Ehemaliges KZ als Flüchtlingsunterkunft: Asylsuchende in Buchenwald-Baracke
Früher nutzte die SS die Baracke in Schwerte. Bald sollen Flüchtlinge dort leben. Flüchtlingsinitiativen sind entsetzt, die Grünen nicht.
![](https://taz.de/picture/73747/14/schwertekz_reuters.jpg)
KÖLN taz | Früher schufteten 700 versklavte polnische Zwangsarbeiter auf dem Areal, demnächst sollen hier Flüchtlinge wohnen. Die Stadt Schwerte will Asylsuchende in einem Gebäude einer ehemaligen Außenstelle des KZ Buchenwald unterbringen.
Sie sollen in einem Flachbau untergebracht werden, den einst die SS-Wachmannschaften nutzten. Der Flüchtlingsrat NRW kritisiert die Pläne scharf. „Das ist ein Unding“, sagt Geschäftsführerin Birgit Naujoks. Sie fürchtet, dass vor Gewalt und Verfolgung Geflohene traumatisiert werden, wenn sie realisieren, wo sie untergebracht sind.
Die Aufregung in der Region ist groß. Aber Bürgermeister Heinrich Böckelühr (CDU) und Sozialdezernent Hans-Georg Winkler gehen in Deckung. Sie haben für Stellungnahmen keine Zeit, heißt es.
In der vergangenen Woche hatte der Sozialdezernent die Ratsfraktionen über Pläne informiert, die ehemalige KZ-Außenstelle zur Flüchtlingsunterkunft zu machen. Von SPD und Grünen kamen keine Einwände. „Wir sind entsetzt, dass dieses Thema jetzt so hochgekocht wird“, sagt die grüne Fraktionsvorsitzende im Schwerter Rat Andrea Hosang. „Vordergründig ist das ein Skandal“, räumt sie ein. „Aber nur vordergründig.“
Die Flüchtlinge sollen nur übergangsweise dort leben
Hosang würde den Kritikern recht geben, wenn die Notunterkunft direkt auf dem Gelände der Gedenkstätte für die KZ-Außenstelle läge, auf der ein Stein an das damalige Geschehen mahnt. Das sei aber nicht der Fall. Außerdem würde es sich bei der vorgesehenen Unterkunft schließlich um ein Gebäude handeln, dass nicht von KZ-Häftlingen, sondern deren Aufseher genutzt worden sei. „Das ist ein seit Jahrzehnten normal genutztes Gebäude“, sagt Hosang.
20 Jahre lang war dort ein Waldorf-Kindergarten untergebracht, zuletzt ein Kunstatelier. Zudem sollten die Flüchtlinge nur übergangsweise dort leben, bis die Stadt etwas anderes habe. „Das ist keine gute, aber auch keine wirklich schlechte Unterbringung“, sagt die Grüne.
Anders sieht das der Sprecher der Linkspartei in Schwerte, Karl-Heinz Schimpf. „Das ist außerordentlich unsensibel“, sagt er. Aus moralischen Gründen verbiete sich die Unterbringung von Flüchtlingen in einer ehemaligen KZ-Außenstelle. „Die Stadt hätte eine andere Lösung finden müssen.“
Das findet auch der Flüchtlingsrat NRW. Er fordert die Unterbringung von Asylsuchenden in Privaträumen und lehnt die Unterbringung in Containern eigentlich ab. Im äußersten Notfall sei sie aber immer noch besser als die Unterbringung in der Außenstelle eines ehemaligen KZ. „Es muss eine andere Lösung gefunden werden“, sagt Flüchtlingsrat-Geschäftsführerin Naujoks. Daran ändere auch nichts, dass das Gebäude in den vergangenen Jahren von verschiedenen Nutzern belegt war.
„Wir brauchen diese Mindeststandards"
Auf Landesebene ist nach dem Skandal um Übergriffe im Aufnahmelager Burbach Bewegung in die Flüchtlingspolitik gekommen. So diskutiert das Land mit NGOs über die Vorgaben für die eigenen Einrichtungen. „Das Land blockiert aber die Festschreibung von Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen“, sagt sie. Denn das Land fürchte, für die Einhaltung dieser Anforderungen zahlen zu müssen. „Wir brauchen diese Mindeststandards, damit die Menschen nicht auf drei Quadratmetern untergebracht werden“, sagt sie.
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