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#Ausgehetzt-Demonstration in MünchenZehntausende gegen den Rechtsruck

In München gingen am Sonntag Zehntausende gegen eine „Politik der Angst“ auf die Straße. Kritisiert wird der „hemmungslos verachtende Ton“ der CSU.

„Seehofer, Söder, Dobrindt und Co“ wird eine „Politik der Spaltung“ vorgeworfen Foto: Imago/Michael Trammer

München taz | Den Text, der in schwarzen Buchstaben auf dem weißen Laken steht, hat sich Matti Bauer am Morgen beim Frühstück ausgedacht: „Bayern weint wegen euch.“ Der Demonstrant steht nun um 13.30 Uhr auf dem Münchner Goetheplatz in der Isarvorstadt, und der Dauerregen perlt an seinem Trachtenhut hinab.

Bauer ist einer von Tausenden, womöglich Zehntausenden Menschen, die laut Veranstalter an diesem Sonntagnachmittag unter dem Motto #ausgehetzt demonstrieren: „Gemeinsam gegen die Politik der Angst“ lautet das Motto. Die Kundgebung in Teilen der Stadt richtet sich gegen die Flüchtlingspolitik der CSU, aber auch das neue bayerische Polizeigesetz und die Wohnungsknappheit. „Seehofer, Söder, Dobrindt und Co“ wird in dem Aufruf zur Demonstration eine „Politik der Spaltung“ vorgeworfen, ein „massiver Rechtsruck“ sowie „Hass und Ausgrenzung“.

Den „hemmungslos verachtende Ton“ der CSU-Politiker kritisiert bei der Auftaktkundgebung Antonia Veramandi, Leiterin der Münchner Schlau-Schule, wo auf vorbildliche Weise Flüchtlingskinder unterrichtet werden. „Dieser Ton, Herr Söder“, ruft sie ins Mikrofon, „löst Rassismus und Nationalismus aus!“ Die CSU sei „moralisch insolvent“.

Da regnet es nicht nur, es prasselt heftig auf die Demonstranten ein. Die Kundgebung ist ein unüberschaubares Meer von Regenschirmen, jene mit den Längsstreifen der Farben des Regenbogens dominieren, man sieht aber auch ein paar mit bayerischem blau-weißem Rautenmuster.

„Seehilfe statt Seehofer“

Der Regen kriecht durch fast jedes Schuhwerk, setzt sich kalt in den Socken fest, wandert an den Hosenbeinen immer weiter hinauf. Doch niemand scheint sich davon abhalten zu lassen. „Helfen statt hetzen“ steht auf selbst gebastelten Schildern, „CSU abschieben“ und „Seehilfe statt Seehofer“. Am Nachmittag, noch vor der großen Schlusskundgebung auf dem Königsplatz, spricht die Polizei schon von mehr als 20.000 Demonstranten. Nach Veranstalterangaben sind insgesamt rund 50.000 Menschen auf die Straße gegangen. Die Zahlen steigen immer weiter.

Jüngere und ältere Leute sind da, Kinder wurden in Regenzeug gepackt und patschen im Wasser. Parteien wie SPD, Grüne und Linke, die neben 140 anderen Organisationen zu der Kundgebung aufgerufen haben, dominieren das Bild nicht. Von einem Lastwagen wummern Techno-Beats. „No hate, one love“ steht auf einem Transparent.

In einer nächtlichen Eilaktion hat die CSU in weiten Teilen der Stadt Gegenplakate aufgestellt und Lastwagen mit Transparenten organisiert. „Ja zum politischen Anstand“, steht in Weiß-Blau darauf, „Nein zu #ausgehetzt“. Und weiter: „Bayern lässt sich nicht verhetzen.“ Der Demonstrationszug geht daran vorbei, kaum einer nimmt das wahr.

Offenbar findet München Geschmack am Demonstrieren. Im Mai waren schon mehr als 30.000 Menschen zu einer großen Kundgebung gegen das neue bayerische Polizeigesetz gekommen.

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9 Kommentare

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  • Waren sicher alles ehemalige CSU-Wähler.

  • Von diesen Kundgebungen brauchen wir viel mehr und zu viel mehr Themen, die genauso umstritten sind, z.B. Altersarmut, Reichensteuern, höherer Mindestlohn usw.!



    Anders lassen sich unsere abgehobenen Politiker anscheinend nicht mehr erreichen!!!

  • In Bayern werden es imer weniger CSU - Befürworter. Durch die Flüchtlingspolitik, die Frau Merkel angefangen hat, die die bayrische CSU jetzt eliminieren will, wird es zu einem großen Showdown im Oktober in Bayern kommen. Ich denke daß Herr Söderund Herr Dobrindt die Zeche zahlen werden. Die CSU wird bis dahin nämlich erheblich an Stimen verlieren.

  • Schön, dass die Schüler_innen, die im Mai 2017 an der Berufsschule in Nürnberg eine Abschiebung couragiert verhindern wollten, eine solche Art support bekommen.

    Doch Salvini-Seehofer-Visegrad sind längst mit dem Institut für Staatspolitik vereinigt und schmieden ihre faschistischen Pläne.

    • @nzuli sana:

      Und welche Pläne befürworten Sie?

  • Zur Aktionsform:



    Abschiebungen verhindern mit Telefonkette!

  • Spannend für die bayerischen Landtagswahlen am 14.10.2018 wird sein, ob die CSU ihre Wahlklientel an die Urnen bekommt. Aktuell scheint es sich die CSU mit ihrer liberalen Klientel ebenso gründlich verscherzt zu haben wie mit ihrer rechts-konservativen Klientel.

  • Herzlichen Glückwunsch, liebe Bayern! Ihr nehmt den Zynikern die Masken vom Gesicht, friedlich und klar. Meine Hochachtung!

  • „Asyltouristen“ in Deutschland (Afl. 2, erweiterte Variante)

    Wer sind diese „Asyltouristen“?



    Anscheinend keine Masochisten.



    Sie wollen leben und nicht sterben!



    Sie wollen einfach überleben!

    Sie reisen „schwarz“, ohne Fahrkarten



    und fliehen weg wegen verschiedener Ursachen.



    Gehasst, verfolgt, vertrieben und einige ermordet,



    Dem Hunger und dem Tod die meisten ausgeliefert.

    Sie haben Kinder, Eltern, Ehegatten;



    Sie sind Muslime, Christen, Atheisten.



    Wie du und ich sind sie auch Menschen!



    Lass uns gemeinsam ihnen allen helfen!



    Die Menschlichkeit kennt keine Grenzen,



    und Menschenwürde keine Obergrenzen!

    Die CSU soll christlich sein?



    Anscheinend ist das längst vorbei!



    Deutsche Gesellschaft kann das nicht vertreten,



    dann soll Herr Seehofer zurücktreten!

    Nun gehen Bürger auf die Straße,



    Sie wollen Deutschland nicht im Stiche lassen,



    Sie können keine fremden Menschen hassen



    und unser Land nicht rechten Populisten überlassen!

    Bald wird der Hass zu Ende gehen,



    und Grundgesetz für alle immer gelten!