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Debatte im AbgeordnetenhausBauen, bauen – bauen?

Im Parlament zoffen sich SPD und Linke vordergründig mit der Opposition, aber eigentlich miteinander über die Wohnungsmisere

Bauen, bauen, bauen – was das bringt, darüber sind sich SPD und Linkspartei uneins Foto: dpa

Nein, tönt der Redner im Abgeordnetenhaus, mehr Neubau sei eben nicht der richtige Weg in Berlin, um zu bezahlbarem Wohnraum zu kommen. Die Opposition liegt für den Linkspartei-Abgeordneten Michail Nelken mit der Forderung nach „Bauen, bauen, bauen“ völlig falsch, denn mehr Wohnungsbau treibe die Mieten in die Höhe. Zehn Minuten später fordert am gleichen Mikro tatsächlich jemand explizit „Bauen, bauen, bauen“ als Weg aus der Wohnungsmisere – aber kein Oppositioneller, sondern die führende SPD-Baupolitikerin Iris Spranger. Eingepackt in viel Kritik vor allem an der CDU vertreten SPD und Linkspartei, Partner in der rot-rot-grünen Koalition, an diesem Donnerstagmorgen völlig konträre Positionen.

Eineinhalb Wochen nach der bislang größten Demonstration gegen steigende Mieten hatte Nelkens Linksfraktion das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ für die zentrale Debatte der Parlamentssitzung durchgesetzt. Nelken verwies auf Statistiken, denen zufolge mehr Wohnungsbau den Preisanstieg eben nicht stoppe. Ein „Beton-Goldrausch“ sei im Gange, der Markt versage und dem müsse man mit staatlicher Regulierung begegnen.

Die SPD-Abgeordnete Spranger hingegen fetzte sich zwar minutenlang mit dem CDU-Abgeordneten Christian Gräff, formulierte aber danach ihre eigentliche Botschaft: Dass „nur der Bau neuer Wohnungen“ langfristig eine ausreichende Wohnraumversorgung sichern könne. Und dass das eben heiße: „Bauen, bauen, bauen“.

Wer das erlebte, konnte sich an die barsche Kritik der SPD-Fraktion an Bausenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) bei der Klausurtagung der Sozialdemokraten im Januar erinnert fühlen, auch wenn Spranger Lompscher nicht beim Namen nannte.

Einigung in Pankow

Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) will das Großprojekt am früheren Rangierbahnhof in Pankow notfalls selbst durchziehen, wenn sich in der dortigen Bezirksverordnetenversammlung keine Mehrheit für den nötigen Bebauungsplan findet. Das sagte Lompscher am Donnerstag auf eine Frage des SPD-Abgeordneten Torsten Schneider, der im Abgeordnetenhaus von empörten Reaktionen im Bezirk sprach.

Tags zuvor hatte es eine Einigung mit dem Investor Kurt Krieger gegeben (die taz berichtete), der das Gelände laut Lompscher bereits 2009 kaufte. Entstehen sollen 2.000 Wohnungen, Geschäfte und ein Möbelmarkt. (sta)

CDU-Mann Gräff forderte zuvor Regierungschef Michael Müller von der SPD auf, sich von der Senatorin zu trennen: „Entlassen Sie Frau Lompscher und machen Sie damit den Neubeginn in der Wohnungspolitik möglich.“ Das hatte Gräffs Parteikollege und Generalsekretär Stefan Evers schon vor drei Monaten Müller erfolglos nahegelegt.

Lompscher selbst ließ die Kritik äußerlich ruhig über sich ergehen und ignorierte die Rauswurf-Forderung der CDU, genauso wie Schmähungen – „Sie reden wirr“ und „Hier spielt nur eine verrückt“ – aus hinteren Oppositionsreihen. „Es wird nicht nur zu wenig gebaut, sondern am tatsächlichen Wohnungsbedarf der Stadt vorbei gebaut“, sagte sie, nämlich Wohnungen mit zu teuren Mieten. Sie sieht die entscheidenden Hebel für eine Änderung der Preisspirale nicht im Abgeordnetenhaus: „Ein soziales Mietrecht auf Bundesebene ist das A und O, um Menschen die Angst vor Verdrängung zu nehmen.“

Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger hatte dazu offenbar nachgerechnet und legte sich fest: „80 Prozent des Mietrechts werden im Bundestag entschieden.“ Die rot-rot-grüne Koalition hat deshalb eine Bundesratsinitiative gestartet, aber aus CDU-Sicht versäumt, Rückendeckung anderer Bundesländer zu auszuloten. In Richtung von Bundesbau- und -heimatminister Horst Seehofer von der CSU forderte sie: „Heimat ist ein Synonym für Zuhause – dann schützen Sie’s doch endlich mal. Aber die Chance darauf ist wohl so groß wie, dass Trump mit dem Twittern aufhört.“

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3 Kommentare

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  • Da haben wir's wieder. Leider reden bei Berlins Wohnungs- und Mietpolitik zu viele Menschen mit, die schon im Grundkurs VWL überfordert wären. Die Mieten sind teuer, weil zu viele Wohnungen mit teuren Mieten gebaut werden? Wer so einen Schwachsinn glaubt, der soll mal in Bautzen oder Frankfurt/Oder eine Luxusvilla mit goldenen Wasserhähnen bauen und dann schauen, was für Mietpreise er dort damit erzielen kann - vermutlich weniger als für eine schimmlige Bruchbude in Friedrichshain. Dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, ist frühester Erstsemesterstoff. Aber was rege ich mich auf. Als Wohnungseigentümerin müsste ich jedes mal feiern, wenn Politiker der Linken Verantwortung für Wohnungsbau übertragen bekommen. Wer glaubt, dass Angebotsausweitung die falsche Antwort auf einen Nachfrageüberhang ist, sorgt dafür, dass der Marktwert meiner Immobilie jährlich weiter schön nach oben klettert.

    • @Claudia M.:

      Erstsemesterstoff ist aber auch, dass Kapitalanleger_innen dort investieren, wie die Rendite hoch ist. Sobald die Mieten durch Ausweitung des Angebots sinken, wird halt woanders investiert, der Wohnungsbau stoppt.

      Die Geschichte der kapitalistischen Großstädte zeigt deshalb auch, dass der Markt nie eine ausreichende Wohnungsversorgung für Menschen mit wenig Geld hervorgebracht hat.

      Das heißt, ihr "Argument" ist reine Geschäftsstrategie, denn Sie profitieren am meisten vom unregulierten Markt.

      Bauen bringt den meisten Bewohner_innen dieser Stadt nur etwas, wenn es mit einer Umverteilung von oben nach unten verbunden ist, sei es durch Erhöhung der Einkommen oder durch Senkung der Mieten.

      Ansonsten führt der teure Neubau zu einer weiteren Vertreibung der jetzigen Bevölkerung, was Immobilieninvestoren ja auch ganz offen proklamieren. Und ihnen ist es ja auch völlig egal, wer ihnen das Geld in die Taschen schaufelt und wer dann wohnungslos ist.

    • @Claudia M.:

      Da haben Sie leider sowas von recht. Die Damen und Herren der LINKEN leben halt noch in ihrer "sozialistischen Denk- und Arbeitsroutine" von vor Nov.1989. Die LINKEN (Lompscher und Holm an der Spitze) versuchen mit Regularien, wie sie in der DDR gang und gebe waren, in einem freien-sozialen Marktwirtschaftssystem hiermit Dinge zu korrigieren. Irrsinning! Wie gestrig und stehen gebleiben muss man sein, um nicht zu erkennen, dass für ein Ausgleich zw. Angebot und Nachfrage, bei einem Überhang der Nachfrage, eben das Angebot entsprechend angepasst werden muss. Wenn dann ein LINKER (Nelken) behauptet, dass bauen, bauen, bauen nichts bringt, dann kann man nur sagen, dass diese Partei "DIE LINKE" völlig deplatziert im berliner Senat ist.