Holocaust-Mahnmal vor Höckes Haustür: Tumulte in Bornhagen
Viele Menschen sind sauer, weil es neben Höckes Haus jetzt ein Holocaust-Mahnmal gibt. Die Polizei ermittelt – unter anderem wegen einer Mülltonne.
Früh am Mittwochmorgen hatte das Kollektiv im thüringischen Bornhagen ein Stelenfeld enthüllt, nachempfunden dem Holocaustmahnmal in Berlin. Der Ort war dabei bedacht gewählt – das Mahnmal erhebt sich Zaun an Zaun mit dem Wohnhaus des AfD-Politikers Björn Höcke. Dieser hatte das Original Anfang des Jahres als „Mahnmal der Schande“ bezeichnet.
Zudem habe man Höcke zehn Monate lang durch einen „Zivilgesellschaftlichen Verfassungsschutz“ beobachten lassen, erklärte das ZPS. Wenn Höcke jedoch mit einem Kniefall vor einem der Denkmäler Buße tue, werde man auf die Veröffentlichung der nach eigenen Angaben umfangreichen Dossiers verzichten.
Höckes Fans wollten diese Schmach offenbar keineswegs hinnehmen. Noch am Mittwoch kam es zu Tumulten auf dem Gelände der benachbarten Grundstücke. Laut Polizeiangaben seien 20 bis 25 Personen aus der Umgebung aufgetaucht, es habe Schubsereien gegeben. Personalien seien aber keine aufgenommen worden, dazu habe man keinen Anlass gesehen. Das Zentrum für Politische Schönheit wiederum kritisiert, die Polizei habe den „Mob gewähren“ lassen und sich geweigert, das Denkmal zu schützen.
Mann droht mit Knüppel und Schlinge
„Der Auflauf beschimpfte und bedrängte Journalisten wie Künstler“, erklären die Künstler*innen. Laut Spiegel Online rief ein Mann den Journalist*innen hinterher: „Ich muss jetzt mal ‚nen Knüppel herholen. Früher hätt‘ ich euch mit der Schlinge weggefangen!“. Die Polizei Nordhausen bestätigte auf taz-Anfrage, dass man nun rund um die Uhr Beamt*innen vor Ort habe, „um die öffentliche Ordnung zu garantieren.“ Dies betreffe sowohl den Schutz von Höckes Grundstück als auch den seiner Nachbar*innen vor „aufgebrachten Anwohnern“.
Auch im Netz machten die rechten Trolle ihre Arbeit: Der Youtube-Kanal des ZPS wurde am Mittwochnachmittag zwischenzeitlich gesperrt – wegen angeblicher „schwerwiegender Verstöße“ gegen die Richtlinien der Plattform. Offenbar war der Account zigfach gemeldet worden war. Nach etwa eineinhalb Stunden war er dann aber wieder aufrufbar. Dem Blog netzpolitik.org gegenüber erklärte ein Sprecher von Google, bei „400 Stunden Videomaterial, das pro Minute auf YouTube hochgeladen wird, treffen wir manchmal die falsche Entscheidung. Sobald wir informiert werden, dass wir ein Video oder einen Kanal fälschlicherweise gesperrt haben, handeln wir schnell und schalten diesen wieder frei.“
Er habe Strafanzeige gegen das Zentrum für Politische Schönheit erstattet, erklärte der AfD-Rechtsaußen und Dresdner Bundestagsabgeordnete Jens Maier. Die Beobachtung sei stelle einen „absolut unvertretbaren Eingriff in das Privatleben“ Höckes und seiner Familie dar. Auf Facebook erklärt er: „Die geistigen Erben der Stasi und der Gestapo schrecken vor nichts mehr zurück!“ So hätte das ZPS etwa die Kinder Höckes fotografiert.
„Diese Behauptung ist frei erfunden“, erklärt das ZPS. „Die Kinder sind nicht Bestandteil der Kunstaktion.“ Höcke schiebe Frau und Kinder vor, „statt endlich selbst Verantwortung zu bekennen.“ Man habe Maier eine strafbewährte Unterlassungserklärung zugestellt. „Maier darf nicht länger behaupten, dass das ZPS Höckes Kinder fotografiert habe“, heißt es in einer Pressemitteilung des Kollektivs. Ob Maier die Erklärung unterschrieben hat, ist aber bisher unbekannt.
85.000 Euro Spenden eingegangen
Auch Thüringens Landtagspräsident Christian Carius fordert ein Ende der mutmaßlichen Beobachtung des AfD-Politikers. Er habe Innenminister Georg Maier (SPD) in einem Telefonat aufgefordert, dagegen einzuschreiten, sagte Carius am Donnerstag. Zudem müsse Maier Ermittlungen gegen die Macher*innen der Kunstaktion einleiten. Der Politiker forderte „mehr Solidarität“ mit Höcke von den anderen Landtagsabgeordneten, auch wenn er dessen politische Positionen nicht teile.
Anders hingegen sehen das die Unterstüzer*innen des Projekts. Bis Donnerstagnachmittag waren 85.828 Euro an Spenden für das Denkmal zusammengekommen – das damit für mindestens fünf Jahre finanziert ist, wie das ZPS erklärt.
Die Polizei ermittelt derweil von sich aus gegen das Zentrum für Politische Schönheit. Die Ankündigung, nur mit einem Kniefall könne Höcke die Veröffentlichung von Informationen über ihn abwenden, erfülle den Anfangstatverdacht der Nötigung, sagte eine Sprecherin der Polizei der taz. Desweiteren ermittle man wegen Sachbeschädigung: Während des Tumults – bei dem die Polizei keinerlei Personalien aufgenommen hatte – sei eine Kamera der Aktivist*innen beschädigt worden. Und in noch einem Fall ermittle man: So sei bereits vor einigen Tagen eine Mülltonne vom Grundstück Höckes gestohlen worden.
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