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Daniel Cohn-Bendit über die Wahl„Fatale Koalition wäre Schwarz-Gelb“

Worum geht's bei dieser Wahl? Was bedeutet sie für Europa? Und was lernen von Frankreich und dem Front National? Drei Fragen an Daniel Cohn-Bendit.

„Die Zukunft Europas wird sich in den nächsten vier Jahren entscheiden“, sagt Daniel Cohn-Bendit Foto: dpa
Jan Feddersen
Interview von Jan Feddersen

taz: Herr Cohn-Bendit, worum geht's wirklich bei dieser Wahl?

Daniel Cohn-Bendit: Darum, in welcher Konstellation die Regierung in Berlin die europäische Herausforderung meistern will. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat eine klare Ansage gemacht. So kann es nicht weitergehen mit Europa. Er will eine Eurozonen-Finanzminister, er will Eurozonen-Investionsfonds aus frischem Geld und er will die Basis der Unternehmensbesteuerung konvergieren lassen.

Und das heißt im Hinblick auf die Wahl am Sonntag?

Die fatalste Koalition, die herauskommen könnte, wäre Schwarzgelb, denn die FDP schwimmt fast, was Europa anbetrifft, auf AfD-Kurs und stützt die deutsche Hegemonievorstellung eines Wolfgang Schäubles. Deswegen muss jede Koalitionsüberlegung von dieser Tatsache ausgehen. Europa kann nicht vier Jahre warten, bis SPD und Grüne oder wer auch immer sich erneuert haben. Die Zukunft Europas wird sich in den nächsten vier Jahren entscheiden.

Jamaika?

Diese Konstellation würde für die Grünen eine Zerreißprobe bedeuten, aber die Grünen müssten sich in einer solchen Koalition als europäische Zukunftspartei erweisen und im Grunde genommen ein Bündnis mit Angela Merkel gegen die Strömung von Schäuble, Seehofer und Lindner.

Im Interview: Daniel Cohn-Bendit

73, war Politiker und ist jetzt proeuropäischer Aktivist.

Du als Franzose hast mit dem Front National Erfahrungen gesammelt. Wie sollte man mit der AfD umgehen?

Die AfD wird in den Bundestag einziehen, sie ist nicht zu verhindern. Aber wenn die nächste Bundesregierung, in welcher Koalition auch immer, das kann auch eine GroKo sein, wenn diese Erfolg hat, dann wird die AfD ohne Perspektive sein. Eines müssen sich in Deutschland alle klarmachen, die Merkels, Schäuble, Göring-Eckardts, Özdemirs und wen auch immer, klarmachen. Alle waren erleichtert, als Emmanuel Macron gewählt wurde und nicht Marine Le Pen. Wenn Macron an der europäischen Front scheitern sollte, dann würde diese Freude von kurzer Dauer.

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16 Kommentare

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  • Die "Hegemonievorstellung" Schäubles lieber Daniel, sind doch nur möglich, da sich Spanien und Italien praktisch von der europäischen Bühne verabschiedet haben, wirtschaftlich am Boden, praktisch pleite, innenpolitisch total zerrissen und praktische alle paar Monate ein politischer Skandal. Frankreich spielt eine wesentlich kleinere Rolle, da man ebenfalls mit wirtschaftlichen Problemen kämpft und eigentlich auch unter Macron mit der Innenpolitik ausgelastet ist. GB ist aus der EU ausgetreten, damit bleibt eben von den großen 5 Staaten nur DE übrig. Wer bei uns regiert, lassen wir mal AfD und Linke außen vor, wird praktisch die gleiche Europapolitik betreiben und für Europa, ist daher nicht wirklich entscheidend, wer bei uns regiert, sondern das zumindest Frankreich wieder als starker Part in Europa auftritt.

  • CDU-SPD-Grüne wäre übrigens auch möglich, ohne CSU. Aber dafür ist Merkel zu feige.

     

    Bei der Wahlarena ist mir aufgefallen, dass "Schulden abbauen" so tief im deutschen Hirn verankert ist, dass mit großer Sicherheit Europa weiter von Berlin aus kaputtgespart wird.

    Schulz hat mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer "Risikokapitalkultur" (z.B. Banken, die wirtschaftliche Prozesse tatsächlich unterstützen und nicht ständig den Daumen senken) dagegen gehalten: Welcher deutsche Journalist hat das überhaupt bemerkt? (die Taz hat am nächsten Tag einen zeitlich vollkommen deplazierten Aufmacher zur race&gender-Debatte gebracht)

    Die Leute, übrigens auch manche Betriebswirtschaftler, können zwischen dem eigenen, oft verantwortungsvollen Finanzverhalten und den Regeln für die Finanzierung von globalen Wirtschaftsströmen nicht unterscheiden: Sie haben darin keine Erfahrung, siehe das Miesmachen der genialen Strategien von Draghi oder Yellen, die glücklicherweise von den erzkonservativen Weidmann (Bundesbank) und Schäuble nicht überstimmt werden konnten.

    Wer Europas Bedeutung versteht ist, muss also SPD oder Grün wählen, wobei eine starke SPD eher etwas durchsetzen wird als 6% Grüne bei Jamaika. Wenn wir von unseren persönlichen Vorlieben mal absehen.

    • @Ataraxia:

      Warum sollte die CDU das tun? Sie selbst dürfte in Bayern nicht alzu viele Stimmen gegen die CSU holen, eine dann deutlich konservativere CSU könnte allerdings der CDU im restlichen Bundesgebiet gefährlich werden.

  • "Alle waren erleichtert, als Emmanuel Macron..."

    Nee, eben nicht alle z.B. Die Le Pen- Wähler. Auch die AfD- Wähler werden einem in den nächsten 4 Jahren solideren Europakurs nicht unbedingt für gut heißen. Wenn dahingehend signifikante Erfolge zu verzeichnen wären, so braucht es sehr viel länger als die 4 Jahre. Ich glaube nicht, dass die AfD und auch der Front National nur kurzweilige, vorübergehende Phänomene sind.

    Das Schwierige an den Rechtspopulisten ist, dass diese selbst kleine Probleme groß aussehen lassen werden, dass sie Zukunftsszenarien entwickeln werden, die selbst greifbare Erfolge zu marginalisieren imstande sind. D. Cohn- Bendit erscheint mir da zu optimistisch.

  • Also ich glaube, dass Jamaika für die Grünen genau das wäre, was die Agenda 2010 und Riester für die SPD kombiniert gewesen sind, danach wären die Grünen wohl unter 5 Prozent - und wofür eigentlich? Sollten sie das wirklich machen, wäre ihr Abstieg besiegelt und sie würden CDU und FDP wirklich die Waffe in die Hand drücken und sagen, nur zu, uns ist das ab jetzt egal. Die SPD hat ihren Risikokurs ja von weit über 30 Prozent gestartet, bei den Grünen riecht es nach 7 oder max. 9 Prozent - wenn das halbiert wird, ist es mit dem Bundestag vorbei, wird die Partei nicht mehr in vielen Landtagen vertreten sein und auch in BaWü ihren Realo-Trumpf verlieren. Die Grünen sind jetzt schon 'regierungsnah' und es hat ihnen sehr geschadet, geht das so weiter, wird's noch schlimmer.

     

    Wenn eine alternative Partei keine Alternative mehr ist, was ist sie dann?

    • @Andreas_2020:

      Dann ist sie eine Regierungspartei die einige Ihrer Ziele verwirlichen kann.

       

      Dann ist es eine Partei die Ihrer Aufgabe gerecht wird und kein Kanzlerwahlverein der regieren will, weils so schön Spass macht.

  • In Frankreich ging es in die neue EUROPA-RUNDE mit Emmanuel Macron. Daniel, Du hast die Kurve bewältigt. Seit 1968 mit dem Tanz auf dem Vulkan. Der ist mit Trump und Recep Tayyip Erdoğan wieder ausgebrochen zusammen mit faschistischem Flammen-Terror in Europa.

    Alles "Löschen" heisst die Devise. Der rechte Spuk muss auch durch die GRÜNEN ausge-B L I T Z T werden.

  • " Selbst Exsponti Daniel Cohn-Bendit will seine berüchtigten Äußerungen über das „wahnsinnig erotische Spiel“ mit fünfjährigen Mädchen heute gerne als „Provokation“ verstanden wissen. ", (taz); - und das reicht zur Rehabilitaion. Wobei ja nicht geurteilt wurde.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Europa kann nicht vier Jahre warten, bis SPD und Grüne oder wer auch immer sich erneuert haben."

     

    Lieber Herr Cohn-Bendit,

    Sie haben ja recht, aber mit der Erneuerung müssen wir wahrscheinlich 8, 12, oder mehr Jahre warten müssen. Sie liegt derzeit im tiefsten Dornröschenschlaf...

    • @571 (Profil gelöscht):

      Sehe ich genauso. Außerdem wäre eine GroKo auch verheerend. Denn spätestens nach 4 Jahren wäre von der SPD nichts mehr übrig...

  • Da hat das Lektorat geschlafen.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @smallestmountain:

      Wenn es bei der TAZ eins gäbe, läge es seit etlichen Jahren im Dornröschenschlaf.

  • Ein Eurozonen-Finanzminister und ein Eurozonen-Parlament kann nicht funktioneren, da dieser ein viel zu großes Gewicht neben den EU Institutionen hätte und der Finanzminister mitunter wichtiger wäre als der EU Präsident. Schon jetzt hat der Euro-Gruppenchef ein gewaltiges Gewicht.

     

    Erst wenn alle EU Mitgliedsstaaten den Euro eingeführt haben, ließe sich ein EU-Finanzminister ordentlich einführen. Aufgrund der Griechenlandkrise und der Umgehung der No-Bail-Out-Klausel ist die Skepsis der anderen Länder (zurecht) so groß, dass zweifelhaft ist, ob die anderen Länder jemals mitmachen werden. Dänemark hat da die beste Lösung gefunden.

     

    Im Ergbenis kommt es also zumindest diesbezüglich nicht darauf an, welche Partei bzw. Koalition die zukünftige Regierung stellen wird, da die Einführung eines Euro-Finanzministers in der kommenden Wahlperiode nicht gelingen kann.

  • Genau - mir ist auch aufgefallen, dass "Europa" im Wahlkampf kaum vorkommt. Daniel Cohn-Bendit wie Macron (EUROPA ist kein Supermarkt) haben absolut recht. Selbst Nobelpreisträger für Wirtschaft Joseph Stiglitz hat auf 500 Seiten beschrieben: EUROPA spart sich kaputt - Warum die Krisenpolitik gescheitert ist und der EURO einen Neustart braucht.

    Das schlimmste ist die deutsche Hegemonievorstellung eines Wolfgang Schäubles. Dabei durfte Deutschland nur unter den Bedingungen der Aussöhnung mit Frankreich und des Einbindens in ein "Vereinigtes Europa" zu Stande kommen. Alles unter Aufsicht der USA und der Sowjetunion! Dieses Vermächtnis Kohls wurde am Dom zu Speyer kürzlich begraben. Sein Mädchen, Angela Merkel hat dies durch "Marktkonforme Demokratie" und INSM Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und Umsetzen ihrer FDJ Ausbildung für "Agitation und Propaganda" genutzt. "Deutschland" geht es gut, wir sind Exportweltmeister usw. Das wird bös enden?

    Peter Lenk hat dies ähnlich wie Eure alte Fassade, in Radolfzell auch groß und sichtbar an eine Hauswand montiert.

    Kampf um Europa, Retter, Zocker Waffenschieber, Geldverleiher etc. nuckeln, saugen und schmatzen an Europas Brüsten im Zeichen des Neoliberalismus. Alternativlos.

    Europas Staaten werden gemolken von einer technokratischen Elite. Und Wolfgang Schäuble, auf dem Kopf der Europa!

    Dabei verdanken wir Griechenland u.a. die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Platon) und die Demokratie (Aristoteles) als "die beste Staatsform, wenn es nach dem Gesetze zugeht".

    Aktuell: Ein Nachruf auf den Verbrennungsmotor, der mir wie ein trojanisches Pferd (Homer Illias) vorkommt, nur dieses Mal ist es für Deutschland selbstgemacht. Beginnt nach der Wahl die Odyssee?

    Kann Yanis Varoufakis für die Demokratisierung Europas über DiEM25 zur Heimreise (Rettung) beitragen? Ich hoffe es.

  • Der flüchtlingsfeindliche Kurs, den die FDP in letzter Zeit fährt, dient hoffentlich nur dazu, der Afd Wähler abzujagen und ist nach den Wahlen schnell wieder vergessen.

     

    Jeder rechte Parlamentarier weniger ist ein Grund, zu jubeln, auch wenn stattdessen nur einer von der FDP antritt. Aber allzu viel Erfolg scheint Lindner im Wahlkampf nicht zu haben. Die FDP liegt in den meisten Umfragen hinter den Rechten.

     

    Ich bin ein grosser Fan von Daniel Cohn-Bendit, weil er sich traut, offen für seine Überzeugungen einzutreten und zu sagen, was er denkt und fühlt: https://www.youtube.com/watch?v=U5nyOiepHv8

    Wir brauchen mehr Politiker wie Daniel und Parteifreund Volker Beck.

    • @Maike123:

      Ich stimme Ihnen zu. Allerdings sehe ich Daniel nicht als Politiker sondern eher als Vordenker und Philosoph.