piwik no script img

Kommentar Europäischer RechtsblockTaktisches Wahlmanöver

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Möglich, dass die europäischen Rechtsparteien ihre Differenzen bis zur Europawahl überwinden können. Danach wird es aber schwierig.

Italiens Innenminister Matteo Salvini möchte den europäischen Rechtsblock gerne anführen Foto: reuters

G ut sechs Wochen sind es noch bis zur Europawahl – wenig Zeit, um eine komplett neue Parteienfamilie aufzustellen. Seit Monaten laborieren die erstarkenden Rechten an einer solchen Allianz, bislang allerdings mit mäßigem Erfolg: Nur eine einzige der großen europäischen Rechtsparteien – nämlich die AfD – erschien am Montag auf Einladung des kraftstrotzenden italienischen Innenministers Matto Salvini in Mailand, um die Gründung des neuen Rechtsblocks zu verkünden. Dass der Rest nur deshalb nicht kam, weil der Platz auf dem Podium sonst eng geworden wäre – wie Salvini behauptet hatte –, darf getrost bezweifelt werden.

Der plötzliche, demonstrative Schulterschluss soll vor allem in den kommenden Wahlkampfwochen helfen. Glaubt man ihren skandinavischen Mitgliedern, den Rechtsparteien aus Dänemark und Finnland, hat sich die neue „Europäische Allianz der Menschen und Nationen“ getaufte Par­teien­familie auf einen Kompromiss geeinigt, nachdem die angestrebte Beschneidung der Kompetenzen Brüssels auch eine Absage an eine Transferunion bedeutet.

Unter den anderen Rechtsparteien dürfte das kaum konsensfähig sein. Die offenkundigen Differenzen sind riesig: Praktisch alle rechts regierten osteuropäischen Staaten profitieren, meist mit Milliardensummen, von EU-Geldern. Dass sie ernsthaft dafür eintreten, diese Subventionen abzuschaffen, ist kaum anzunehmen. Und Italien selbst setzt auf eine hohe Neuverschuldung – kaum anzunehmen, dass die AfD das dann noch gutheißt, wenn die nächste Finanzkrise droht.

Wem an Europa etwas liegt, wird begrüßen, wenn es den Rechten nicht gelingt, diese Differenzen zu überwinden. Möglich ist aber, dass sie diese aus strategischen Gründen übergehen. Denn zu gewinnen ist für die Rechte viel: Statt zersplittert auf drei Fraktionen will sie künftig in einer Fraktion auftreten – und auch noch die größte im neuen Parlament werden. Spätestens nach der Wahl wird die Xenophobie aber als Kitt nicht mehr ausreichen, um die Interessengegensätze zu überlagern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!