Kommentar Zustand der Bundeswehr: Die wahren Mängel liegen woanders
Der Wehrbeauftragte bemängelt die Ausrüstung der Bundeswehr. Dabei lässt er etwas Wichtiges unbeachtet: den Umgang in der Truppe.
B ei der Vorstellung seines Jahresberichts hat der Wehrbeauftragte des Bundestags am Mittwoch die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr in den Vordergrund gestellt. Kaputte U-Boote und fehlende Schutzwesten dominieren entsprechend die Berichterstattung. Ein zweites großes Problemfeld, dem sich der Bericht widmet, bleibt dagegen im Schatten: Schikanen gegenüber Untergebenen, Schindereien in der Ausbildung und menschenverachtende Sprüche.
Dutzende solcher Fälle lagen im vergangenen Jahr auf dem Schreibtisch des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD). Wir können von ihnen nicht auf jeden einzelnen Soldaten schließen. In einer Armee, die dem Grundgesetz verpflichtet ist und deren Angehörige Zugang zu Waffen und Munition haben, ist aber jeder dieser Fälle einer zu viel.
Umso erfreulicher, dass die Sensibilität innerhalb der Bundeswehr gestiegen ist: Bartels zufolge haben Soldaten unter anderem im Bereich „extremistische Gesinnung vermehrt Verdachtsfälle gemeldet“. Er führt das auf die öffentliche Debatte zurück, die Fälle wie der des rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. ausgelöst haben.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Truppe damals für den Umgang mit solchen Fällen kritisiert. Vermutlich trauten sich Soldaten im vergangenen Jahr nur deshalb so häufig, Fälle von Belästigung, Rechtsextremismus und Schindereien zu melden, weil die Ministerin selbst die Missstände zuvor offensiv thematisiert hatte.
Schikanen und Diskriminierung
Fatalerweise wurde sie für ihren Kurs aber aus Bundeswehr und Politik heftig angegangen. Seit dem Sommer ist sie deshalb auffallend still. Den Fall eines Rekruten aus Munster zum Beispiel, der nach einem Übungsmarsch an einem Hitzeschlag starb, kommentierte die Verteidigungsministerin nur noch sehr zurückhaltend.
Der Wehrbeauftragte lobt die neue Zurückhaltung als „erkennbares Interesse und Bemühen in der politischen Leitung, an der Vertrauensbasis in der Truppe zu arbeiten“. Dahinter verbirgt sich aber ein schwieriges Rollenverständnis: Zur Truppe gehören auch diejenigen Soldaten, die von Schikanen und Diskriminierung betroffen sind. Etliche von ihnen haben sich im vergangenen Jahr an Vorgesetzte und an den Wehrbeauftragten gewandt, weil sie ein Interesse daran haben, dass entsprechende Vorfälle abgestellt werden.
Auch sie müssen der Verteidigungsministerin vertrauen können. Dazu muss sie aber auch in Zukunft wieder klar benennen, was in der Bundeswehr geht und was nicht – auch auf die Gefahr hin, dass sie aus der Armee selbst, aus dem Bundestag und vom sozialdemokratischen Wehrbeauftragten Gegenwind bekommt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!