Schlagabtausch zwischen Höcke und Voigt: TV-Duell mit einem Faschisten
Thüringens CDU-Chef Mario Voigt wollte Höcke beim TV-Duell am Donnerstag stellen. Immerhin: Die Katastrophe blieb aus. Aber gut ist das noch lange nicht.
Für den CDU-Mann hätte der Abend schlechter verlaufen können. Er braucht im TV-Duell mit seinem Gegenkandidaten von der AfD, dem Rechtsextremisten Höcke, zwar eine Weile, bis er seinen Gesprächsmodus gefunden hat. Zunächst landet er mit staatsmännischem Ton ausgerechnet beim Thema Wirtschaft in der Defensive. Höcke wirft ihm vor, dass doch die CDU als langjährige Regierungspartei mitverantwortlich für die Probleme im Land sei.
Immerhin: Die Katastrophe bleibt aus. Voigt verliert den Zweikampf nicht. Doch gut ist damit noch lange nichts.
Dem CDU-Mann allerdings könnte das schon reichen. Denn schließlich geht es für ihn an diesem Abend strategisch um zweierlei: Mit dem Duell seine Bekanntheit zu steigern – denn viele Thüringer*innen, deren Ministerpräsident er werden will, kennen ihn gar nicht. Und Amtsinhaber Ramelow, der weiterhin beliebte Mann von den Linken, als Hauptgegner abzuräumen. Die AfD liegt in den Umfragen zwar vorn, aber da niemand mit ihr koalieren will, wird der Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten wohl zwischen CDU und Linken ausgetragen. Ein öffentlicher Schlagabtausch zwischen Voigt und Ramelow läge auf der Hand. Eigentlich.
Podium für den Faschisten
Voigt aber will Ramelow von der Bildfläche schieben – und die Landtagswahl in Thüringen zu einem Duell zwischen CDU und AfD machen. Wer den Rechtsextremisten Höcke verhindern will, muss für die CDU stimmen, das soll die Message an die Wähler*innen sein. Das Fernsehduell zur besten Sendezeit ist der Auftakt dafür.
„Es ist einfach, ihn einen Faschisten zu nennen. Das muss ich nicht machen, das hat ein Gericht schon gemacht“, sagt Voigt irgendwann im Duell. Nur: Voigt – und der Springer-Verlag – bieten diesem Faschisten gerade ein bundesweites Podium, das ihn als ganz normalen politischen Mitbewerber erscheinen lässt und Rechtsextremismus so normalisiert. Ausgerechnet übrigens am Jahrestag der Befreiung des Thüringer Konzentrationslagers Buchenwald. Dafür hatte es im Vorfeld kräftige Kritik gehagelt.
Aber auch Lob für Voigts Mut. Der hatte angekündigt, die AfD inhaltlich zu stellen, Höcke „ins Licht ziehen“ zu wollen. Dabei sind Höckes Positionen bereits ausgeleuchtet.
Das etwas chaotische Duell dauert am Ende 71 statt der angesetzten 45 Minuten. Mitunter ist nichts zu verstehen, weil nicht nur die beiden Diskutanten, sondern auch die beiden Moderator*innen durcheinanderreden. Dass Letztere mehrfach einen Faktencheck ankündigen, aber erst für den Folgetag, macht die Sache nicht besser. Höcke kommt mit Falschaussagen etwa zu den Ausgaben für Entwicklungshilfe und Kosten illegaler Migration durch. Er kann behaupten, dass es den Briten nach dem Brexit besser gehe, und er darf gegen Muslime hetzen. Niemand greift ein.
Um Thüringen geht es in der Debatte nicht, wenn man von einem etwas skurrilen Disput darüber absieht, ob rohes Hackfleisch auf einem Brötchen nun Mett oder Gehacktes heißt. Voigt, der Höcke korrigiert, will damit deutlich machen, dass er wirklich Thüringer, Höcke aber nur ein zugezogener Wessi ist. Ansonsten wird über Europa und Migration, Erinnerungskultur und den Krieg in der Ukraine debattiert.
Manchmal in der Defensive
Dabei gibt es auch Momente, in denen Höcke in die Defensive gerät. Etwa als der Moderator und auch Voigt zum Thema „Remigration“ nachfragen, worunter Rechtsextremisten die millionenfache Ausweisung von Menschen verstehen, auch solcher mit deutschem Pass. Höcke hatte in seinem Buch darüber geschrieben.
Jetzt aber, nach mehrfachen Nachfragen, bietet er eine ganz neue Definition: dass es darum gehe, Deutsche zurückzuholen, die ins Ausland abgewandert seien. „Ich hätte erwartet, dass Sie mehr Mumm hätten, zu ihren Positionen zu stehen“, schiebt Voigt da ein. Dem einen oder der anderen AfD-Fan dürfte das nicht gefallen.
Oder als sich Höcke partout nicht mehr an seine Aussagen über die heutige Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz erinnern kann. Über sie hatte er gesagt, dass sie in Deutschland nichts verloren habe, weil bei ihr außer der Sprache „keine spezifisch deutsche Kultur“ zu erkennen sei. Die SPD-Politikerin hat türkische Wurzeln. In diesem Moment stellt sich das Gefühl ein, dass Höcke ins Schlingern gerät.
Nur: Selbstverharmlosung – also der Versuch, die eigene Agenda weniger radikal erscheinen zu lassen – ist eben auch eine rechtsextreme Strategie. Die AfD soll wie eine normale Partei erscheinen. Der Schlagabtausch zur Primetime mit dem Landeschef der CDU dürfte dabei eher geholfen haben. Höcke hat das Duell zwar nicht gewonnen. Aber ein Erfolg war es für ihn allemal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“