Asylrechtsverschärfung Maghreb-Staaten: Grüne meiden eine Festlegung
Die von den Grünen mitregierten Länder könnten im Bundesrat eine Verschärfung des Asylrechts verhindern. Doch das Thema ist heikel.
Doch ganz so klar, wie sie tun, ist die Haltung der Grünen dann doch wieder nicht. Denn nach wie vor ist offen, ob sie das Gesetz im Ernstfall im Bundesrat blockieren würden – oder ob sie es passieren ließen. Hessens grüner Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir hat es am Dienstag auf mehrfache Nachfrage vermieden, sich zum Abstimmungsverhalten seiner Landesregierung in der Länderkammer festzulegen.
Der Bundestag habe bisher kein Gesetz beschlossen, sagte Al-Wazir in Berlin. „Schauen wir mal, was er beschließt. Und dann schauen wir wiederum, wie wir damit umgehen.“ Ein Erfolgsrezept der schwarz-grünen Koalition in Hessen sei, dass man dann, wenn eine Situation eintrete, erstmal intern rede. „Aber das können wir erst machen, wenn was auf dem Tisch liegt.“
In der Tat hat sich das Parlament noch nicht abschließend mit dem Gesetz befasst. Doch eigentlich liegen die relevanten Fakten auf dem Tisch. Das Bundeskabinett hat Mitte Juli einen Gesetzentwurf von Innenminister Horst Seehofer (CSU) beschlossen, der das Vorhaben präzise dokumentiert. Al-Wazir müsste sehr genau wissen, was auf ihn zukommt.
Al-Wazirs Wort hat in dieser Frage Gewicht
Der pragmatische Realo steht bei linken Grünen unter Verdacht, bei dem heiklen Thema allzu kompromissbereit zu sein. Er regiert in Hessen mit der CDU, die für die Asylrechtsverschärfung ist – und würde die schwarz-grüne Koalition gerne fortsetzen. Al-Wazirs Wort hat in dieser Frage Gewicht.
Die Grünen regieren in neun Bundesländern mit und können deshalb Gesetze im Bundesrat stoppen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der ebenfalls mit der CDU regiert, würde für die Asylrechtsverschärfung stimmen – und hat das auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Große Koalition bräuchte nur noch die Stimmen eines weiteren von den Grünen mitregierten Landes, um das Gesetz durchzubringen – zum Beispiel die von Hessen.
Grünen-Chef Robert Habeck verwies am Dienstag nach einer Klausurtagung des Parteivorstandes, bei der Al-Wazir zu Gast war, auf Kriterien des Bundesverfassungsgerichts. Jenes habe sehr klar definiert, wann ein Herkunftsstaat als sicher gelten könne. Nach Auffassung „der meisten Grünen auch in den Ländern“ seien die Kriterien für die Maghreb-Staaten „nicht erfüllt“, betonte Habeck.
Al-Wazir räumte ein, dass sich in der Sache nichts verändert habe seit dem letzten Anlauf. „Das ist auch klar.“ Das ist eine Anspielung auf die Situation vor eineinhalb Jahren. Das Gesetz war im März 2017 schon einmal am Widerstand der Grünen im Bundesrat gescheitert. In den Maghreb-Staaten ist Homosexualität strafbar, immer wieder kommt es zu Misshandlungen gegen Schwule und Lesben – auch durch die Polizei.
Die Große Koalition hatte das Gesetz nach der Kölner Silvesternacht 2015/16 aufgelegt, in der es zu sexuellen Übergriffen durch Männer aus Nordafrika kam.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau