Nahostkonflikt in Europa: Debatte um Hamas in Kliniken
Erdoğan brüstet sich bei einer Pressekonferenz mit dem griechischen Premier mit 1.000 Militanten in türkischen Krankenhäusern. Athen ist irritiert.
Doch dann erwähnte Mitsotakis in seiner Stellungnahme in einem Nebensatz die Standardformel der EU über die „Terrororganisation Hamas“. Vorbei war es mit der Harmonie. In seiner Erwiderung auf Mitsotakis wiederholte Erdoğan mehrmals, die Hamas sei keine Terrororganisation, sondern vielmehr eine Befreiungsbewegung. So weit, so bekannt, doch dann schob Erdoğan noch eine echte Neuigkeit hinterher: In der Türkei, so der Präsident, würden momentan mehr als 1.000 verwundete Kämpfer in Krankenhäusern behandelt.
Während Mitsotakis noch beschwichtigte, man solle wegen dieser Meinungsverschiedenheit den Neuanfang zwischen Griechenland und der Türkei nicht infrage stellen, trendete auf X bereits die Frage, wie denn mehr als 1.000 verwundete Hamas-Kämpfer in die Türkei gebracht werden konnten? Erdoğan sagte dazu nichts, auch in den regierungsnahen Medien gab es keinen Hinweis darauf.
Die einzige Möglichkeit für Palästinenser, den Gazastreifen zu verlassen, ist der Übergang nach Ägypten. Palästinenser müssen rund 5.000 Dollar bezahlen, um von den Ägyptern auf eine Liste gesetzt zu werden, aufgrund derer ein Grenzübergang möglich wird. Manchmal gelingt es, einen Transport mit Verletzten über die Grenze in ägyptische Krankenhäuser zu bringen.
Erdoğan unter Druck aus eigenem Lager
Der ägyptische Präsident und Alleinherrscher Abdel Fattah al-Sisi ist allerdings ein erklärter Feind der Muslimbrüder, aus denen die Hamas hervorgegangen ist. Aus diesem Grund hatte er mit dem türkischen Präsidenten gut zehn Jahre lang keinen Kontakt. Der israelische Analyst Kobi Michael vom Forschungsinstitut INSS geht dennoch davon aus, dass die ägyptische Regierung bei verletzten Hamas-Kämpfern beide Augen zudrückt, schließlich flössen dadurch enorme Summen nach Ägypten.
Trotzdem dürfte es der ägyptischen Regierung kaum gefallen, dass Erdoğan sich nun mit über 1.000 Hamas-Kämpfern in türkischen Krankenhäusern brüstet. Dass er das Geheimnis gelüftet hat, dürfte innenpolitische Gründe habe. Erdoğan steht unter Druck aus dem eigenen Lager, zu wenig für die Hamas und die Palästinenser insgesamt getan zu haben. Mitarbeit: Judith Poppe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“