Berichterstattung der „Bild“-Zeitung: Victim Blaming im Fall Malina
Mit irrelevanten Details relativiert die „Bild“-Zeitung die Unschuld einer vermissten Studentin. Das ist nichts Neues – und bleibt doch skandalös.
Seit 19. März wird Malina Klaar, eine 20-jährige Studentin aus München, vermisst. Ihr Handy wurde in Regensburg am Ufer der Donau gefunden, trotz des Einsatzes mit Leichenspürhunden und Hubschraubern fehlt von ihr bisher jede Spur. Ihr Vater ist der festen Überzeugung, dass Malina lebt.
Ein unerträgliches Ereignis, dass eine junge Frau einfach verschwindet, und zu Recht dominiert jede Einzelheit über ihren Fall die Medien. Dabei fällt allerdings auf, dass sich manche von ihnen klischeehaftester Ausdrücke bedienen, um ihre Nachrichten umso sensationeller und konsumierbarer zu gestalten.
Die Grenzen der verantwortungsvollen Berichterstattung können offensichtlich leicht überschritten werden, wenn es sich um eine junge Frau handelt, die nach einer Party vermisst wird. Jedenfalls zögert die Bild-Zeitung nicht, in einer Überschrift zu erwähnen, dass Malina „eine hübsche Studentin“ ist, ein Detail, das in keinerlei Relevanz zum Ereignis steht. Zu hoffen ist zumindest, dass es auch den Kolleg_innen in der Bild-Redaktion klar ist, dass ein Mensch nicht aufgrund des Aussehens vermisst werden kann.
Die Frage „Wo ist die hübsche Studentin?“ in der Überschrift spricht für eine Suche nach Motiven, die sich an Malina orientieren: „Wie war sie denn so, dass das ihr passiert ist?“ Die Erleichterung folgt: „Sie war hübsch!“ Nein. Das ist ihr nicht passiert, weil sie hübsch ist. Das ist ihr passiert, weil es ihr jemand angetan hat.
Machen wir eine Täterin aus der Betroffenen?
Genauso verantwortungslos ist die Andeutung, dass es Malinas „letzte Party“ war, seitdem sie vermisst wird, eine doppeldeutige Formulierung in der Überschrift des Interviews mit Malinas Mitbewohnerin. Ob es wirklich ihre „letzte Party“ war, weiß nicht mal die Polizei. Wenn die Wortauswahl lediglich einen Zeitraum betonen sollte, wäre es eben aufgrund des fortlaufenden Einsatzes verantwortungsbewusster, einen anderen Ausdruck zu wählen.
Malina war wohl auf einer Party, bevor sie verschwunden ist. Menschen verschwinden nach Partys, nach der Arbeit, vor der Schule und nach dem Sport; in der Nacht, bei Tageslicht, gegen Morgen oder abends – das Bedürfnis, die Einzelheit „Party“ zu unterstreichen, ist nicht so harmlos, wie es aussieht.
Mit der Betonung der Party werden gewisse Handlungen angedeutet, die man damit assoziiert: Alkoholkonsum, Tanz, Dunkelheit, möglicherweise mutigere Kleidung. Diese Assoziation führt wiederum dazu, dass die Unschuld der Betroffenen infrage gestellt wird: Wurde diese Person möglicherweise entführt, weil sie getrunken hatte, Partykleidung trug oder einfach nur Spaß hatte? Nein. Es ist passiert, weil es ihr jemand angetan hat.
Die Betroffene ins Rampenlicht zu stellen führt den Täter tiefer in den Schatten: Interessiert uns noch, wer das überhaupt ist? Oder suchen wir nach Ausreden, welches Verhalten von Malina ihn dazu gebracht haben könnte? Machen wir eine Täterin aus der Betroffenen?
Solche frauenfeindliche Berichterstattung ist kein neues Phänomen. Die Meldungen über Frauen, die auf oder nach Partys angegriffen werden, beinhalten schon lange Ausreden für die Täter. Sie legitimieren und normalisieren die Gewalt, sie können sogar den Eindruck erwecken, die Betroffene habe die Gewalttat verdient.
Frauen kämpfen schon lange für eine gewaltfreie Umgebung, ob das ein „Witz“ ist, eine Berührung oder eine Überschrift eines männlichen Journalisten. Die Dimensionen der männlichen Hegemonie zeigen sich in den kleinsten Details, man muss nur lernen hinzusehen.
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