piwik no script img

Urlaub nach der Meck-Pomm-WahlLasst uns zu den Nazis fahren

Auf Usedom erreichte die AfD bis zu 46,8 Prozent, auf Rügen bis zu 32,4 Prozent. Unser dunkelhäutiger Autor würde dort trotzdem Urlaub machen.

Frei wie ein Vogel. Vom Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern sollte man sich den Urlaub auf Rügen nicht verbieten lassen Foto: dpa

Nur weil ich schwarz bin. Ziemlich oft habe ich diesen Satz gehört – und gerne auch selbst gesagt. Meine besten Freunde meinten es stets ironisch, ich – der „Nichtbiodeutsche“ – auch. Die Hautfarbe spielte nur selten eine Rolle. Sicher, es gab auch schon Fremde, die glaubten, mich mit dem N-Wort anreden zu müssen, versehen mit dem Zusatz: „Wie soll man Menschen wie dich denn sonst nennen?“

„Ich heiße David – und du?“, habe ich dann, betont gelassen, geantwortet. Meine Freunde verdrehten, ob so viel Verständnis meinerseits für die Ewiggestrigen, nur die Augen. Die Ewiggestrigen taten dies übrigens auch, grübelten kurz, und kamen dann meist zu dem Schluss, dass ich zum Bratkartoffelverzehr vermutlich auch Messer und Gabel verwendete. Aber, wie gesagt: Das blieben Ausnahmefälle. Im ländlichen badischen Raum ging’s doch eher harmonisch zu.

Für die taz besuchte ich kürzlich die Ostseeinsel Rügen (AfD-Ergebnisse bis zu 32,4 Prozent). O weh, o weh, viele AfD-Wähler, viel Rassismus – sollte ein dunkelhäutiger Mensch da überhaupt hinfahren?

Nun, ich bin natürlich hingefahren. Feststellung Nummer 1: Ich sah, wie erwartet, sehr viele NPD- und AfD-Wahlplakate. Nummer 2: Wirklich ausgegrenzt gefühlt habe ich mich nicht. Im Gegenteil: Die AfD-Wähler, mit denen ich sprach, waren recht freundlich im Umgangston. Sie hießen mich gerne in ihren Imbissständen oder Werkstätten zum Plausch willkommen. Und wenn sie fragten, woher ich denn sei, antwortete ich: „Aus der Nähe von Karlsruhe.“ Das genügte den Fragestellern als Antwort.

Versprengte sind noch immer die Minderheit

Meine Schwester hat schon andere Erfahrungen gemacht. Ein Herr pöbelte sie aus dem Nichts auf offener Straße an: „Sie können froh sein, überhaupt in Deutschland leben zu dürfen.“ Das war in Berlin-Friedenau, die Bewohner gelten als liberal.

Nun mag es wohl auch auf Rügen solche und solche AfDler geben. Und ein paar versprengte NPD-Hohlköpfe gibt es sicher auch. Dass sie alle rechts wählen, ist ziemlich traurig, schlicht niederschmetternd. Aber es ist immer noch die Minderheit. Deshalb ganze Landstriche abzuschreiben, oder – wie im Falle Usedoms oder Rügens – ganze Urlaubsregionen zu boykottieren, ist der falsche Ansatz.

Von Flüchtlingen kriegen nur diejenigen etwas mit, die sich auch um sie kümmern, die sogenannten Gutmenschen. Der Rest? Kann nach wie vor unbehelligt sein Leben leben, ohne Einschränkungen

Die AfD-Erfolge speisen sich keineswegs aus Krisenerfahrungen vor Ort. In Rügen ist die größte Sorge, dass der Verkehr durch die immer mehr werdenden Touristen weiter zunimmt. Ja, richtig, auch das ist ein Problem. Aber doch kein wirklich existenzielles, verglichen mit dem, was Menschen in anderen Ländern erfahren. Arbeitslosigkeit, Krieg, Hunger. Das sind Nöte.

Die AfD hat Erfolg, weil Irrationales überhöht wird

Wer spürt hierzulande überhaupt etwas von den ach so großen F-Krisen (Flüchtlinge, Finanzen), die Deutschland „zusetzen“? Von Flüchtlingen kriegen nur diejenigen etwas mit, die sich auch um sie kümmern, die sogenannten „Gutmenschen“. Der Rest? Kann nach wie vor unbehelligt sein Leben leben, ohne Einschränkungen, ohne Verluste. Ein Großteil der Deutschen hat einen festen Job, eine sichere Bleibe und ein halbwegs ordentliches Leben. In vielen Teilen Deutschlands ist das so, nicht nur in Usedom oder Rügen. Trotzdem hat die AfD Erfolg. Das liegt auch daran, dass irrationale Aspekte eine Überhöhung sondergleichen erfahren.

Die rational argumentierende Kanzlerin kann einem da fast schon leidtun. Jetzt gilt es, die Menschen zu überzeugen, dass sie sich besser vor der eigenen Haustür umsehen sollten, anstatt im TV jede Krisenmeldung persönlich aufzufassen. Das erzähle ich auch gerne den AfDlern auf Rügen oder Usedom. Ich würde wieder hinfahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • Niemand lügt im Fernsehen so oft wie Frauke Petry.

    http://www.mopo.de/news/politik-wirtschaft/studie-beweist--niemand-luegt-im-fernsehen-so-oft-wie-frauke-petry-24229402

     

    Wusste man in Mecklenburg-Vorpommern davon?

     

    Und was ist die Politik der AfD und Versprechungen deren Politiker wirklich wert?

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Danke, David, für diesen schönen Text! Gruß aus Karlsruhe!

  • Jeder, der an der deutschen Grenze das Wort "Asyl" ausspricht wird reingelassen, ob mit oder ohne Papiere, und sowohl die Kanzlerin als auch die ganz große Koalition mit Ausnahme der CSU und AfD lehnen eine Obergrenze oder Kontingente ab. Praktisch wird fast jeder bleiben können, der es hierher geschafft hat. Das ist unkontrollierte Zuwanderung! Und das ist auch der Kasus Knacktus.

    Die Menschen haben ein Gefühl der Unsicherheit. Theoretisch könnten jedes Jahr zig Millionen kommen. Es gibt keine Begrenzung auf die man sich einstellen und verlassen kann!

    Die Suppe haben sich unsere Politiker und Medien selbst eingebrockt, speziell Merkel, und sie versuchen das Gesicht zu wahren, indem sie alle möglichen, auch fragwürdigen, Tricks und Deals anwenden um die Zuwanderung zu begrenzen, ohne einräumen zu müssen, dass die Aufnahmemöglichkeiten begrenzt sind. Bei dem Schauspiel haben sich unsere Politiker so lächerlich und unglaubwürdig gemacht, dass ich fürchte, wir haben langsam einen Punkt erreicht, an dem nur noch ein Personalwechsel an der Spitze die etablierten Parteien retten kann.

     

    Und falls sie wirklich glauben, die Flüchtlings- bzw. Migrationskrise sei ausgestanden, irren sie sich gewaltig. Schauen sie sich die Demographie und die wirtschaftliche, politische Entwicklung der nächsten Jahrzehnte in Afrika und dem Nahen Osten an. Es hat gerade erst angefangen. Der menschliche Verstand kann diese Entwicklung und diese Zahlen kaum fassen. Und es ist Größenwahn, zu glauben, dass das im Vergleich winzige Deutschland, und sogar Europa, das wesentlich beeinflussen könnte.

    Ich verspreche Ihnen, früher oder später wird es die "Festung Europa" geben, davon bin ich zu 100% überzeugt. Es geht gar nicht anders.

    Die Frage ist nur, was es kosten wird sich diesen Realitäten zu stellen und ob und wie es unsere Demokratie überlebt. Mir macht da die grassierende Realitätsverweigerung mehr Sorgen als die AfD, obwohl ich mich vor der auch fürchte, aber sie ist scheinbar nötig. Traurig.

    • @karlei:

      *seufz* das war eigentlich als Antwort auf KARLHEINZ gedacht. Ist nicht das erste mal, dass das passiert. Entweder stimmt was nicht mit der Forums-Software, oder es liegt an meinem Browser

  • Wissen Sie, was mir gefällt: Es ist die Möglichkeit, weitgehend unangefochten unterschiedliche Meinungen vorzubringen und dazu Leserkommentare unterschiedlichster Couleur zu bekommen bzw. anbringen zu dürfen. So kann man beide Seiten verstehen und akzeptieren. Wunderbar! Ich bin so froh, dass es das gibt! Fragt sich nur, wie lange noch - bei der Panikmache.

  • http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2829836/Sozialbetrug-mit-Schrottimmobilien#/beitrag/video/2829836/Sozialbetrug-mit-Schrottimmobilien

     

    Die Menschen in Osten der Republik schauen sich ja auch Berichte im Fernsehen an. Vielleicht macht ihnen dies Angst obwohl sie noch nicht davon betroffen sind.

    • @RiaS :

      Dieser durchsichtige Hinweis auf die 3% "Flüchtlinge" in MVP ist der offene Hinweis auf die geistige Bedürftigkeit der dortigen AfD-Wähler. Man unterstellt ihnen, dass sie nicht bis drei zählen können, was eine Art Rassismus gegenüber diesem Menschenschlag darstellt. Dabei wissen die Wähler sehr wohl, dass es in ihrem Land "eins" ist und sie keine Lust haben, darauf zu warten, dass es "zwei" und "drei" wird. Und wie "drei" aussieht, sehen sie in den No-Go-Vierteln des Ruhrgebiets. Sollen sie "drei" alternativlos erwarten? Da kennen sie die Fischköppe aber schlecht. Die haben schon die Schweden überstanden ... Und überhaupt, die UNO hat sich empört: ich komm aus dem Lachen nicht mehr raus. Wo ist die UNO im Iran, in Saudiarabien, im gesamten Orient? Noch blöder kann eine Argumentation gar nicht sein. Auch nicht eine Zeitung, die das auch noch abdruckt.

  • "Nazi" wird als Kurzform für Nationalsozialisten verwendet, und als übles Schimpfwort.

    Da die AfD bekanntlich neoliberal und nicht sozialistisch ist, und auch nicht in Konflikt mit dem Grundgesetz ist, kann man wohl davon ausgehen, dass das "Nazi" hier als Beleidigung und Verleumdung gedacht ist.

    Findet ihr echt, dass das guter Stil ist und glaubt ihr, dass das zielführend ist?

    Ich habe da so meine Zweifel.

    Und ich sehe die AfD selbst skeptisch, aber die Methoden, die hier angewandt werden kann ich nur ablehnen. Ich kann nur noch den Kopf schütteln...

    Da fährt der Autor - mutig wie er ist - ins "braune Naziland", wird von den AfD Wählern freundlich und respektvoll empfangen, und statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung kommen dann nur Beleidigungen raus.

     

    Über was haben Sie denn mit den AfD-Wählern geredet? Schreiben Sie das vielleicht nicht, weil dann rauskommen würde, dass die meisten AfD-Wähler überhaupt nichts gegen Menschen anderer Hautfarbe oder Herkunft haben, sondern lediglich etwas gegen unkontrollierte Zuwanderung?

    Nur so eine Vermutung...

    • @karlei:

      Die Überschrift inkl. N-Wort interpretiere ich ein wenig anders. Nämlich will der Autor m.M. nach überspitzt dem Gedanken Worte verleihen, was nach den Wahlergebnissen nun viele Menschen insgeheim von den BewohnerInnen im Nordosten denken.

      • @HugoReyes:

        Sie meinen der Autor will auf die Verunglimpfung der Menschen dort, bzw. aller AfD-Wähler als "Nazis" kritisch hinweisen?

        Hm, möglich, aber die Interpretation finde ich etwas gewagt... Dann hätte man das doch etwas überzeugender und eindeutiger machen können.

    • @karlei:

      Dies

      "Schreiben Sie das vielleicht nicht, weil dann rauskommen würde, dass die meisten AfD-Wähler überhaupt nichts gegen Menschen anderer Hautfarbe oder Herkunft haben, sondern lediglich etwas gegen unkontrollierte Zuwanderung?"

       

      sehe ich auch so und sollte dick unterstrichen werden. Sicherlich sind braune Dumpfbacken in der AfD. Die Mehrheit der Wähler sind es nicht. Sie haben keine andere Möglichkeit ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Sobald diese unkontrollierte Zuwanderung gestoppt wird, ist die AfD auch wieder weg .

      • @RiaS :

        Welche unkontrollierte Zuwanderung denn? In MV stehen Flüchtlingsunterkünfte leer. Der Zustrom hat längst abgenommen, das Asylrecht wird verschärft und die Beziehungen zum türkischen "Diktator" werden auch weiter gepflegt. Um in MV einen Flüchtling zu treffen muss man sich schon sehr anstrengen. Auf ne Glatze zu treffen, die einen bedroht ist wesentlich einfacher. Und ich hab keinen Migrationshintergrund. Und glauben Sie nicht, dass die anderen Leute einem irgendwie helfen. Man ist ja der Außenseiter, also selber schuld. Ein Grund warum ich da schon lange nicht mehr hinfahr. Wer dann auch noch die AfD wählt um seinen Unmut ausdruck zu verleihen (gegen was eigentlich?) muss sich über die Bezeichnung als Dumpfbacke nicht wundern. Ich wähl doch nicht ne Partei, die Antisemiten und Rassisten in ihren Reihen hat, nur um irgendwem, irgendwo meinen Unmut über meine Ängste mitzuteilen. Die sitzen dann nähmlich wirklich in meinem Landtag. Wie blöd muss man sein. Wenn mir was nicht passt, dann krieg ich meinen Arsch hoch und tu was dagegen. Dazu gehört auch sich über die Lage ausreichend zu informieren und mich dann mit allen Mitteln die mir legal zur Verfügung stehen dagegen zu wehren, statt irgendeine Partei zu wählen, der ich sowieso am Arsch vorbeigehe.

        • @Karlheinz:

          Welcher Partei gehen sie nicht am Allerwertesten vorbei?

          Das würde mich interessieren, denn bis jetzt denke ich mal, gehe ich nicht zur Wahl.

          Ich bin oft, sehr oft im Osten unterwegs, sehe ausländisch aus, indisch und bin noch nie von einer Glatze bedroht worden. Im Gegenteil, dort sind die Menschen sehr freundlich. Im Westen wurde ich aufgrund meines o.g. Aussehens aus einem Cafe gewiesen, da a l l e Plätze reserviert seien. Meine Freundinnen, blond und blauäugig bekamen nach mir Platz. Als ich dazu kam herrschte betretenes Schweigen.

          • @RiaS :

            "Ich bin oft, sehr oft im Osten unterwegs, sehe ausländisch aus, indisch und bin noch nie von einer Glatze bedroht worden."

             

            Na, da haben Sie aber Glück gehabt.

             

            Und wie wir ja nun wissen schließt "Freundlichkeit" rechtes Gedankengut und rassistische Taten nicht aus.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Meine Großmutter kommt von Sylt. Schon deswegen ist Usedom nichts für mich.

  • Lieber David,

    vielen Dank für diesen schönen Kommentar! Auch andere Ecken von Meck-Pomm sind freundlich zu jedem Menschen egal ob weiß, schwarz, Frau, Mann, usw.

     

    Gruß aus Bad Doberan

    • @Schumbi:

      Ich liebe Meck-Pomm und die darin lebenden Menschen. Sie sind genauso wie Schumbi sie beschrieben hat.

      Boykott, nein, das ist nicht richtig.

  • Herzlichen Dank, das ist ein schöner und souveräner Kommentar.

  • Like. :)

  • "Deshalb ganze Landstriche abzuschreiben, oder – wie im Falle Usedoms oder Rügens – ganze Urlaubsregionen zu boykottieren, ist der falsche Ansatz.

    (...)

    In Rügen ist die größte Sorge, dass der Verkehr durch die immer mehr werdenden Touristen weiter zunimmt."

    Dann würde ein Boykott doch das größte Problem der Rügener lösen.

    • 3G
      34420 (Profil gelöscht)
      @heinz martensen:

      Eine Anreise mit Bahn oder Rad würde das Problem in der Tat entspannen.

      • @34420 (Profil gelöscht):

        Urlaubsgepäck für 2 Wochen auf dem Fahrrad?