Neue Beweise gegen Zschäpe: „Glaubwürdigkeit unter null“
Neue Ermittlungsergebnisse des BKA belasten Beate Zschäpe im NSU-Verfahren. Opfer-Anwälte erwarten nun ein hartes Urteil.
Das BKA übersandte dem Strafsenat am Oberlandesgericht München diese Woche einen zwölfseitigen Vermerk, welcher der taz vorliegt. Darin werden neue Auswertungen einer DVD dargestellt, die im Brandschutt der letzten, von Zschäpe angezündeten Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße gefunden wurde. Auf der DVD finden sich Mitschnitte von Fernsehberichten über den NSU-Nagelbombenanschlag in Köln vom 9. Juni 2004.
Das Brisante: Die Mitschnitte begannen laut BKA am gleichen Tag um 17.59 Uhr. Das Attentat ereignete sich zwei Stunden zuvor. Begangen wurde es, wie auch Zschäpe einräumte, von Mundlos und Böhnhardt. Die beiden Männer konnten aber so schnell nicht wieder in Zwickau gewesen sein. Dies sei, so heißt es im BKA-Vermerk, aufgrund der gut 480 Kilometer langen Distanz „faktisch unmöglich“. Da das Trio aber recht abgeschottet lebte, konnte die Aufzeichnerin dann wohl nur eine sein: Zschäpe.
Laut den Ermittlern wurden damals Sondersendungen des WDR und Berichte von n-tv zu dem Köln-Anschlag aufgenommen. Dabei wurde von einem Sender zum anderen hin- und hergewechselt. Dies, so das BKA, spreche „gegen eine Programmierung des Aufnahmegeräts im Vorfeld“ und für eine „manuelle“ Betätigung. Offenbar habe die aufnehmende Person „gezielt nach entsprechenden Beiträgen gesucht“.
Mitschnitte auf Video und DVD
Die Mitschnitte sind laut BKA auf einem Videorekorder aufgenommen und später auf eine DVD kopiert worden, ein dafür taugliches Rekordergerät fanden Ermittler in der NSU-Wohnung. Einzelne der aufgezeichneten Passagen fanden sich auch im NSU-Bekennervideo. Die Ursprungs-DVD wurde nun nochmals ausgewertet, eine erste Analyse erfolgte bereits 2012. Die zuständige Ermittlerin soll am kommenden Donnerstag im NSU-Prozess aussagen.
Sollten sich die Ermittlungen bestätigen, wäre die Verteidigungslinie von Zschäpe erschüttert. Die 41-Jährige hatte im Münchner Prozess ausgesagt, von den angeklagten NSU-Taten – zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge – immer erst im Nachhinein erfahren zu haben. Die Taten hätten allein Mundlos und Böhnhardt geplant und ausgeführt. Dies hatte Zschäpe auch für den Kölner Anschlag behauptet, bei dem 22 Menschen verletzt wurden, einige von ihnen schwer.
Mehmet Daimagüler, einer der Opferanwälte im NSU-Prozess, sagte, mit den neuen Ermittlungsergebnissen sei die Glaubwürdigkeit Zschäpes „unter Null gesunken“. Er lobte die Nachforschungen des BKA. „Sie führen die Absurdität der Aussage von Zschäpe nochmal vor Augen, dass sie von allem nichts gewusst haben will.“ Für die NSU-Opfer sei es ein „guter Tag“, so Daimagüler, weil es eine harte Verurteilung Zschäpes weiter untermauere.
„Weiterer Sargnagel für Zschäpe“
Auch Yavuz Narin, ebenfalls Nebenklageanwalt, sprach von einem „weiteren Sargnagel für Zschäpe“. Die Angeklagte sei erneut „als schlechte Lügnerin entlarvt“ worden. Eine Verurteilung als Mittäterin des NSU ist für Narin nicht mehr abwendbar.
Zschäpes Anwalt Mathias Grasel dagegen widersprach. Die Interpretation, dass seine Mandantin die Videomitschnitte machte, sei „nicht zwingend“, sagte er am Donnerstag der taz. „Es gibt eine Vielzahl anderer Möglichkeiten.“ So hätten auch mögliche Unterstützer aus NRW oder der Zwickauer Mitangeklagte André E. die Aufzeichnungen gemacht und später Mundlos und Böhnhardt übergeben haben können.
Unter den Opferanwälten wird diese Variante angezweifelt. Diese würde bedeuten, dass es einen weiteren, vorab eingeweihten Mitwisser des Anschlag gegeben haben muss. Aber ausgerechnet Zschäpe, die Mitbewohnerin der beiden Täter, wusste nichts? „Total lebensfremd“, lautete ein Kommentar.
Zschäpe selbst will am kommenden Mittwoch nochmals Fragen der Richter im NSU-Prozess beantworten – schriftlich, von ihrem Anwalt Grasel vorgetragen. Sie dürfte jetzt noch einiges mehr zu erklären haben.
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