitäten mehr stattfinden dürften müsste man deutschland zum sperrgebiet machen. im vordergrund sollte doch wohl stehen, daß man verfolgten und asylsuchenden schnell und unbürokratisch hilft. offensichtlich vermehren sich die bedenkenträger in diesem land immer schneller. dass dadurch die lösung dringend anstehender probleme beinahe unmöglich gemacht wird interessiert dies zeitgenossen scheinbar nur am rande. es betrifft sie ja nicht.

  • Die Sache hat das Zeug für einen veritablen Shitstorm: Maximale Emotionen bei minimaler Ahnung.