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Humanitäre Krise im KongoDas große Sterben nach der Flucht

Die humanitäre Krise in der Demokratischen Republik Kongo gerät außer Kontrolle, warnt die UNO. Mit einer Verbesserung rechnet kaum einer.

Ein Flüchtlingsdorf im Kongo Ende November – Millionen Menschen sind geflüchtet Foto: Christian Jepsen/Norwegian Refugee Council NRC/dpa

Berlin taz | Der Lagebericht von Dr. Bruno Kapinga gegenüber dem UN-Kinderhilfswerk Unicef ist einfach und vernichtend. „Vergangenes Jahr konnten die Leute ihre Ernten nicht einholen. Also gab es nicht viel zu essen. Die Bevölkerung hat nichts, was sie auf dem Markt verkaufen kann. Die Leute haben kein Geld.“ Und ohne Geld gibt es nichts zu essen und auch sonst nichts.

Bruno Kapinga ist Chefarzt von Tshikaji, ein Bezirk von Kananga, der zwei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt der Provinz Kasai-Central. In Kasai brach im Sommer 2016 ein Konflikt zwischen oppositionsnahen Milizen und der Regierung aus, der sich rasch zu Massakern ausweitete. Millionen von Menschen waren monatelang auf der Flucht.

Jetzt herrscht das nackte Elend. 3,2 Millionen Menschen in Kasai haben nichts zu essen, warnte das UN-Welternährungsprogramm WFP vergangene Woche. Am Dienstag schlug Unicef Alarm: Über 750.000 Kinder in Kasai seien akut unterernährt, „mindestens 400.000 Kinder im Alter von unter fünf Jahren in Kasai leiden an schwerer akuter Unterernährung und könnten 2018 sterben.“

Der Krieg in Kasai ist weitgehend abgeflaut. Aber das Ausmaß der Krise offenbare sich jetzt erst: Hunderttausende Menschen haben sich monatelang ohne jede Versorgung in den Wäldern versteckt. Sie kommen jetzt zurück in die Städte, wo es nichts für sie gibt, oder in ihre Dörfer, wo die Hütten niedergebrannt sind. Die Rückkehrer sind mittellos, krank und ausgezehrt – und schwer traumatisiert, weil sie viele Tote haben zurücklassen müssen.

4,1 Millionen Binnenvertriebene

Kasai ist kein Einzelfall. Insgesamt zählt Kongo mittlerweile 4,1 Millionen Binnenvertriebene. Jeden Tag kommen durchschnittlich 6.000 dazu. 20 der 26 Provinzen Kongos gelten als von Gewalt und Vertreibung betroffen.

Hilfswerke befinden sich im Wettlauf gegen die Zeit. Das UN-Welternährungsprogramm WFP versorgte im September in Kasai 42.000 Menschen, im November 225.000 – aber auch damit bleiben 92 Prozent der Bedürftigen unversorgt. Weite Gebiete sind für Helfer gar nicht zugänglich.

Schon jetzt verhungern nach UN-Berechnungen jeden Tag 440 kongolesische Kinder

Die Zahl der Menschen, die im Kongo Nothilfe brauchen, dürfte kommendes Jahr von 7,7 Millionen auf über 13 Millionen steigen, warnen jetzt UN-Hilfswerke. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) warnt vor der größten Notlage weltweit im kommenden Jahr. Schon jetzt verhungern nach UN-Berechnungen jeden Tag 440 kongolesische Kinder. Das riesige Land, gesegnet mit fruchtbaren Böden, zählt 1 Prozent der Weltbevölkerung, aber 12 Prozent aller Hungernden der Welt.

Eine Besserung der Ernährungslage in Kasai ist laut UNO vor Juni 2018 nicht in Sicht. Und mit einer Verbesserung der politischen Situation rechnet niemand.

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1 Kommentar

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  • Alles in Ordnung. Wenn die Leute Geld haben, werden sie sich wieder etwas kaufen können. Kongo hat Hunger, wir haben Trump. Merkel schaut zu, Sozialdemokraten packen vor Weihnachten ihre Wunschzettel aus. Sie wissen, im Kapitalismus müssen wir Zeichen setzen. Wie gesagt, alles in Ordnung.