Politologe aus Palästina über Tempelberg: „Israel verschärft die Situation“
Zakaria Odeh betont die symbolische Bedeutung des Tempelbergs. Und erklärt, warum die Saudis und Ägypter in der aktuellen Krise so zurückhaltend sind.
taz: Herr Odeh, Präsident Mahmud Abbas hat die Sicherheitskooperation mit Israel aufgekündigt. Was bedeutet das?
Zakaria Odeh: Was er genau gesagt hat, ist, dass im Moment die Kommunikation gestoppt wird. Es soll keine Treffen mehr geben und keine telefonischen Absprachen. Niemand weiß genau, ob das die Sicherheitskoordination umfasst. Es sind derzeit heftige Debatten darüber im Gange. Die meisten Palästinenser sind dafür, die Sicherheitskooperation mit Israel einzustellen, denn trotz der Zusammenarbeit setzt Israel die Gewalt gegen die Palästinenser fort und schafft in den besetzten Gebieten ständig neue Tatsachen.
Besteht die Gefahr, dass die Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden zum bewaffneten Widerstand zurückkehren werden?
Die Aufkündigung der bisherigen Zusammenarbeit muss nicht unbedingt zu neuer Gewalt führen. Wer die Situation im Moment verschärft, ist nicht die palästinensische Führung sondern Israel mit den einseitigen Maßnahmen an der Al-Aksa-Moschee. Die Israelis denken, dass sie mit Metalldetektoren mehr Sicherheit erreichen, aber das Gegenteil ist der Fall.
Auch wer Mekka, den Vatikan oder die Klagemauer besucht, muss Kontrollen mit Metalldetektoren über sich ergehen lassen. Wie erklären Sie die Aufregung über die israelischen Sicherheitsmaßnahmen?
Das Problem ist nicht das Tor oder der Metalldetektor, sondern die Entscheidung, wer auf den Haram al-Scharif [Tempelberg] darf und wer nicht. Der Status quo schreibt eindeutig vor, dass Jordanien durch die Vertretung der [islamischen Religionshüter der] Wakf in Jerusalem für das Gelände zuständig ist. Das Aufstellen der Detektoren bedeutet eine Verletzung dieses historischen Status quo. Es ist klar, dass Sicherheitsanlagen an der Klagemauer stehen oder vor der Knesset, aber hier geht es ausschließlich um muslimische Gläubige. Der Haram al-Scharif ist unser Haus.
Und deshalb …
Wer bist du, so etwas zu tun? So denken die Leute. Dies ist einer der heiligsten Orte für die Muslime. Warum tun die Israelis das, diese Kontrolle und Restriktion, während israelische Siedler und Politiker kommen dürfen, um zu provozieren? Es ist kein Zufall, dass der Schin Beth [Israels Inlandsnachrichtendienst] entgegen der Meinung der Polizei und auch der Regierung dringend dazu rät, die Metalldetektoren wieder abzubauen.
60, ist Direktor der Civic Coalition for Palestinian Rights in Jerusalem. Die Organisation setzt sich für die Rechte der Palästinenser in der Stadt ein. Zakaria Odeh selbst wurde während der jordanischen Herrschaft in Jerusalem geboren. In England hat er internationale Beziehungen und Internationales Recht studiert.
Die größte Demonstration sollte am Sonntagabend am Kalandia-Checkpoint stattfinden. Nicht im Stadtzentrum von Ramallah, sondern dort, wo israelische Soldaten stationiert sind. Legt man es hier auf Gewalt an?
Sie wissen, dass über vier Millionen Palästinenser nicht nach Jerusalem kommen dürfen. Die Demonstration ist Teil der Aktionen von palästinensischen Parteien und Organisationen. Sie wählten Kalandia, weil das der Übergang zwischen Ramallah und Jerusalem ist. Es ist der Ort, der Jerusalem am nächsten ist. Kalandia hat damit eine symbolische Bedeutung der Solidarität und des Protests gegen die israelische Politik an der Al-Aksa-Moschee. Dasselbe passiert in Bethlehem und Hebron. Die Proteste finden dicht an den militärischen Kontrollpunkten statt.
Man hört wenig Protest gegen Israel aus Kairo und Riad in diesen Tagen. Wie erklären Sie die Zurückhaltung der muslimischen Führungen?
Wir glauben, dass die Zurückhaltung von Saudi-Arabien, Ägypten und anderen Staaten mit den politischen Entwicklungen in der arabischen Region zusammenhängt, vor allem mit dem jüngsten Zwischenfall zwischen Katar einerseits und Saudi-Arabien, Ägypten und den Vereinten Arabischen Emiraten andererseits.
Inwiefern?
Der Konflikt zwischen der arabischen Allianz und Katar ist älter als die Krise um al-Aksa. Der Eindruck, der offensichtlich in Ägypten und Saudi-Arabien entstand, war, dass der Aufruf zum Protest gegen Israel hauptsächlich von den Muslimbrüdern und der Hamas kam, die man in der arabischen Allianz ablehnt. Die Spaltung in der arabischen Region schlägt sich insofern unmittelbar auf die Ereignisse am al-Aksa-Areal nieder.
Die Situation scheint sehr verfahren. Wer könnte jetzt vermitteln?
Es sind ständige Beratungen im Gange, mit Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die UN ist beteiligt. Im Moment könnten wir nicht sagen, wer der geeignetste Vermittler wäre.
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