Kommentar Heiße Wahlkampfphase: Pudding an die Wand nageln
Martin Schulz ist bereits der dritte SPD-Kandidat in Folge, der keine neuen Ideen hat. Das ist nicht nur traurig für die Partei, sondern auch für das Land.
![Ein Mann mit Brille guckt besorgt Ein Mann mit Brille guckt besorgt](https://taz.de/picture/2195557/14/18917302.jpeg)
E s ist ein Menetekel für den Ausgang der Bundestagswahl. Amtsinhaberin Merkel verkauft ihr „Weiter so“ mit ein paar sozialpolitischen Zuckerkringeln als Aufbruch – und gilt schon als Siegerin. Ihr Herausforderer Schulz präsentiert im Wochentakt neue Ideen – und erntet dafür nichts als Mitleid. Und Mitleid in der Politik ist ja im Grunde nichts als schlecht kaschierte Verachtung. Wie konnte es für die SPD nur so weit kommen?
Dass Martin Schulz gut fünf Wochen vor der Wahl als Verlierer gilt, ist nicht gerecht. Immerhin jedeR vierte WählerIn will ihm die Stimme geben, das ist keine Kleinigkeit. Aber eben auch zu wenig, um eine Regierung bilden zu können. Während sich die Union aktuell aussuchen könnte, welche Parteien sie in der nächsten Koalition klein kochen möchte, reicht es für die SPD nicht einmal rechnerisch zum Gegenentwurf Rot-Rot-Grün.
Genau das – seine viel zu frühe Absage an ein linkes Regierungsprojekt – könnte Martin Schulz nach der Wahl seinen Posten als Parteichef kosten. Noch tragen ihn seine GenossInnen; den eigenen Spitzenkandidaten zu kritisieren käme schließlich politischem Selbstmord gleich.
Aber Schulz’ taktische Fehler – etwa im NRW-Wahlkampf, beim Absägen seiner Generalsekretärin oder in der Kommunikation von Inhalten – wirken, als wolle er einen Pudding an die Wand nageln. Immer japst er hinterher, gefangen in den unübersichtlichen, machohaften Zusammenhängen seiner eigenen Partei. Ihm steht eine Kanzlerin gegenüber, die sich nicht mal herablässt, seinen Namen in den Mund zu nehmen.
Das sei alles so traurig für die SPD, hört man jetzt allenthalben. Ja, das ist es. Aber eben nicht nur für die Partei, sondern auch fürs Land. Ein Wahlkampfslogan der Sozialdemokraten lautet: „Die Zukunft braucht neue Ideen.“ Nachsatz: „Und einen, der sie durchsetzt.“ Martin Schulz ist jetzt schon der dritte SPD-Kanzlerkandidat in Folge, der das nicht ist.
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