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Anwerbungsstrategien von Salafisten„Das ist die 9/11-Generation“

Dschihadisten erreichen Schüler, weil sie auf ihre Probleme eingehen. Über den Islam zu sprechen, beugt einer Radikalisierung vor, sagt Jochen Müller von ufuq.de.

Er gibt den Jugendlichen Antworten: der salafistische Prediger Pierre Vogel Bild: dpa
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Müller, alle Dschihadisten, die aus Deutschland nach Syrien in den Krieg gezogen sind, kommen aus der Salafistenszene. Diese ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Was macht diese Szene für junge Muslime so attraktiv?

Jochen Müller: Salafisten sind nicht nur für junge Muslime attraktiv, sondern auch für Konvertiten. Sie bieten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wonach sie suchen: Orientierung, Gemeinschaft, Werte. Und sie antworten auf das Bedürfnis vieler Jugendlicher nach Religion und Zugehörigkeit.

Warum haben die Salafisten derzeit einen solchen Zulauf?

Ich glaube, das ist die 9/11-Generation, also die, die 2001 Kinder waren. Die sind in Deutschland geboren und wachsen mit dem Wissen auf, dass dies ihr Land ist und sie ihre Kinder hier großziehen werden. Gleichzeitig haben sie die Erfahrung gemacht, dass sie von der Mehrheit nicht richtig anerkannt werden, nicht richtig dazugehören.

Mir sagte mal einer: Die Deutschen werden mich noch in hundert Jahren fragen, wo ich herkomme, nur weil ich schwarze Haare habe. Oder: Als der frühere Bundespräsident Christian Wulff sagte, der Islam gehört zu Deutschland, stand tags darauf auf Seite 1 der Bild: Wie viel Islam verträgt Deutschland? Das ist eine Ohrfeige für diese Jugendlichen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung beginnen viele erst, sich für Religion zu interessieren. Dabei sind sie nicht alle wirklich religiös, oft geht es um Identität und die Forderung nach Zugehörigkeit.

Was machen die Jugendlichen dann?

Sie stellen Fragen, suchen Antworten. Die können aber die Eltern meist nicht geben und der Imam auch nicht, weil die ihre Lebenswelten oft gar nicht kennen. Dann suchen sie im Internet. Und da ist man ganz schnell auf Salafistenseiten. So wissen sehr viele dieser Jugendlichen ganz wenig über den Islam, aber alle kennen Pierre Vogel …

den Salafistenprediger.

Genau, der gibt Antworten. Einfache, eingängige Antworten. Die bauen auf den Erfahrungen der Jugendlichen auf, machen aber eine Ideologie, ein Feindbild daraus. Also: Du bist Muslim und als Muslim wirst du immer diskriminiert werden und nie Teil dieser Gesellschaft sein. Schau dir an, was in Syrien passiert und in Palästina. Und auch hier in Deutschland wird der Islam unterdrückt. Es reicht! Seid stolz, wehrt euch! So geht das.

Wenn dann einer kommt und behauptet: Scharia und Grundgesetz, Islam und Demokratie, das geht nicht zusammen, dann haben diese Jugendlichen dem nichts entgegenzusetzen. Und natürlich bietet der Bezug auf die Religion Jugendlichen auch die Möglichkeit, Frust rauszulassen oder zu provozieren. Da sagt dann einer in der Schule: Die Scharia ist wichtiger als das Grundgesetz. Und schon steht die ganze Schule Kopf. Super, mehr Aufmerksamkeit hat dieser Jugendliche nie bekommen.

Im Interview: Jochen Müller

51, ist promovierter Islamwissenschaftler und einer der Gründer von ufuq.de (zu Deutsch: Perspektiven.de). Der Verein arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft, Medien, Jugendkultur und pädagogischer Praxis. Zur Arbeit gehören Workshops an Schulen, Fortbildungen für Pädagogen und ein Newsblog.

Aber nicht jeder, der etwas über seine Religion wissen will, landet bei den Salafisten.

Nein, natürlich nicht. Aber mehr als in der Generation ihrer Eltern und Großeltern gibt es bei vielen das Bedürfnis, sich mit der Religion auseinanderzusetzen. Das macht sie ansprechbar. Wirklich anzuspringen scheinen dann besonders Jugendliche, die Krisen-, Entfremdungs- und Ohnmachtserfahrungen gemacht haben, die zum Beispiel Brüche in ihrem Lebenslauf haben. Die Familie spielt dabei oft eine wichtige Rolle, ganz klassisch etwa: der fehlende Vater, getrennte Eltern und so weiter. Das gilt besonders für die kleine militante Szene.

Wie kommen Jugendliche konkret zum Salafismus?

Vor allem über das Internet – und über Prediger in einzelnen Moscheen. Aber auch auf der Straße, in der Schischa-Bar, auf dem Fußballplatz. Neulich erzählte jemand von Jugendlichen, die auf einem Bolzplatz Fußball gespielt haben und dann kamen ein paar ältere, religiöse Jungs. Die haben gesagt: Lasst uns kicken. Wenn ihr gewinnt, spielt ihr hier weiter, wenn wir gewinnen, kommt ihr mit in die Moschee. Das fanden die jüngeren cool. Sie haben verloren und sind mit in diese spezielle Moschee gegangen, wo sie einen salafistischen Prediger trafen, der sich mit ihnen unterhalten hat. Das hat ihnen gefallen, weil es mit ihren Bedürfnissen zu tun hat.

Man hört auch auch von Agitation in Schulen.

Ja, das kommt vor. Meist sind es dort Jugendliche, die versuchen, andere Jugendliche davon zu überzeugen, was sie für den „wahren Islam“ halten. Ein Beispiel: In einer Hamburger Schule hatten Schüler Material verteilt, wie muslimische Jungs und Mädchen sich zu verhalten und zu kleiden haben. Einige Mitschüler sagten, das habt ihr nicht zu entscheiden, ob wir gute oder schlechte Muslime sind. Es gab heftige Auseinandersetzungen. Das war vor den Sommerferien. Danach kamen die beiden Jungs mit Gebetsmütze und im traditionellen Gewand. Die Schule hat den beiden diese Bekleidung verboten. Das Ergebnis: Selbst die Schüler, die die Jungs vorher kritisiert haben, haben sich nun auf ihre Seite geschlagen, weil sie das Gefühl hatten, jetzt geht es gegen unsere Religion. Die Schule hat also genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie vielleicht hätte erreichen können.

Was macht Ufuq an solchen Schulen?

Wir geben den Jugendlichen den Raum, über ihre Vorstellung von Zugehörigkeit, Identität, Religion unter der Leitfrage zu reden: Wie wollen wir leben?

Was heißt das konkret?

Wir gehen mit jungen Teamern, die meist selbst Migrations- oder muslimischen Hintergrund haben, in Schulklassen und Jugendeinrichtungen und arbeiten dort mit Filmen, die wir zu Themen wie Geschlechterrollen, Islamfeindlichkeit, Scharia und Grundgesetz oder Salafismus produziert haben.

Damit geben wir einen Anstoß und den Raum für lebensweltnahe Gespräche zu der Frage, wie die Jugendlichen selbst es haben wollen – in der Klasse, in der Schule, in der Gesellschaft. Wie sollen zum Beispiel Jungs und Mädchen zusammenleben? Wenn die Mädchen weniger dürfen als Jungs, findet ihr das richtig? Über solche Fragen wird diskutiert. Und gerade in Gruppen, in denen schon einzelne agitieren, ist unsere Erfahrung: In dem Moment, in dem wir die Jugendlichen denk- und sprechfähig machen, auch in der Frage, welche Rolle spielt die Religion bei all dem, da werden sie sensibilisiert für die einfachen Welt- und Feindbilder von Salafisten. Und diejenigen, die im Namen „des Islam“ agitieren, verlieren die Lufthoheit über den Klassentischen. Das geht oft relativ schnell.

Was heißt schnell?

Wir machen Kurzzeitintervention entweder im Rahmen von Projekttagen oder in Workshops von dreimal zwei Stunden.

Kann das nachhaltig sein?

Wir haben inzwischen mit über 4.000 Jugendlichen in vielen Städten gearbeitet. Unsere Erfahrung ist, dass es wirkt. Die meisten Jugendlichen verstehen sich ja als Muslime, egal ob sie religiös sind oder nicht, und sie haben wenig Ahnung. Dann kommt einer und sagt: So ist das. Alle schweigen, weil sie nicht als schlechte Muslime gelten wollen. Wenn man da reingeht, mit Teamern, die meist selbst Muslime sind, und die zeigen, im Islam gibt es viele Möglichkeiten, dann kann man das aufbrechen.

Und dass sie merken, dass sie sich gar nicht entscheiden müssen, sondern sehr wohl gleichzeitig deutsch und muslimisch und demokratisch und türkisch oder arabisch sein können. Ihnen zu helfen, hier ihren Platz zu finden, das ist unser Job.

Das ist Primärprävention, wie es im Fachjargon heißt. Die, die schon ideologisiert sind, erreichen Sie so nicht, oder?

Nein, das ist ähnlich wie im Rechtsextremismus: Die kann man manchmal verunsichern, vor allem aber die Gruppe vor ihnen schützen.

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22 Kommentare

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  • Der Salafismus ist verfassungsfeindlich und nahe der faschistischen Ideologie- warum wird er in Deufschland nicht erboten?

  • Sportvereine, Pfadfinder, Landjugend, Kolping und CVJM haben es halt nicht mehr drauf. Außerdem treffen die Jugendlichen in diesen Organisationen auch zu oft auf eigene Eltern und deren Schwestern und Brüder.

    • @lichtgestalt:

      und es gibt zu wenige Lichtblicke wie Titus Dittmann.

  • Nur zur Vollständigkeit: Freitags im DLF sprechen jüdische Geistliche zum beginnenden Sabbat. Die Beiträge hör ich gern, da sie meinen Horizont erweitern (sic!). Imame habe ich allerdings auch noch nirgendwo gehört. Ist das nicht ein „Vorenthalten von Rechten?“

     

    btw: Bei den christlichen Feiertagen wäre ja schon mal eine Angleichung zwischen den Bundesländern angezeigt. So ne Art Länderfeiertagsausgleich. Schließlich leisten sich die Südländer und Sachsen eine erhebliche Arbeitszeit-Verkürzung durch Feiertage. Rechnerisch (einfacher Dreisatz) entspricht diese Arbeitszeitverkürzung ziemlich genau der niedrigeren Arbeitslosigkeit in den entsprechenden Regionen. :-)

    • @lichtgestalt:

      upps: @Olaf Mertens @D.J.

  • Das tun sie doch. Davon sollen wir bloß nichts erfahren, weil`s nicht in das gewollte Weltbild passt. In Zentral Afrika zb. werden hunderttausende Muslime grade von radikalen Christen abgeschlachtet. In Burma (miyanmar) werden seit Jahrzehnten Muslime von radikalen Buddhisten abgeschlachtet. Davon soll man aber nichts erfahren. Das in Ägypten auch Christliche Minderheiten von Radikalen Koppten verfolgt werden erzählt man auch nicht. Das die meisten Selbtmordanschläge von Hindus gemacht werden, weiß auch kaum einer. Das Problem ist nicht, das es so was nicht gibt, sondern das es vor uns verschwiegen wird.

    • D
      D.J.
      @Peter 88:

      Dass uns ZA und Myanmar verschweigen würden, ist m.E. Quatsch. Nicht nur in der taz. Ihre-Kopten-Behauptung hätte ich gern ebenso belegt wie die Abertausenden Hindu-Attentäter.

      Und ja, ich weiß, dass Kopten überwiegend erzkonservaiv sind. Ich kenne das Land.

  • Eins möchte ich doch anmerken: dieses "wir sind schuld, weil wir so schlecht zu ihnen waren" wird von vielen der Salafisten als Zeichen von Schwäche angesehen, sozusagen eine "labberige, sich selbst geißelnde Gesellschaft ohne Stolz". Dazu wollen sie nicht gehören, sondern "aufrecht" durchs Leben gehen. Da sind sie den dt. radikalen Rechten nicht unähnlich.

     

    Die Frage ist bzw. die Fragen sind: vielleichts sollte sich die dt. Gesellschaft auch mal fragen, was sie an sich gut findet und man als gemeinsamen Grundkonsens offensiv und aufrecht vertreten kann. Worauf man "stolz" sein kann, ohne auf dieses dämliche "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein" zurückzufallen.

     

    Und die andere Frage: wo sich Salafisten und extreme Rechte so nah sind, fragt man bei letzteren eigentlich genauso intensiv, was "die Gesellschaft" falsch gemacht hat? Oder sind das einfach nur "böse Menschen"?

  • Es geht um die Alltagserfahrung von Diskriminierung und nicht darum, dass im GG was von Glaubensfreiheit steht.

     

    Es geht darum, dass Jugendliche mit Vornamen Murat oder Nesrin erleben gar nicht erst zum Azubi-Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden oder ihr Onkel ihnen erzählt hat beim Anruf beim Wohnungsmakler oder Vermieter mit fadenscheinigen Aussagen abgebügelt worden zu sein. Das sind Erfahrungen, die Zuwanderer seit 50 Jahren (!) in diesem Land machen (müssen). Das ist der anhaltende Skandal.

     

    Als mittlerweile über fünfzigjähriger Zeitgenosse erinnere ich mich an die Momente im Kindesalter in den 1960ern als ich gelegentlich an einem Stadtviertel vorbeigeradelt bin, in dem zugewanderte türkische Arbeiterfamilien in heruntergekommenen abbruchreifen Häusern untergekommen waren. Auf meine Frage „Wieso wohnen die denn da alle so eng zusammen in diesen kaputten Häusern?“ erhielt ich in neun von zehn Fällen die platte Antwort: „Die wollen das gar nicht anders, die wollen so abgesondert leben!“ So beginnen Biografien mit Ausgrenzungserfahrungen und setzen sich über Jahrzehnte fort.

     

    Es geht auch um Symbole wie an anderer Stelle gesagt wurde. Und hat da mal selbst ein CDU-Mann im Präsidentenamt einen lichten Moment und benennt die Realität als das was sie ist („Islam ist Teil von Deutschland“), nämlich als Resultat einer schlichten Bestandsaufnahme, eines Faktenchecks sozusagen, stürzt am nächsten Tag dann das BILD-Wutgeheul über ihn ein (und heute natürlich noch extremer Weise das versammelte gesunde AfD-/CSU-/PI-News-Volksempfinden).

     

    Fragen Sie mal, wieso Wulff heute noch bei Muslimen in diesem Land ein so hohes Standing hat (selbst wenn er in anderem Zusammenhang noch so eine „Null“ sein sollte, O-Ton Kohl). Mit so wenig könnten viele als hier zugehörig eingebunden werden und sich fortan wertgeschätzt fühlen.

    • D
      D.J.
      @Daniel L:

      Sie haben Recht, dass es mir nicht zusteht, über die Diskriminierungserfahrung von anderen zu urteilen. Ähnliches berichtet auch mein durch und durch säkularer türkischdeutscher Freund (trotz guten Abschlusses nur Leerstelle bei Verwandten). Abgrenzung gibt es aber auch von der anderen Seite. Z.B. Schon mal eine türkische Freundin gehabt und gefragt, warum man nicht den Eltern vorgestellt wird?

      • @D.J.:

        Auch der Einwand ist zweifellos richtig. Integration ist keine Einbahnstraße. Allerdings ist eines zu konstatieren. Das ehemals links-grüne Spektrum hat sich längst von vormals naiv-romantischen Multikulti-Vorstellungen verabschiedet und fordert auch von Migranten Integrationsanstrengungen ein.

         

        Demgegenüber hat sich das konservative politische Lager bis heute nur millimeterweise bewegt. Die Realität, dass Deutschland seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland geworden ist, wird von maßgeblichen CDU-Politikern bis heute nicht anerkannt und offen ausgesprochen. Aktuelle Beispiele sind leider immer wieder Themen wie ein zeitgemäßes Zuwanderungsrecht oder der Doppelpass.

        • @Daniel L:

          " Das ehemals links-grüne Spektrum hat sich längst von vormals naiv-romantischen Multikulti-Vorstellungen verabschiedet und fordert auch von Migranten Integrationsanstrengungen ein. "

           

          Woran machen Sie das fest? Wenn es um Fehlentwicklungen innerhalb der Einwanderunsgesellschaft Deutschland geht, kommen automatisch die alten Reflexe hoch. Nach wie vor dominiert hier ein Diskurs, der Integration im wesentlichen als Bringschuld der aufnehmenden Gesellschaft ansieht. Und ob ein Doppelpass, der nun ausgerechnet das früher so inbrünstig geschmähte ius sanguinis reinstalliert, nun der Weisheit letzter Schluss ist, scheint mir nicht so sicher.

           

          Ich habe keine Grund, mich hier für die Position der CDU übermäßig in die Bresche zu werfen, die lange von gleicher Realitätsverweigerung gekennzeichnet war. Aber Namen wie etwa Armin Laschet werden auch Ihnen etwas sagen, und er ist damit durchaus nicht alleine. Man kann durchaus mal zur Kenntnis nehemn, dass sich hier Positionen teilweise erheblich geändert haben. Ich erinnere im übrigen nur an die BILD-interne Debatte um den BamS-Kommentar und die herrliche TAZ-Schlagzeile ("Endlich Fatwa vom Chef"). Ganz so monolitisch, wie Sie sie zeichnen, sind die Verhältnisse nicht.

  • Problematisch daran erscheint mir, dass bei diesem Ansatz sehr viel über eine religiöse Ausrichtung passiert. Warum werden die Jugendlichen überhaupt als Muslime angesprochen? Wenn es um das Zusammenleben geht, dann sollte die Religion da herausgehalten werden, finde ich. Es erscheint mir schlauer, gerade dafür ein Bewusstsein zu schaffen (das geht aber natürlich nicht in nur zwei bis drei Stunden..): nämlich dass Religion eben Privatsache ist. Man braucht nicht darüber schweigen, aber wenn es um das Zusammenleben geht und wie man sich dieses wünscht, dann sollte Religion keine Rolle spielen.

     

    Mir kommt auch schon der Ansatz spanisch vor, dass Menschen ein "Bedürfnis nach Religion" haben sollen. So als ob religiöse Praktiken auf einer Ebene stünden mit der Nahrungsaufnahme und dem Wohnen...

     

    Ich finde, der Ansatz, den Jugendlichen zu ermöglichen, zu sprechen und sich Gehör zu verschaffen - das ist ein guter Ansatz. Denn in unserer Gesellschaft, die so stolz auf ihre demokratischen Errungenschaften ist, passiert es leider allzu oft, dass Menschen das Gefühl haben müssen, ihr Wort sei ohne Bedeutung, zb wenn Regierungen etwas vor der Wahl versprechen und dann nach der Wahl ganz anders handeln.

     

    Nur kann es dabei um viele verschiedene Dinge gehen, die Einfluss auf das Zusammenleben haben. Bildung, Unterhaltung, Kommunikation, politische und soziale Teilhabe - das können alles Themen sein. Aber Religion sollte jedenfalls bei Fragen des Zusammenlebens überhaupt nicht relevant sein.

    • D
      D.J.
      @Rudeboy:

      Richtig. Wieso z.B. gibt es in D eine Islamkonferenz statt einer Migrationskonferenz des Innenministers? Wieso werden areligiöse Arabisch-, Türkisch-, Iranischstämmige usw. als Muslime angesprochen?

  • D
    D.J.

    "Und auch hier in Deutschland wird der Islam unterdrückt."

     

    Inwiefern, wäre dann meine Frage. Welche Rechte werden Muslimen vorenthalten? Selbst Salafsiten leben hier teils freier als in vielen muslimischen Ländern.

     

    "behauptet. Scharia und Grundgesetz ... das geht nicht zusammen"

     

    Natürlich nicht. Es sei denn, wir reduzieren Scharia auf ein paar harmlose privatrechtliche und kultische Aspekte.

     

    Achtung, rhetorische Frage: Warum eigentlich radikalisieren sich christliche Minderheiten in islamischen Ländern nicht in der Weise? Z.B. die verbliebenen Aramäer in der Südost-Türkei? Gedemütigt noch und noch von Nationalismus und Islamismus?

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @D.J.:

      Vielleicht geht es gar nicht s sehr direkt um Rechte, sondern viel mehr ums Vorkommen als Teil der Gesellschaft. Kleines Beispiel, weil ich jeden Morgen drüber stolper: Mein Radiosender sendet jeden Morgen "das geistliche Wort", also ein paar warme Worte zu Gott und der Welt. Abwechselnd gesprochen von einem Katholen und einem Evangelen. Und jedes mal wenn ich das schnell ausmache frag ich mich: wieso muss ich das eigtl nie wegen einem muslimischen Geistlichen abdrehen? Anderes Beispiel: Feiertage. Wieso haben alle so laut "niemals!" geschrien als Ströbele einen muslimischen Feiertag im Kalender vorschlug? Warum haben sich die beiden christlichen Konfessionen nicht auf einen "ihrer" Feiertage geeinigt, der zugunsten eines muslimischen zum Werktag wird? Kleine Geste - große Wirkung.

      • D
        D.J.
        @164 (Profil gelöscht):

        was die feiertage betrifft, scheint die beste lösung das freie verteilen eines individuellen feiertags-vorrats. das entspräche am ehesten einem säkularen staat, der nur weltliche tage vorgeben würde. problematisch allerdings bei schulen.

        ja, das brimborium um das wulff-zitat war seltsam. eigentlich ein völlig banaler satz in einem weltlichen staat. der islam gehört zu deuschland wie katholen, zeugen jehovas, radwanderwege, hindutempel, dicke, dünne, intelligenz, dummheit, fotoläden und und die neuen folgen von games of thrones. ganz einfach eigentlich.

         

        sorry, umschalttaste mal wieder...

  • Bitte!!!!!!!!!!!!!!!

    Egal im welchen kontext: Keine bebilderung mehr mit auf dem boden "betenden"kerlen mehr!!!!!!!! Es gibt soviel davon, dass ich wahrlich kotzen könnte! Inzwischen muss in den gehirnen der deutschen. bevölkerung eine von allen medie frisch angelegten synapse: Islam = auf dem boten kniende männer. BASTA!

  • Ich fände es nachhaltiger, wenn man darauf hinarbeiten würde, dass die jungen Menschen sich vom Islam abwenden. Sei es durch Aufklärarbeit in den Schulen mit dem Ziel einer kritischen Distanz zum Islam oder schlichtweg dadurch, dass man Moscheen und islamische Prediger verbietet.

     

    Mir ist klar, dass einige der Ansicht sind, dass ein normaler Islam kein Problem darstellt. Das sehe ich grundsätzlich auch so, aber das Problem bleibt, dass die Grenze zwischen Islam und Islamismus fließend ist und man sie nicht gescheit ziehen kann, weil beides auch viele Gemeinsamkeiten besitzt: Hingabe zum Glauben, Mohammed als Vorbild, Umsetzung islamischer Gesellschaftsvorstellungen. Es ist schwer, die Position zu vertreten "ein bissel Islam geht schon, aber umsetzen darf man bestimmte Lehren nicht und intolerante Lehren im Islam darf man nicht anwenden.".

    • @DerKommentator:

      Zitat: "Die meisten Jugendlichen verstehen sich ja als Muslime, egal ob sie religiös sind oder nicht, und sie haben wenig Ahnung."

      Dieser Satz im Text macht klar, worum es geht: die fühlen sich als Muslime, egal ob sie praktizieren oder nicht. Deshalb kannst du nicht als erstes darauf "hinarbeiten, dass die jungen Menschen sich vom Islam abwenden."

      Dann hast du die nämlich gegen dich und jeden Zugang verloren.

      Und was Verbote bewirken, wird ebenfalls im Text am Beispiel dieser Hamburger Schule beschrieben ...

    • @DerKommentator:

      Das ist aber genau die Position, die bzgl. des Christentums eingenommen wird. Da ignoriert man die problematischen Stellen des alten Testaments, betrachtet nur die Lehre nach dem zweiten vatikanischen Konzil und drückt beide Augen angesichts von Evangelikalen in den USA, den Niederlanden, Uganda etc. zu.

       

      Allerdings stimme ich zu: darauf hinarbeiten, dass sich Menschen von Religionen abwenden, wäre ein würdiges Unterfangen.

      • D
        D.J.
        @BigRed:

        Naja, nun gibt es nun aber außerhalb wirklich völlig durchgeknallter winziger evangelikaler Gruppen niemanden, der/die das AT insgesamt als Gesetzbuch für heute ansieht. Selbst ultraorthodoxe Juden fordern meist keine vollständige Rückkehr zu den Strafen des AT im Hier und Jetzt. Dass das auch die Haltung der Mehrheitsmuslime in D zur Scharia ist - geschenkt.