„Bild“-Hetze gegen ARD und ZDF: Solidarität mit dem Kika!
Es geht um einen Kika-Beitrag zum Thema Brüste. Springer macht daraus eine plumpe Anti-ARD-ZDF-Kampagne. Scheinheiliger geht's nicht.
E igentlich ist es ganz einfach: Wenn sich Bild und deren Schwesterblatt B.Z. zu Hütern von Sitte und Moral aufschwingen, sollte man es einfach an sich vorbeiziehen lassen. Tief ein- und ausatmen. Gar nicht drauf eingehen. Die Bigotterie erkennt doch eh jede/r. Aber das ist gar nicht so einfach, weil es diverse Medien gibt, die ganz im Springer’schen Sinne auf den Empörungszug aufspringen und die Bild und ihren Chefredakteur Julian Reichelt als Medienkritiker tatsächlich ernst nehmen. So, als hätten er und sein Blatt irgendwelche hehren Motive.
Jüngstes Beispiel: der Feldzug des Boulevardblatts gegen den Kinderkanal Kika von ARD und ZDF. Da haben die Bild-Füchse doch tatsächlich ein Video auf kika.de gefunden, in dem drei Teenager (womöglich mit Migrationshintergrund!) an einer Schaufensterpuppe üben, wie man einen BH öffnet. Und dann auch noch ein Busenmemory auf der Seite! „Was ist nur beim Kinderkanal los?“, fragt die Bild gewohnt scheinheilig besorgt.
Liebe KollegInnen, danke für eure Mühen und eure tiefe Sorge um die sittliche Erziehung unserer (und auch meiner) Kinder. Aber wie vereinbart ihr eure Empörung eigentlich mit Zeilen wie dieser: „Doch bei diesen heißen Kurven kommen bestimmt nicht nur die schweren Jungs ins Schwitzen …“? Zur Erklärung: Dieser Satz beendete einen Artikel über Natasha, genannt Sasha, Obama, die gemeinsam mit ihren Bodyguards irgendwo umherspazierte. Sasha Obama war, als der Text und das Foto erschienen, 15 Jahre alt. Fünfzehn.
Liebe KollegInnen, ich habe einen schlimmen, schlimmen Verdacht: Kann es sein, dass es euch gar nicht um das Wohlergehen unserer lieben kleinen Kinder geht, sondern nur darum, gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schießen? Dass euch dafür sogar ein Weiterdreh der Geschichte mit dem Titel „Kinderschänder schauen im Knast KIKA“ recht ist?
Als sei das in irgendeiner Weise relevant, oder – sollte die Geschichte stimmen – als könnte der Kika irgendwas dafür.
Ja, auch der Kika kann mit seinen Beiträgen mal danebenliegen, und es darf auch gern über die Inhalte im Kinderfernsehen gestritten werden, aber nicht so plump und durchsichtig als Teil einer Anti-ARD-ZDF-Kampagne. Denn da bleibt einem als (wenig) besorgter Vater mit Blick auf die sonstigen Medienangebote für Kinder eigentlich nur eines übrig: Solidarität mit dem Kika!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland