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Kommentar Oettingers EntschuldigungWerte, die Europa nicht braucht

Kommentar von Valerie Höhne

Die EU darf nicht als Abstellgleis für inkompetente Politiker dienen. Und Günther Oettinger sollte endlich tun, was schon 2010 fällig gewesen wäre.

Seine Werte sollten nirgendwohin exportiert werden: Günther Oettinger Foto: dpa

N un hat sich Günther Oettinger also doch für seine umstrittene Rede entschuldigt. Sie sei „frei von der Leber“ gewesen, teilte er mit. Er glaubt wohl, nun sei alles in Ordnung. Das ist es aber nicht. Vergangenen Samstag hielt Oettinger eine Rede vor geladenen Gästen in Hamburg. Darin bezeichnete er unter anderem Chines*innen als „Schlitzaugen“. Dann, im Finale seiner populistischen Entgleisungen, sprach er von einer „Pflicht-Homoehe“, vor der er offenkundig Angst hat.

Grobe Verfehlungen haben beim früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Tradition: Bei der Trauerfeier für Hans Filbinger, dem Nazi-Richter und späteren Ministerpräsidenten des Landes, sagte Oettinger: „Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war Gegner des NS-Regimes“. Das war 2007, da war Oettinger noch im Amt. Drei Jahre später wurde er nach Brüssel verbannt. Ins politische Aus, so meinte man. Als Energiekommissar und späterer Kommissar für Digitales sei er zu unwichtig, um Schaden anzurichten.

Das war nicht nur kurzsichtig, sondern auch eine politische Fehleinschätzung. Die EU war und bleibt eine mächtige Institution. In den letzten Jahren ist sie präsenter geworden. EU-Politiker*innen werden – zu Recht – ernst genommen. Die EU sollte deshalb nicht als Abstellgleis für inkompetente Politiker*innen dienen.

Der geschasste Ministerpräsident soll nun ausgerechnet Haushaltskommissar werden. Damit ist er für die Finanzen der EU zuständig, gleichzeitig wird er eine*r von sieben Vizepräsident*innen. Aber ein Mann, der rassistischen und homophoben Quark redet und Nazi-Verbrecher verharmlost, sollte kein Repräsentant der EU sein.

In der Rede am Samstag fragte er: „Wollen wir nur die S-Klasse, oder wollen wir auch Werte exportieren?“ Seine Werte sollten nirgendwohin exportiert werden. Er sollte endlich tun, was bereits 2010 fällig gewesen wäre: zurücktreten.

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26 Kommentare

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  • "Frei von der Leber?"

     

    Wie das?! Wo früher mal die Leber war,

    ist heute eine Minibar.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Danke Frau Höhne für Ihre Meinung.

    Wer dieses Video der Entschuldigung gesehen hat, weiß, daß Oetti ein begabter Redner ist und auch gerne 'frei von der Leber' spricht.

     

    Frau Merkel, das muss Ihr Bundespräsidentenkandidat werden. In der EU wird er sicher gefeuert werden. Also nehmen Sie den Mann Ihres Vertrauens zurück nach Deutschland. Die CDU hätte wieder einen ureigenen CDU-Mann 'mit großen Fähigkeiten' als geeigneten Kandidaten für das vakante Amt.

    Die SPD würde auch hier, wie üblich, selbstverständlich mitmachen.

     

    Oetti komm! Du wärest ein würdiger Nachfolger von Heinrich Lübke.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Der Herr Oettinger ist nicht einmal dazu fähig, etwas zu bedauern (wozu auch?).

     

    Wahrscheinlich steht er immer noch zu seinen bei Parteistammtischen willkommenen, oder zumindest tolerierten Äußerungen.

  • Frie fromm se liwa- normal!

  • Doch, die EU ist ein Selbstbedienungsladen,

    ein Abstellgleis für Otto von Habsburg und seine Freunde,

    und das Leben ist ein Ponyhof.

  • Frei von der Leber, ja? Passt schon. Denn: Welche Farbe hatte das Organ nochmal?

     

    Immerhin, Herr Oettinger möchte stehen zu seinen braunen Emotionen. Womöglich glaubt er ja, er hätte (fast) ausschließlich WählerInnen, die der "Das-wird-man-ja-wohl-sagen-dürfen-Fraktion" angehören. Weil sie da ebenfalls etwas verwechselt haben, als es in irgendwelchen Medien hieß, Klemmschwuchteln wären zu verachten, aufrechte Schwule jedoch nicht.

     

    Nein, Herr Oettinger: Schwul sein ist KEINE Weltanschauung, für die man sich zu schämen hat. Die Liebe (auch zum eigenen Geschlecht) ist was ganz anderes als dumpfer Hass.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Hat jemand auf sein Bildnis geschossen?

    • 3G
      31878 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      Das habe ich mich auch gefragt!

      Gibt es dazu eine Antwort?

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Nö - Aus der Kategorie Realismus 2.0

      Sprung in der Schüssel!;)

      "Frei von der Leber weg!"

  • Es bleibt auf das -wie immer- hochunterhaltsame Lied der Sendung Xtra-3 von gestern hinzuweisen. Danke an dessen Verfasser!

    Außerdem fehlen mir die Hinweise auf das passiv schweigsam zustimmende Publikum dieser Rede. Selbst solche ideologisch gestörten PolitikerInnen wie Oettinger passen ihre Reden ja an das Publikum an.

    • @benevolens:

      Das Publikum war aber nicht nur passiv schweigsam, soviel ich das sehen konnte in einem Smartphone(denke ich, dass es ein Smartphone war)-Mitschnitt eines Mitanwesenden. Das hat auch applaudiert und gelacht. Hier zu sehen: https://youtu.be/RsgbBYrGgSo

    • @benevolens:

      Schön war in der Sendung auch, wie seine "Kompetenz" als Digitalkommissar herausgearbeitet wurde.

  • „Die EU darf nicht als Abstellgleis für inkompetente Politiker dienen“

     

    Genau das ist das Problem! Die Aufregung über haarsträubende Entscheidungen in Brüssel greift zu kurz. Warum gibt es bis jetzt nie Proteste, wenn jemand nach Brüssel delegiert wird, wenn er/sie mehr Misserfolge als Erfolge im Herkunftsland vorweisen kann? Statt froh zu sein, dass man ihn/sie los ist, sollte klar sein, dass auf EU-Ebene der Bereich viel größer ist, in dem er/sie Schaden anrichten kann!

  • Sehr guter und überfälliger Artikel. Ohnehin merkwürdig bis erschreckend, dass sein Rücktritt nicht vehementer gefordert wird.

  • "Seine Werte sollten nirgendwohin exportiert werden. Er sollte endlich tun, was bereits 2010 fällig gewesen wäre: zurücktreten."

     

    Volle Zustimmung. So wie der ganze Artikel inhaltlich eine 1 verdient. Für die Rechtschreibung kann es aber leider bestenfalls eine 3* geben.

  • Für politische Ämter nicht wirklich geeignet, dafür kann er aber menschenverachtende Kommentare machen.

    Zumindest ob man mit diesen Kerninkompetenzen amerikansicher Präsident werden kann, wissen wir in einer Woche.

    • @Co-Bold:

      Joa, dann aber richtig: Wir werden erfahren ob jemand mit menschenverachtenden Kommentaren Präsident werden kann oder jemand der menschen- und demokratieverachtende Politik betreibt.

      In der Haut der Amerikaner möchte ich wirklich nicht stecken.

      • @Cypher:

        "Grab her by the pussy" ist wohl eher eine gelebte Einstellung als ein "Kommentar".

         

        Aber wenn jemand ethnische Säuberungen im eigenen Land plant, für Oppositionelle Guantanamo offenzuhalten beabsichtigt, mit einem Atomkrieg gegen Russland droht und meint, auch die Chinesen werden vor ihm noch in den Staub fallen und seine ungewaschenen Füsse küssen, dann ist mir eigentlich egal, ob er "nur" Diskurse nach rechtsaussen rutschen läßt, um den Pöbel zur Stimmabgabe zu motivieren, oder ob er es tatsächlich ernst meint.

  • Nach seiner Darstellung handelte es sich um Äußerungen "frei von der Leber". Er wird doch nicht an Zirrhose leiden? Zu befürchten ist allerdings, daß nicht seine Leber betroffen ist, sondern eher sein Hirn. Seit seiner Einordnung Filbingers dürfte es sich dabei um eine braune, stinkende Masse handeln.

  • Darin bezeichnete er unter anderem Chines*innen als „Schlitzaugen“.

     

    da korrigieren Sie Oettingers Rede zu seinen Gunsten. Jemand, der die Homoehe fürchtet wie Herr Oettinger hat bestimmt nicht p.c. von Chines*innen gesprochen, sondern von Chinesen, explizit die männliche Form.

    Da korrigieren Sie seine Worte und bringen sie in eine korrekte Form, dadurch wird aber seine politische Haltung und seine eigentliche Aussage verfremdet bzw. in diesem Fall sogar ins Gegenteil verkehrt.

    Jedenfalls wenn man es haarspalterisch betrachtet, aber damit habe ich nicht angefangen...

  • Damit ist er für die Finanzen der EU zuständig, gleichzeitig wird er eine*r von sieben Vizepräsident*innen

     

    zumindest das "eine*r " ist nicht korrekt.

    Herr Oettinger kann keine Vizepräsidentin werden, nur ein Vizepräsident.

    Er kann aber einer von mehreren Vizepräsident*innen werden

    • 3G
      3641 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      So pauschal kann man*in das nicht sagen. Wir wissen nicht, welche Farbe des Regenbogens Herr*in Oettinger für sich in Anspruch nimmt.

  • kleine Korrektur, es sollte nicht Nazi-Verbrecher sondern besser Nazi-Verbrecher *innen heißen

    es gibt im Artikel noch mehr solcher Ungenauigkeiten.

    • @nutzer:

      In diesem Fall hätte auch Leser77, der sich im Falle des Münchner Amoklaufs über tendenzielles "Gendern" ohne Anlass aber hartnäckig, ereifert hat, leider Recht.

  • Jeder vernünftig denkender Mensch würde das an seiner Stelle tun, nur ist da leider kein vernünftig denkender Mensch an seiner Stelle.

     

    Zwischen den Zeilen kann man ja mehr als deutlich lesen, dass er der Meinung ist eigentlich genau das Richtige gesagt zu haben, dabei kam ihm dann nur diese dumme überbewertete political correctness in die Quere.

  • Endlich eine klare Forderung! Aber ich würde die Forderung nicht auf Herrn Öttinger begrenzen, denn ich glaube, dass Herr Öttinger nicht daran denkt, diese Konsequenzen auch nur in Betracht zu ziehen. Es ist die EU, die einen Herrn Öttinger nicht für die Stelle eines Haushaltskommissars und Vizepräsident benennen darf - das sollte gelebter guter Corporate-Governance sein - und wenn Herr Juncker hier nicht entsprechend Konsequenzen zieht, dann ist das EU-Parlament gefordert - wir werden sehen.