Indiens neue Erinnerungskultur: 182 Meter Größenwahn
Indiens Premierminister Narendra Modi weiht die größte Statue der der Welt in Gujarat ein – und schreibt so die Geschichte seines Landes um.
Ganz anders Indiens derzeitiger hindunationalistischer Premierminister Narendra Modi: Er weihte am Mittwoch eine Statue der Superlative ein: Mit 182 Metern Höhe ist das Standbild von Sardar Vallabhbhai Patel, Indiens erstem Innenminister nach der Unabhängigkeit 1947, das höchste der Welt: Doppelt so groß wie die Freiheitsstatue in New York und natürlich auch höher als die bisher weltgrößte Statue, die einen Buddha in China darstellt, das Inder so gern übertrumpfen wollen.
5.000 Polizisten wurden am Mittwoch zur Einweihung an das Ufer des Narmada-Flusses mobilisiert, wo die Statue in einer abgelegenen Region des westlichen Unionsstaates Gujarat in der Rekordzeit von nur 33 Monaten errichtet worden war. Der an diesem Tag vor 143 Jahren geborene Patel stammte aus Gujarat. Der Hindunationalist Modi war dort zuvor Ministerpräsident, die Statue ist seiner Heimat ist sein Lieblingsprojekt.
Patels historischer Verdienst war, nach Indiens Unabhängigkeit von den Briten zaudernde Fürstentümer mit harter Hand in die Union geholt und ihnen Gedanken an eine eigene Unabhängikkeit ausgetrieben zu haben. Er gilt deshalb als „Indiens eiserner Mann“ und sein gigantisches Abbild wird jetzt „Statue der Einheit“ genannt.
„Titan des Freiheitskampfes“
„Patel, ein Titan des indischen Freiheitskampfes, hat das Land geeinigt und seine Desintegration verhindert“, sagte Modi in seiner Rede am Mittwoch. Er lobte auch Patels „strategische Weitsicht“.
Dabei gehörte Patel der Kongress-Partei an, der Rivalin von Modis hindunationalistischer BJP. Aber Patel war eben kein Sozialist wie der damalige Premier Jawarhalal Nehru, dessen Urenkel Rajiv Gandhi heute als Führer der Kongress-Partei Modi direkt herausfordert.
Mit der Ehrung Patels statt Nehrus schrumpft Modi die Verdienste des letzteren zurecht und pickt sich aus dem histoschen Erbe der Kongress-Partei das heraus, was ihm am meisten zusagt und für ihn ungefährlich ist.
Hohe Kosten und Umsiedlungen
Die gigantische Statue unweit des umstrittenen Narmada-Staudamms hat einen hohen Preis auch jenseits der Baukosten von umgerechnet 358 Millionen Euro. Medienberichten zufolge mussten für den Bau einschließlich des Patel-Museums und breiter Zufahrtsstraßen mehrere tausend Menschen umgesiedelt werden, die meisten von ihnen sind Indigene, die in Indien Adivasi genannt werden.
Am Donnerstag gab es deshalb auch Proteste. 22 Führer von angrenzenden Dörfern hatten Modi vergeblich aufgefordert, wegzubleiben. Der Premier hofft, dass sich die Einheitsstatue künftig zu einem Touristenmagnet entwickelt und im Jahr 2,5 Millionen Besucher anzieht.
Doch dürfte die Statue Patels schon bald übertrumpft werden. In der Nähe von Mumbai (Bombay) wird derzeit ein Denkmal für den hinduistischen Kriegshelden Chhatrapati Shivaji aus dem 17. Jahrhundert gebaut. Es soll 212 Meter hoch werden und ist ein Symbol des Hindunationalismus. Chhatrapati Shivaji führte erfolgreich Krieg gegen das damals vorherrschende muslimischen Mogulreich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch