IS-Pläne für Attentat in Düsseldorf: Verdächtige Reise in den Süden
Der mutmaßliche Islamisten-Anführer will aus Liebe zu seiner Tochter einen geplanten Anschlag verraten haben. Viele Fragen bleiben offen.
Die Bundesanwaltschaft wirft Saleh A. und seinen Komplizen vor, einen Anschlag mit Sprengstoff und Schusswaffen auf der belebten Heinrich-Heine-Allee in Düsseldorf geplant zu haben. Am Donnerstag nahm die Polizei den 27-jährigen Hamza C. im brandenburgischen Bliesdorf fest, den 25-jährigen Mahood B. im nordrhein-westfälischen Mülheim an der Ruhr und den 31-jährigen Abd Arahman A. K. in Leimen in Baden-Württemberg.
Der 25-jährige Saleh A. sitzt bereits seit vier Monaten in Frankreich in Untersuchungshaft. Alle vier sind syrische Staatsangehörige und wohnten bis zu ihrer Festnahme in Flüchtlingsunterkünften.
Saleh A. ist die Schlüsselfigur. Am 1. Februar hatte sich der Syrer auf einer Polizeistation im Pariser Stadtviertel Goutte d’Or gemeldet und angegeben, „Informationen über eine Schläferzelle“ zu besitzen, die bereit sei, „in Deutschland zuzuschlagen“. Und nicht nur das: Er selbst sei der Kopf dieser Zelle. Als Motiv für seine ungewöhnliche Offenbarung gab er an, seine Tochter solle keinen Terroristen als Vater haben. Die französischen Ermittler alarmierten ihre deutschen Kollegen.
In mehrtägigen Vernehmungen gab Saleh A. an, in seiner Heimat zunächst in der Opposition gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad gekämpft und sich dann verschiedenen dschihadistischen Gruppen angeschlossen zu haben. Nach seiner Gefangennahme durch den IS habe er sich der Terrormiliz angeschlossen, die ihn dann im Mai 2014 zusammen mit seinem Komplizen Hamza C. in die Türkei geschickt hätte.
Motiv für Ziel unklar
Von dort reiste Saleh A. im Frühjahr 2015 über die Balkanroute nach Deutschland. Der Auftrag, den Saleh A. von einem IS-Führungskader erhalten haben will, sei gewesen, in der Düsseldorfer Altstadt einen Anschlag zu verüben. Wie der IS ausgerechnet auf die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Allee als Ziel gekommen ist, ist eine der vielen derzeit noch offenen Fragen.
Nach Angaben von Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus ist Saleh A. seit dem 26. März 2015 in der im Regierungsbezirk Düsseldorf gelegenen Stadt Kaarst gemeldet. Untergebracht war er im Flüchtlingsheim am Vorster Bäumchensweg. „Bei uns gab es keinerlei Auffälligkeiten“, sagte Nienhaus der taz.
Bürgermeisterin von Kaarst
Erst unmittelbar bevor er sich der Pariser Polizei stellte, reiste Saleh A. über Belgien nach Frankreich aus. Was ihn dazu bewogen hat, ist ebenfalls eine noch offene Frage. Eine Verbindung zu dem französisch-belgischen Netzwerk, das hinter den Anschlägen von Paris und Brüssel vom 13. November und 22. März steckt, sei jedenfalls bislang nicht erkennbar, heißt es aus französischen Sicherheitskreisen. Die Bundesanwaltschaft bemüht sich um seine Auslieferung.
Keine konkreten Hinweise
Auf Basis der Aussagen von Saleh A. beobachteten die Bundesanwaltschaft und die Ermittlungskommission „Anbieter“ der Polizei Düsseldorf monatelang die Aktivitäten seiner mutmaßlichen Komplizen von Hamza C., Mahood B. und Abd Arahman A. K. Hinweise, dass sie bereits mit der Umsetzung ihrer Anschlagspläne konkret begonnen haben, konnten die Fahnder allerdings nicht entdecken.
Ihre Festnahme am Donnerstag soll erfolgt sein, weil einer der mutmaßlichen Terroristen nach Südeuropa hatte reisen wollen. Wie es heißt, habe die Befürchtung bestanden, die Ermittler könnten ihn aus den Augen verlieren oder er könne weitere Kämpfer nach Deutschland holen.
Das Bundesinnenministerium erklärte, für eine grundsätzliche Bewertung des Falles und erst recht für Schlussfolgerungen sei es zu früh. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warnte davor, Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Es sei ganz offensichtlich die Strategie des IS, Flüchtlinge in Misskredit zu bringen und Ängste vor ihnen zu schüren, indem man eigene Leute als Asylbewerber nach Europa einschleuse, sagte Wendt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag