Leihräder in Berlin: Mitte dreht am Leihrad
Bürgermeister von Dassel will Anbieter von Leihrädern zur Kasse bitten. Das Angebot sei inzwischen zu groß. Mobike ist empört.
Die eine sprechen von einer Invasion, andere von einer Schwemme. Überall in der Innenstadt stehen sie herum – Leihfahrräder und Leihmotorroller. Bislang ist das Aufstellen der Vehikel kostenlos. Stephan von Dassel, grüner Bezirksbürgermeister von Mitte, will die kommerziellen Anbieter nun zur Kasse bitten.
„Wir wollen für jedes einzelne Leihrad eine Sondernutzungsgebühr von drei bis zehn Euro im Monat erheben“, kündigte von Dassel am Freitag an. Für Motorroller werde man entsprechend mehr kassieren. Wenn sich keine gemeinsame Lösung mit dem Land Berlin abzeichne, werde der Bezirk Mitte das auch im Alleingang tun, kündigte von Dassel an.
Wie viele Leihräder es in Berlin gibt, kann niemand sagen. Auf Basis der Angaben großer Anbieter wie Lidl-Bike hatte die Senatsumweltverwaltung ihre Anzahl im März auf mindestens 16.000 geschätzt. Weitere Anbieter drängten auf den Markt. Die Firma Mobike – das sind die silbernen Räder mit den orangefarbigen Felgen – nimmt für sich in Anspruch, der größte Leihanbieter in Berlin zu sein. Im April habe man die Flotte mit einem größeren und kleineren Modell hochgefahren, sagte Sprecherin Ines Balkow am Freitag zur taz. Aber: „Konkrete Zahlen können wir aus Wettbewerbsgründen leider nicht herausgeben.“
In einem Leitfaden der Senatsumweltverwaltung heißt es, „das vereinzelte maßvolle Abstellen von bis zu vier Rädern“ stelle keine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Das sehe er nicht ein, sagte Bürgermeister von Dassel. „Jeder, der öffentliches Straßenland kommerziell nutzt, braucht eine Sondernutzungsgenehmigung.“ Das Aufstellen jedes Containers, jeder Werbetafel sei gebührenpflichtig. Viele Menschen empfänden die Leihräder und -roller auf den Bürgersteigen zunehmend als Hindernis. „Unser Straßenraum ist so begrenzt, man kommt kaum noch um sie herum, zumal wenn sie umgefallen sind.“ Selbst in Parks stünden die Gefährte inzwischen herum – was offiziell verboten ist.
Vorstellbar sei, mit den Anbietern eine pauschale Summe zu vereinbaren, sagte von Dassel. Am besten wäre, mit dem Senat und den anderen Bezirken eine gemeinsame Lösung zu finden. „Mir geht es gar nicht um die Einnahmen“, so von Dassel, „wir wollen, dass diese Flut aufhört.“ Bei den anderen Bezirken sei er bislang aber auf taube Ohren gestoßen. Die Leihräder seien für viele Bezirke kein Problem, weil sich die Anbieter auf die City konzentrierten.
Der Anbieter Mobike reagierte empört: Der Vorschlag von Mitte sei eine „regressive und kontraproduktive Maßnahme“, so Sprecherin Ines Balkow. „Wir haben in Berlin mehr als 1,5 Millionen Autos und diskutieren jetzt über ein paar Tausend Fahrräder.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland