Aktivistin über Tag X im Hambacher Forst: „Menschen werden nicht gefährdet“
Die ersten Bäume im Hambacher Forst sind gefällt. Karolina Drzewo vom Bündnis „Ende Gelände“ ruft dazu auf, sich der Räumung entgegenzustellen.
taz: Frau Drzewo, mehrere Anti-Kohle-Gruppen haben am Donnerstag den „Tag X“ ausgerufen. Was bedeutet das?
Karolina Drzewo: Schon in den letzten Wochen gab es immer wieder Maßnahmen von RWE und der Polizei im Hambacher Forst, bei denen viele Proteststrukturen am Boden zerstört worden sind. Am Donnerstag ist nun der erste Baum gefällt worden, und es wurde die erste Plattform eines Baumhauses zerstört. Das haben wir als Tag X definiert, an dem die bundesweite Mobilisierung beginnt.
Was genau ist dabei geplant?
Diverse Gruppen rufen dazu auf, sich ab sofort der Räumung vor Ort entgegenzustellen. Die „Aktion Unterholz“, ein neues Bündnis, das auch von Ende Gelände unterstützt wird, will ab Freitag mit Aktionen zivilen Ungehorsams die weiteren Räumungsarbeiten blockieren. Auch die WaldbesetzerInnen rufen dazu auf, dass mehr Menschen in den Wald kommen und ihre Besetzung unterstützen. Sicher wird es zudem diverse Demonstrationen geben. Am Sonntag findet wieder der traditionelle Waldspaziergang statt. Und für alle, die nicht ins rheinische Revier kommen können, hat Ende Gelände aufgerufen, dezentrale Solidaritätsaktionen in den Städten zu machen.
Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwarten Sie?
Das ist schwer zu sagen. Aber etwa tausend werden sicher in den Wald kommen.
ist Sprecherin des Bündnisses „Ende Gelände“, das in den letzten Jahren mehrere Massenaktionen in Braunkohle-Tagebauen organisiert hat und nun auch die Proteste im Hambacher Forst unterstützt.
Wie lange sollen die Aktionen dauern?
So lange, bis RWE mit den Räumungsarbeiten und der Rodung aufhört.
Ist jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt zum Mobilisieren? Es wurden ja offenbar nur einzelne Bäume gefällt. Den Beginn der eigentlichen Rodung hat RWE gerade auf die zweite Oktoberhälfte verschoben.
Faktisch beginnt die Rodung schon beim Räumen, denn es kann nicht geräumt werden, ohne dass dabei massive Schäden am Wald vorgenommen werden. Und dass der offizielle Rodungstermin verschoben wurde, ist allenfalls eine kleine Atempause. Wir wollen, dass gar nicht gerodet wird. Darum wird es im Oktober weitere Massenmobilisierungen von Ende Gelände geben: zunächst am 6. 10. und dann vom 25. bis 29. 10.
Ist es nicht ein Problem, zu so vielen Aktionen nacheinander zu mobilisieren?
Nein, das ist die notwendige Antwort auf die Eskalationsstrategie von RWE, der Polizei und der Landesregierung. Sie haben sich von den vielen politischen Forderungen, auf die Rodung zu verzichten, nicht beeindrucken lassen. Darum muss der zivilgesellschaftliche Protest jetzt entschlossener denn je auftreten, um den Kohleausstieg durchzusetzen. Wir sind zuversichtlich, dass die diversen Angebote auch wahrgenommen werden.
Ist mit Gewalt zu rechnen?
Von unserer Seite nicht. Die Aktion Unterholz hat einen Aktionskonsens. Der sieht vor, dass die Menschen entschlossen mit ihren Körpern blockieren. Von ihnen geht aber keine Eskalation aus. Es werden keine Menschen gefährdet und keine Infrastruktur zerstört.
Das gilt aber offenbar nicht für alle, die derzeit im Wald aktiv sind. Die Polizei berichtet von Angriffen mit Zwillen und hat viele beschlagnahmte Waffen präsentiert.
Ich kann nur für unsere Aktionen sprechen. Da gilt der Aktionskonsens und an den halten wir uns. Die Vorwürfe der Polizei muss man zudem sehr sorgfältig prüfen, denn da gibt es auch Versuche, den vielfältigen Protest zu kriminalisieren. So wurde ein Großteil der gezeigten Waffen gar nicht jetzt gefunden, sondern vor zwei Jahren schon mal präsentiert.
Laut RWE liegen alle Genehmigungen für die Erweiterung des Tagebaus vor. Können Sie nicht verstehen, dass der Konzern seinen Anspruch auch umsetzen will?
Dass RWE die Klimakrise weiter anheizen und unsere Zukunft zerstören will, um den Profit zu steigern, ist klar. Was ich nicht verstehen kann, ist, dass die politisch Verantwortlichen, die sich zum Klimaschutz verpflichtet haben, weiterhin die Wirtschaftsinteressen des Kohlekonzerns verteidigen. Gerade jetzt, wo in einem demokratischen Prozess um den Kohleausstieg gerungen wird, dürfen durch die Rodung keine unwiderruflichen Fakten geschaffen werden.
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