Herkunftsgeschichte Museumsexponate: Der Elefant im Raum
Beim Humboldt Forum wollte man alles richtig machen und hohe Maßstäbe setzen. Nun ist dafür kein Geld vorgesehen.
„Das Humboldt Forum setzt Maßstäbe für die Auseinandersetzung mit der auch moralischen und völkerrechtlichen Dimension der eigenen Sammlungsgeschichte.“ Kulturstaatsministerin Monika Grütters legte im November vor zwei Jahren die Messlatte sehr hoch bei der Präsentation der Pläne für das Humboldt Forum durch die Gründungsintendanten. „Ohne eine solche Ehrlichkeit und Transparenz auch der eigenen Geschichte gegenüber verlieren alle Museen, auch dieses, ihre Glaubwürdigkeit. Und wir sollten das Werden des Humboldt Forums zum Anlass nehmen, die Herkunftsgeschichte auch aus kolonialen Kontexten genau so ernsthaft und systematisch zu erforschen wie wir das mit naziverfolgungsbedingt entzogener Kunst tun.“
Die Auseinandersetzung mit der „völkerrechtlichen Dimension der eigenen Sammlungsgeschichte“ führt allerdings nicht weit. Die „Haager Landskriegsordnung“, die erstmals das Plündern gegnerischer Kulturgüter verbot, wurde 1899 verabschiedet, galt jedoch nur unter „zivilisierten“ Nationen, und zu denen wurden afrikanische Gesellschaften damals nicht gezählt.
Das Übereinkommen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern, von der Unesco 1970 beschlossen, ratifizierte die Bundesrepublik Deutschland erst 37 Jahre später – 2007, als 115. Staat.
Und weil die Antikenhändler um ihre Geschäfte fürchteten, verabschiedete der Bundestag noch im selben Jahr das sogenannte Kulturgüterrückgabegesetz, wonach nur solche Objekte für eine Restitution überhaupt in Frage kamen, die in zuvor erstellten offiziellen Listen der Herkunftsstaaten verzeichnet waren.
Deutschland als Drehscheibe des illegalen Handels
Die absehbare Folge: Das neue Gesetz führte bis 2013 „in keinem einzigen Fall zur Rückgabe von Kulturgut“, wie ein Bericht der Bundesregierung aus dem gleichen Jahr besagte. Erst 2016, da machte Deutschland weltweit als Drehscheibe des illegalen Handels mit archäologischen Schätzen vor allem aus dem kriegsgebeutelten Nahen Osten von sich reden, wurden diese Bestimmungen geändert.
Die Ankündigung aber, man wolle beim Humboldt Forum auch moralische Maßstäbe setzen, klingt angesichts der bisherigen Bemühungen gewagt. Für den Bau von Schloss und Humboldt Forum sind knapp 600 Millionen Euro sowie ein laufender Etat von jährlich mindestens 60 Millionen veranschlagt, für Provenienzforschung dagegen kein einziger Cent.
Obwohl von Beginn an klar war, dass ein erheblicher Teil der ethnologischen Bestände aus Gewaltkontexten stammt, blieb die Erforschung ihrer Herkunftsgeschichte den einzelnen Kuratorinnen und Kuratoren vorbehalten, die dafür jedoch weder die Zeit noch den entsprechenden Etat haben.
Auf den Einwurf, dass man es damit offenbar nicht eilig habe, entgegnete eine Kuratorin der Dahlemer Museen noch Ende 2016 schnippisch, dass man schließlich zu nichts verpflichtet sei und das Geld für die entsprechende Forschung entweder komme – oder eben nicht.
Kulturelles Erbe Afrikas soll nicht nur in Europa sichtbar sein
Die Klärung und Offenlegung der Provenienzen wurde von den Beteiligten nie als essenzielle Voraussetzung des Projekts Humboldt Forum betrachtet. Erst aufgrund des wachsenden öffentlichen Drucks ließ sich Ende 2017 die Deutsche Forschungsgemeinschaft dazu bewegen, die Erwerbsakten des Berliner Völkerkundemuseums bis 1947 zu digitalisieren und dann auch öffentlich zu machen. Das ist ein großer Schritt.
Doch der Druck lässt nicht nach: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte im November 2017 überraschend, dass es nicht sein könne, dass das kulturelle Erbe Afrikas nur in Europa zu sehen sei. Damit brach erstmals ein wichtiger politischer Repräsentant des Westens aus der fest geschlossenen Front all der Kulturpolitiker und Museumsleiter aus, die Restitutionen rundweg ablehnen.
Zwar ist die Provenienzforschung Voraussetzung für alles Weitere, es fällt aber auf, dass nie gesagt wird, was aus dieser Forschung logischerweise folgen müsste: Objekte, die illegal angeeignet wurden, auch zurückzugeben, sofern es die Herkunftsgesellschaften so wollen. Dafür müsste man sich vom Anspruch verabschieden, nur die Universalmuseen westlicher Demokratien könnten das kulturelle Erbe der Menschheit angemessen zeigen und bewahren.
Davon ist man weit entfernt. Stattdessen heißt es vage, man werde sich dann mit den Herkunftsgesellschaften zusammensetzen. Worum aber soll es in solchen Gesprächskreisen gehen, wenn nicht um Rückgabe? Der Begriff des „Shared Heritage“ ist kaum mehr als ein Marketingtrick, solange die Besitzansprüche an den Objekten nicht aufgegeben werden.
Selbstverpflichtung, NS-Raubkunst zu identifizieren
Die Washingtoner Erklärung von 1998 sieht vor, dass sich die öffentlichen Institutionen von sich aus darum bemühen, mögliche NS-Raubkunst in ihren Beständen zu identifizieren und den rechtmäßigen Erben zurückzugeben.
Wollte man, wie Monika Grütters ankündigte, ernsthaft im Sinne dieser moralischen Verpflichtung handeln, hätte man zum Beispiel all jene Objekte aus der Königsstadt Benin längst zurückgeben können, deren Herkunft aus dem kolonialen Feldzug der Briten 1897 anhand der Erwerbsakten Felix von Luschans zweifellos belegt ist.
Bisher aber wurde nicht ein einziges Objekt restituiert. So trifft auch auf die koloniale Raubkunst zu, was Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses im Zusammenhang mit der NS-Raubkunst moniert: „Es ist so einfach, zu versprechen, das Richtige zu tun. Aber können wir endlich mehr Resultate sehen?“
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