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Prozess um vietnamesische EntführungVon Agenten und ihren Helfern

Am Dienstag beginnt in Berlin der Prozess um die Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh. Im Mittelpunkt steht Vietnams Geheimdienst.

2017 wurde Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh aus Berlin entführt. In Hanoi wurde er im Februar verurteilt Foto: reuters

Berlin taz | Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Dienstag am Berliner Kammergericht der Prozess gegen einen mutmaßlichen Mitentführer des vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh. Hinter der Entführung soll der vietnamesische Geheimdienst stecken. Die Vorwürfe richten sich auch an dessen stellvertretenden Chef Duong Minh Hung, der mit einem Diplomatenpass nach Deutschland gereist sein soll, um von einem Berliner Hotel aus die Entführung zu koordinieren, sowie an weitere Agenten, Diplomaten und Mi­gran­ten.

Der jetzt angeklagte Long N. H., dessen Prozess vom Hauptverfahren gegen bislang nicht greifbare Tatverdächtige abgetrennt wurde, ist dagegen nur ein kleines Licht. Er soll die Fahrzeuge besorgt haben, mit denen das Entführungsopfer ausgespäht und entführt wurde.

Die Ermittler der Bundesanwaltschaft und der Berliner Polizei haben akribisch viele Details der Entführung ermittelt. Darüber ist man in der vietnamesischen Botschaft in Berlin alles andere als erfreut. Eben jenes Botschaftsgebäude war ein wichtiger Tatort im Zuge der Entführung. Hierher wurde der Ex-Politiker verschleppt, nachdem er im Berliner Tiergarten gekidnappt worden war. Von der Botschaft aus wurde sein Transport in einem Krankenwagen zum Flughafen – wohl in Bratislava – und von dort mit einer von Diplomaten gecharterten Sondermaschine nach Hanoi organisiert.

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft waren mehrere Botschaftsangehörige daran beteiligt. Deutsche Medien haben haarklein über die Ermittlungsergebnisse berichtet. Sie berichteten etwa, dass Personenschützer, die einen Monat vor der Entführung mit dem vietnamesischen Premierminister nach Hamburg zum G20-Gipfel gereist waren, in Deutschland geblieben seien, um die Ent­führung vorzubereiten. Und sie berichteten, dass kein Geringerer als Vietnams stellvertretender Geheimdienstchef persönlich die Entführung gemanagt habe.

Medien demaskieren Spione

„Über diese detailgenauen Berichte in deutschen Medien waren die Diplomaten noch mehr entsetzt als über die Ausweisung von zwei Diplomaten durch die Bundesregierung wegen Teilnahme an der Entführung“, sagte ein enger Vertrauter eines Botschaftsangehörigen der taz. „Es ist für Asiaten ein Gesichtsverlust, wenn solche Details öffentlich werden. Als der Name des stellvertretenden Geheimdienstchefs Duong Minh Hung in den Zeitungen stand, hätten die Botschaftsangehörigen entsetzt gefragt, wie die Bundesregierung so etwas dulden könne.“

Was er meint: Sie fragten, wie die Bundesregierung den Zeitungen erlauben konnte, so abwertend über ihren hohen Funktionär zu berichten. Den Diplomaten und auch ihm selbst war offensichtlich nicht klar, dass in Deutschland Presse­freiheit herrscht und dass Zeitungen – anders als in Vietnam – ihre Regierung nicht zu fragen brauchen, ob sie etwas veröffentlichen dürfen. Auch nicht, wenn es der Name eines Spions ist.

„In der Botschaft wurde der Entschluss gefasst, sich bei der Bundesregierung über die Berichte zu beschweren“, sagte der Mann. Vietnams Botschafter habe dies beim Auswärtigen Amt auch getan, das diese Angaben weder bestätigt noch dementiert. Die vietnamesische Botschaft selbst reagiert nicht auf Anfragen der taz. Doch für Duong Minh Hung hatte die Nennung seines Namens Konsequenzen: Seither taucht er in vietnamesischen Presseveröffentlichungen nicht mehr auf.

Normalerweise berichten die staatlich gelenkten vietnamesischen Medien ausführlich über Aktivitäten hoher Staatsfunktionäre wie ihn. Er und seine Chefs werden aber davon ausgehen, dass die deutschen Ermittler ihn mit internationalem Haftbefehl suchen könnten. Auslandsreisen kommen deshalb für ihn nicht mehr in Betracht. Möglicherweise ist auch seine Karriere zu Ende. Öffentlichkeit war schon immer die wirksamste Waffe gegen Geheimdienste.

Kämpfe im illegalen Zigarettenhandel

Wer aber ist nun der angeklagte Long N. H.? Die Spurensuche ist schwierig. Long N. H. ist 47 Jahre alt, vietnamesisch-tschechischer Doppelstaatsangehöriger und lebte bis zu seiner Verhaftung im August 2017 in Prag. Dort betrieb er ein Büro für Geldtransferleistungen. Auf dem Papier zumindest war er der Betreiber dieses Büros. Vietnamesen aus Tschechien, mit denen die taz sprach, wollen jedoch wissen, dass der eigentliche Betreiber sein Onkel Dao Q. D. war. Der Angeklagte soll mehr oder weniger als Strohmann fungiert haben, im Geldtransferbüro, aber wahrscheinlich auch beim Besorgen der Fahrzeuge für die Entführung.

Was den Onkel wiederum angeht, gilt es unter Prags Vietnamesen als offenes Geheimnis, dass er für den vietnamesischen Geheimdienst gearbeitet hat und an der Entführung maßgeblich beteiligt war. Nach Recherchen der taz interessieren sich die Karlsruher Ermittler für den Onkel, der seit der Entführung nach Vietnam zurückgekehrt war. Offiziell bestätigt niemand, dass es einen Haftbefehl gegen den Onkel gibt, aber das Gegenteil wäre ein Wunder.

Vietnamesen aus Prag und Berlin haben sich nach eigenen Angaben an die Polizei gewandt, weil sie wissen wollen, dass das Geldtransferbüro wenige Wochen vor der Entführung eine größere Geldsumme von einem unbekannten Absender bekommen habe. Dem Vernehmen nach mehr als 10 Millio­nen Euro. War das Geld für die Entführung vorgesehen und der Geheimdienst der Absender?

Der Onkel Dao Q. D. hat allerdings auch eine andere schillernde Vergangenheit. In den 1990er Jahren soll er sich in Sachsen aufgehalten und zum Dunstkreis der Xuan-Son-Bande gehört haben. Diese kassierte Schutzgelder im illegalen Zigarettenhandel. Solche mafia­ähnlichen Gruppen lieferten sich damals blutige Kämpfe im illegalen Zigarettenhandel. Es gab zahlreiche Morde. Der Onkel Dao Q. D. wurde wegen eines im Jahre 1996 in Sachsen begangenen Mordes angeklagt. Da ihm die Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden konnte, sprach das Landgericht Leipzig ihn 2001 frei. Sein Anwalt damals: Stephan Bonell.

Bonell ist ein namhafter Strafverteidiger aus Leipzig und vertritt heute Long N. H. Die taz hätte Bonell gern gefragt, wie ein Mann aus Prag, der in Berlin inhaftiert ist, ausgerechnet zu einem Leipziger Strafverteidiger kommt. Hat vielleicht der Onkel von Vietnam aus das Mandat vermittelt? Bonell war für die taz nicht erreichbar.

Weitere Verdächtige?

Neben dem Onkel gibt es einen zweiten Mann, der biografische Spuren in die organisierte Kriminalität der 1990er Jahre im illegalen Zigarettenmafiamilieu hat und der an der Entführung beteiligt sein könnte: Son N. L. aus München. Mitte April haben die Karlsruher Ermittler seine Wohnung durchsucht.

Der Mann, ein Freund des viet­namesischen Botschafters, soll sich öffentlich gerühmt haben, mit dem entführten Trinh Xuan Thanh gemeinsam im Flugzeug nach Hanoi geflogen zu sein. Das haben Landsleute der Polizei gesagt. Seinem Face­book­profil zufolge war er zur fraglichen Zeit tatsächlich in Vietnam. Markus Schmidt von der Bundesanwaltschaft bestätigt den Verdacht nicht. „Es gibt nur eine Festnahme im Entführungsfall, und zu weiteren Ermittlungen äußern wir uns nicht.“

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1 Kommentar

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  • "Und sie berichteten, dass kein Geringerer als Vietnams stellvertretender Geheimdienstchef persönlich die Entführung gemanagt habe."

    Kein Mensch ist geringerer als ein anderer. Dennoch wird hier so formuliert.