Kommentar Urheberrecht: Böhmermann, der Shitstorm-Führer
Moderator Jan Böhmermann wird von einem Fotografen abgemahnt, weil er dessen Foto twittert. Statt sich zu entschuldigen, hetzt er gegen ihn.
E r ist Medienprofi, dieser Jan Böhmermann. Kurz bevor er ins ZDF-Hauptprogramm wechselt, bringt er sich mal wieder ins Gespräch. Die Zutaten dafür: Twitter, Hitlergruß, Urheberrecht, Shitstorm.
Im August 2014 twitterte Böhmermann das Foto des Jogginghosen-Nazis aus Rostock-Lichtenhagen von 1992. Sie wissen schon, der Typ, der sich eingepisst hat und den Hitlergruß zeigt. Fotograf Martin Lange ließ ihn jetzt dafür völlig zu Recht abmahnen. Böhmermann musste rund 900 Euro zahlen. So weit, so normal.
Doch Böhmermann empörte sich via Twitter und Facebook über den geldgeilen Fotografen, der auch Privatpersonen zahlen lässt, über den miesen Abmahnanwalt und das böse Urheberrecht. Seine Jünger schimpfen munter mit. Langer wird jetzt als Kapitalistendrecksau durchs Internet gejagt, berichtet von Gewaltaufrufen, selbst seine Tochter wird belästigt. Er ist gefangen im Böhmermann’schen Shitstorm.
Im Kern geht es Böhmermann um die Schwächen des Urheberrechts. Das ist tatsächlich verstaubt, lässt gerade bei „neuen Medien“ Grauzonen zu. Doch Böhmermann ist Profi, nutzt seinen Twitter-Account zur Selbstvermarktung und sollte sich im Urheberrecht ansatzweise auskennen.
Statt aber seinen Fehler einzugestehen, zu zahlen und ruhigen Wortes eine Diskussion zu starten, haut er weiter drauf und wirft Langer seinen 150.000 Followern zum Fraß vor. Er stilisiert sich zum Rächer der Abmahnanwalts-Opfer, spricht von Rechtsmissbrauch, und lässt so den Mob von der Leine, obwohl er schlicht nur beim Klauen ertappt wurde. Als wenn ein kleiner Junge, der beim Lollidiebstahl erwischt wird, sich mit der Unvollkommenheit des Kapitalismus rechtfertigt.
Selbst Bild-Chef Kai Diekmann ist dagegen ein Ehrenmann. Als er wegen eines ähnlichen Vergehens Stress mit Langers Anwalt hatte, zahlte er artig und gestand er seinen Fehler ein.
Nach über einer Woche Shitstorm ringt sich auch Böhmermann am Freitag zu einem kleinen „sorry“ durch. Recht spät hat er bemerkt, dass er den Internetmob trotz seiner Allmachtsfantasien nicht unter Kontrolle hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid