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Nach AbtreibungsverbotMehr Sterilisationen in den USA

Im Jahr 2022 kippte der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court das Recht auf Abtreibung. Immer mehr Menschen reagieren mit einer Sterilisation.

Überall in den USA protestieren Frauen für ihre Rechte Foto: Paul Weaver/dpa

Washington afp | Die Aufhebung des landesweiten Rechts auf Abtreibung im Jahr 2022 in den USA hat einer neuen Studie zufolge zu deutlich mehr Sterilisationen geführt. Der am Freitag im „Jama Health Forum“ veröffentlichten Studie zufolge war der Anstieg bei Frauen höher und länger anhaltend als bei Männern. Es handelt sich um die erste Studie, die untersucht hat, wie sich die Gerichtsentscheidung, die ein politisches Erdbeben ausgelöst hatte, auf permanente Verhütung bei jungen Erwachsenen auswirkt.

„Der große Unterschied in den Mustern dieser beiden Verfahren spiegelt wahrscheinlich die Tatsache wieder, dass junge Frauen überwiegend für die Verhinderung von Schwangerschaften verantwortlich sind und die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Abtreibungsverboten überproportional zu spüren bekommen“, erklärte Hauptautorin Jacqueline Ellison von der University of Pittsburgh School of Public Health.

Sterilisationsverfahren seien bei Frauen deutlich komplexer und zwei- bis sechsmal teurer als bei Männern, heißt es weiter in der Erklärung. Hinzu komme, dass bei Frauen – anders als bei Männern – für die Umkehrung einer Sterilisation eine komplexe, invasive Operation nötig sei.

Für die Studie wurden medizinische Daten von großen Medizinzentren und Kliniken herangezogen. Sie fokussierte sich auf die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen, in der die Wahrscheinlichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen höher sei und Sterilisationen eher bereut würden.

Die Daten zeigen den Angaben zufolge, dass die Sterilisationsrate bereits in den Jahren vor dem Gerichtsurteil im Juni 2022 etwas anstieg. Das Urteil löste demnach jedoch bei beiden Geschlechtern einen deutlichen Anstieg aus, der bei Frauen mehr als doppelt so hoch ausfiel wie bei Männern.

Anschließend ging die Rate der Männer, die sich einer Vasektomie unterzogen, wieder zur vorherigen Entwicklung zurück. Die Rate der Frauen, die sich einer Tubensterilisation unterzogen, stieg jedoch weiterhin schneller an als vor dem Urteil.

Der Oberste Gerichtshof der USA hatte im Juni 2022 mit seiner höchst umstrittenen Entscheidung ein politisches Erdbeben ausgelöst, das Grundsatzurteil Roe v. Wade aus dem Jahr 1973 aufzuheben, das ein landesweites Grundrecht auf Abtreibungen verankert hatte. Etwa 20 konservativ geprägte Bundesstaaten haben seitdem das Recht auf Abtreibung abgeschafft oder drastisch eingeschränkt.

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9 Kommentare

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  • Korrelation ungleich Kausalität.

    Hierzu sollte mal eine Fortbildung zur Auswertung von Daten angeboten werden, bei afp oder taz?

    Ich finde die Abtreibungsverbote in den USA unsäglich, aber die in dem Artikel gezogene Kausalität ist nur vermutet.



    Tatsächlich spricht nichts dafür, sondern nur dagegen, denn die Zahl der Sterilisationen nahm schon vor dem Gerichtsurteil zu.



    Außerdem gibt es massenweise Confounder, z.B. Kosten von Verhütungmitteln, soziale Perspektive beim Aufziehen eines Kindes, etc.

    Das Wesentlichste aber ist: Sterilisation ist keine Verhütungsmethode. Eine junge Erwachsene, die sich sterilisieren lässt, möchte NIE Kinder bekommen.

    Abtreibung ist etwas, was einem späteren Kinderwunsch nicht entgegen steht. Schon von daher kann eine Sterilisation kein Substitut für Abtreibung sein.

  • Wenn Menschen sich sterilisieren lassen, weil sie nicht mehr abtreiben können, heißt das im Umkehrschluss, dass sie vorher eine Abtreibung bewusst in Kauf genommen haben, um auf präventive Maßnahmen verzichten zu können. Es geht dann bei diesen Abtreibungen also nicht um Un- oder Notfälle, sondern um eine bewusst gewählte "Verhütungsmethode".

    Abtreibungsverbote sind problematisch, weil sie Abtreibungen gefährlicher machen, nicht wirklich verhindern und ungewollt Schwangere in Notsituationen bringen. Trotzdem sind Abtreibungen natürlich in einem ethischen Graubereich und präventive Methoden zur Verhinderung ungewollter Schwangerschaften immer besser. Es wäre interessant, ob auch die Verwendung von Kondomen, der Pille etc. zugenommen hat. Jedenfalls ist eine Entwicklung zu mehr präventiven Methoden bei restriktiveren Gesetzen tatsächlich eher ein Argument gegen zu liberale Regelungen.

    • @Ruediger:

      Bei den Abtreibungsverboten in den USA ging es so weit, dass selbst in medizinischen Notfällen Ärzte nicht wussten, ob sie noch legal agieren und lieber nichts taten.



      Sich vor diesem Hintergrund nicht mehr auf Pille und Kondom zu verlassen, halte ich für folgerichtig.



      Aber eine weitere Untersuchung, ob präventive Verhütung ausreichend genutzt wird, wäre natürlich begrüßenswert.



      Ebenso wie die Untersuchung, ob geborene Kinder noch genauso willkommen sind, wenn die Mutter keine andere Wahl hatte.

    • @Ruediger:

      "Wenn Menschen sich sterilisieren lassen, weil sie nicht mehr abtreiben können, heißt das im Umkehrschluss, dass sie vorher eine Abtreibung bewusst in Kauf genommen haben, um auf präventive Maßnahmen verzichten zu können."

      Den Schluss kann man so nicht ziehen. Keine Verhütungsmethode (außer Sterilisation) ist zu 100% sicher. Zu ungewollten Schwangerschaften kommt es trotz Verhütung. Wenn frau dann nicht selbst entscheiden darf, ob sie das ungeplante Kind austrägt oder nicht, ist Sterilisation der einzige Weg.

    • @Ruediger:

      Na ja, Abtreibung als "bewusst gewählte Verhütungsmethode", soweit würde ich nicht gehen.

      Mit der Neuzeit, also dem Beginn des Bürgertums, entstanden auch bürgerliche Werte wie Individualität und Abgrenzung von der Familie/Gruppe. Die Möglichkeit in so einem individuell gestalteten Leben, für eine ungewollte/ungeplante Schwangerschaft flexibel zu bleiben bzw. eigene Pläne "über den Haufen" zu werfen, erscheint vielen als eher nicht möglich. Hinzu kommt, dass in den USA kein vergleichbar gut ausgebauter Sozialstaat besteht wie in Nordeuropa. Zum Vergleich: In Island sind Studenten-Schwangerschaften völlig normal, da hilft der Staat den jungen Menschen und sie "schenken" der Gesellschaft Kinder. Für mich ist ein gut ausgebauter Sozialstaat wichtig für die Schwächsten der Gesellschaft, dann kann man auch sagen: Abtreibung? Nur im Notfall bitte.

      • @Marie1985 :

        Ich weiß natürlich nicht, was Sie unter Notfällen verstehen. Auch bei einem "gut ausgebauten Sozialstaat" wie etwa in Deutschland kommt es jährlich zu um und bei 100T Schwangerschaftsabbrüchen, davon die weitaus meisten (>90%) im Rahmen der Beratungsregelung, gegenüber wenigen medizinischen und kriminologischen Indikationen. Regelmäßig sind um die 60% der abtreibenden Frauen ledig, um die 40% verheiratet. Ist natürlich spekulativ, aber ich glaube nicht, dass das alles Notfälle sind. Wohl aber für die Frauen sehr bedeutsame und überlegte Entscheidungen (de.m.wikipedia.org...gerschaftsabbruch)

        Letztlich ist es die Frau, die das Kind austrägt und großzieht, und nicht der Sozialstaat. Sicher ist es wichtig, Mütter und Familien so zu unterstützen, dass sie nicht aus sozialen Gründen abtreiben, obwohl sie das Kind gern behalten hätten. Umgekehrt ist es aber falsch, eine Frau zum Austragen eines Kindes zu zwingen, das sie nicht will, weil die sozialen Bedingungen es möglich machen würden. Das schadet dem ungewollten Kind und der Frau, über deren Körper und Leben fremdbestimmt wird.

        Deshalb Straflosigkeit, gute freiwillige Beratungsangebote für Schwangere, gute Ausbildung der Gynäkolog:innen zu dem Thema, Entstigmatisierung, dadurch bessere Verfügbarkeit von Kliniken und Praxen, die Abtreibungen durchführen, und gute leicht zugängliche Informationen für Patient:innen.

        • @sàmi2:

          "Das schadet dem ungewollten Kind"

          Für mich hat das ungeborene Leben bereits einen eigenständigen Wert, unabhängig von der biologischen Abhängigkeit zur Mutter. Insofern ist ein Schwangerschaftsabbruch das Ende des Lebens des ungeborenen Kindes. Das schadet ihm also am meisten. Man kann ein Kind nach der Geburt zur Adoption frei geben, viele hetero- und homosexuelle Paare, die sich nichts sehnlicher wünschen als ein Kind, stehen zwecks Adoption zur Verfügung.

          Richtig ist aber auch, dass man Abtreibung niemals verbieten kann. Man kann nur die legale, ärztlich betreute Abtreibung verbieten. Darum muss weltweit der Abbruch legal möglich sein. Die Frau hat das letzte Wort, da kann man den Abbruch persönlich noch so schlimm finden.

          • @Marie1985 :

            Ein Kind zur Adoption freizugeben ist aber auch einfacher vorgeschlagen als umgesetzt.



            Rechtlich mag das noch relativ einfach sein, aber emotional und sozial ist es extrem schwierig.



            Abgesehen davon, dass es eine extreme körperliche Belastung ist, die in keiner anderen Situation von einem Menschen abverlangt werden darf.



            Selbst wenn Sie einen Unfall beobachten und ein Mensch zum Überleben Ihre Hilfe benötigt, sind Sie nicht gezwungen, sich selbst in Gefahr zu bringen, um diese Hilfe zu leisten. (Dass viele bereit sind, trotz der Gefahr zu helfen, ist lobenswert, aber keine Selbstverständlichkeit)

  • traurig, daß frau sich mit sterilisation gegen abtreibungsverbot wehren muß.



    diese rückwärtsgewandte und frauen-unterdrückende politik in den usa ist schlimm, bei uns aber auch nicht viel besser. §218 exisitiert immer noch. wann fällt er endlich?????



    wenn ich tot bin ....