Privater Datenhandel per App: Persönliche Infos zum Sonderpreis
Mithilfe einer App sollen Nutzer selbst entscheiden können, wem sie ihre private Daten anbieten. Doch wer nichts verkauft, wird zur Kasse gebeten.
BERLIN taz | Bisher schwirren sie überall unkontrolliert herum: unsere privaten Daten. Sie machen uns zu Zielscheiben personalisierten Marketings und pumpen unaufhörlich Geld in die Taschen der sozialen Netzwerke. Doch warum bestimmen wir nicht selbst, wem wir unsere Daten verkaufen? Der Erlös ginge dann an uns selbst und nicht an „Zwischenhändler“ wie facebook oder twitter. Ein Londoner Startup tüftelt nun an einer App namens Citizenme mit der Internetnutzer ihre privaten Daten bündeln, ihren Wert erfahren, und sie direkt an ein Unternehmen ihrer Wahl verkaufen können.
Noch kann die App das allerdings nicht. Bisher analysiert Citizenme nur die Daten, die der Internetnutzer in den sozialen Netzwerken gespeichert hat. Das funktioniert ganz einfach: Zunächst verknüpft die App das Handy mit den den sozialen Netzwerken Facebook, LinkedIn und Twitter. Die Daten werden lokal auf dem Handy gespeichert, nicht auf dem Server von Citizenme. Dem Surfer wird dann angezeigt, welche Daten er öffentlich preisgibt.
„Zuerst einmal müssen wir das Bewusstsein der Leute schärfen“, sagte Citizenme-Gründer StJohn Deakins dem Technikmagazin Wired. Die Nutzer sollen mithilfe der App einen besseren Überblick über Einstellungen zu Privatsphäre und Datenschutz erhalten. Ein besonders alarmierender Umgang mit Daten – wie Facebooks Zugriff auf Fotos – leuchtet rot auf. Wenn sich Nutzungsbedingungen ändern, schlägt Citizenme Alarm und fragt den Betroffenen, wie er diese Änderung findet. Diese Abstimmung ist allerdings rein symbolischer Natur. Das Feedback der Nutzer hat keinerlei Einfluss.
In Zusammenarbeit mit der Cambridge University hat Deakins zudem eine Serie an Persönlichkeitstests entwickelt, in die man die Daten einspeisen kann. Die Testergebnisse zeigen an, ob man politisch liberal oder konservativ eingestellt ist und ob dies dem eigenen Erscheinungsbild im Internet entspricht. Informationen über die politischen Gesinnung gehören noch zu den harmloseren Daten, die über Citizenme verkauft werden sollen. Mit der Erlaubnis des Nutzers wollen Deakins und sein vierköpfiges Team künftig auch Daten über Aufenthaltsort, Gesundheit analysieren lassen. Sogar Informationen über den eigenen Chromosomensatz sollen für die App nutzbar gemacht werden.
Zahlzwang für Geheimniskrämer
Solche Pläne dürften bei so manchem Datenschützer Entsetzen hervorrufen. Doch Deakins ist nicht der Einzige, der sich für eine Öffnung der digitalen Privatsphäre ausspricht. Dirk Helbing, Physiker und Professor für Soziologie an der ETH Zürich, hat sich ein ähnliches Konzept ausgedacht. Im Januar verteidigte er im taz-Interview den Handel mit privaten Informationen - allerdings mit Einschränkungen. „Meine Gesundheitsdaten stelle ich anonym der Forschung zur Verfügung, aber nicht den Pharma- und Versicherungsunternehmen.“ Angaben zu Religion und sexueller Orientierung würde Helbing nicht digital teilen.
Ansonsten sieht er viele Vorteile in der gezielten Veröffentlichung privater Daten. „Meine Kreditkartendaten teile ich anonym mit Firmen, damit ich bessere Produktangebote bekomme. Meine Mobilitätsdaten teile ich anonym mit Unternehmen, damit ich kostenlos Verkehrsinformationen erhalte.“ Eine Datenbörse, in der jeder Bürger bestimmen kann, welche Daten er frei gibt, sei für ihn „Empowerment und eine Wiederherstellung des Gleichgewicht zwischen Staat, Wirtschaft und Bürger.“ Er halte es nicht für nötig, dass sich jeder am Datenhandel beteiligt. „Man kann ja seinen Datenaccount einfach auf "nicht teilen" einstellen.“
Bei Citizenme soll offiziell auch kein Zwang zum Datenverkauf bestehen. Doch wer seine Daten für sich behalten will, wird einen Mitgliedsbeitrag zahlen müssen. „Wenn manche Nutzer ihre Daten verkaufen, damit andere Nutzer die App kostenlos nutzen können, ist das nicht fair“, findet Deakins. Schließlich will auch das Gründerquintett vom Handel mit brisanten Daten profitieren. Die Gruppe hat vor, einen Teil des Geldes, das der Nutzer durch den Datenhandel erhält, einzubehalten.
Jedoch stellt sich die Frage, ob überhaupt jemand seine Daten verkaufen will. Deakins ist zuversichtlich. Seiner Ansicht nach gibt es zwei verschiedene Arten von Nutzern: Die älteren wollten eine bessere Kontrolle über ihre Privatsphäre und seien bereit, dafür Geld zu zahlen. Die jüngere Generation sei hingegen gewohnt, dass zum Beispiel Facebook Profit aus ihren Daten schlage und wollten nun auch etwas davon abbekommen.
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