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Bernie Sanders bei der US-VorwahlSieg, Niederlage, hä?

Hat Bernie Sanders wirklich in New Hampshire gewonnen? Ja. Nein. Vielleicht. Parteifunktionäre geben ihre Stimme mehrheitlich Clinton.

Wohin geht die Reise und nimmt er Superdelegierte mit? Bernie Sanders bei einer Wahlkampfrede. Foto: dpa

Berlin taz | Die Nachricht kommt eigenartig daher: die Superdelegierten in New Hampshire sprechen sich mehrheitlich für Hillary Clinton aus. Obwohl Bernie Sanders 60 Prozent der Stimmen bei den Primaries auf sich vereinigen konnte, schickt er damit genau so viele Delegierte aus New Hampshire auf den Parteitag wie Hillary: 15.

Insgesamt hat Hillary sogar schon 394 Delegierte auf ihrer Seite, Wahl-„Gewinner“ Sanders lediglich popelige 44. Trotz eines Kopf-an-Kopf-Rennens in Iowa und seines deutlichen Sieges in New Hampshire. Schuld daran sind die Superdelegierten. Moment mal. Was sind eigentlich Superdelegierte und wie wird man dazu? Übermenschliche Kräfte? Gar Kryptonit?

Aber immer der Reihe nach: Die Vorwahlen dienen der Legitimation der Präsidentschaftskandidat*innen. Bevor sie zur eigentlichen Wahl antreten dürfen, müssen sie zunächst von der Parteibasis nominiert werden. Die Parteispitzen haben formal keinen Einfluss auf die Programmatik und Auswahl der Personen. Jimmy Carter, Bill Clinton und Barack Obama waren anfangs keine Kandidaten des Partei-Establishments, sie konnten sich aber in den Vorwahlen durchsetzen.

Allerdings werden die Kandidat*innen nicht direkt gewählt. Die Wähler*innen stimmen für Delegierte, die später auf den Parteitagen für einen der Kandidat*innen stimmen müssen. Grob über den Daumen gepeilt, entspricht die Delegiertenanzahl eines Staates in etwa der Bevölkerung. Um Präsidentschaftskandidat*in zu werden, braucht man die Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag. Als Demokrat sind das mindestens 2383 von 4764 Delegierten, bei den Republikanern reichen 1237 von 2472.

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Die meisten Delegierten sind als „pledged delegates“ dazu gezwungen, für ihren designierten Kandidaten zu stimmen. Darüber hinaus gibt es jedoch bei den Demokraten auch „Superdelegierte“, die nicht an ein Votum gebunden sind. Dem offiziellen Titel nach haben sie jedoch nichts mit Kryptonit am Hut und heißen „unplegded party leaders und elected officials“.

Die Superdelegierten können hohe Parteifunktionäre sein sowie aktuelle und ehemalige Mandatsträger in Amt und Würden. Es sind also Senatoren und Gouverneure, aber auch Ex-Präsidenten wie Bill Clinton oder eher unbekannte Mitglieder des Parteivorstands. Insgesamt stellen sie circa ein Sechstel der Gesamtdelegierten, 2016 sind 712 der auf dem Parteitag wahlberechtigten Demokraten Superdelegierte.

Durch ihre Unabhängigkeit können sie das Zünglein an der Waage sein, ihre Position ist deswegen auch innerhalb der demokratischen Partei umstritten. Bei den Republikanern gibt es zwar auch Superdelegierte, sie spielen jedoch eine kleinere Rolle, weil es wesentlich weniger sind.

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Der Großteil der Superdelegierten hat sich bereits öffentlich dazu bekannt, für Clinton zu stimmen. Das Parteiestablishment rechnet ihr deutlich mehr Chancen aus, die Präsidentschaftswahl für sich zu entscheiden.

In New Hampshire kommt die ehemalige First Lady mit den 38 Prozent aus den Primaries zu neun direkt gewählten Delegierten. Durch die Superdelegierten bekommt sich noch sechs dazu. Macht 15 Delegierte – genau so viele wie Bernie Sanders mit 60 Prozent der direkten Stimmen hinter sich vereinigen konnte. Zwei Superdelegierte aus New Hampshire sind immerhin unentschieden und auch diejenigen, die sich bereits für Clinton ausgesprochen haben, dürfen ihre Meinung noch ändern.

Genau darauf hoffen nun auch die Wähler von Sanders: Die finden dieses System ungerecht und haben eine Petition gestartet, die New Hampshires Superdelegierte bittet, ihre Position noch einmal zu überdenken und für den demokratischen Gewinner der Vorwahlen von New Hampshire zu stimmen. Nur zwei Tagen nach der Abstimmung hat sie bereits über 11.000 Unterschriften.

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1 Kommentar

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  • Tsss! Eine seltsame Rechnung, die "das Parteiestablishment" da aufmacht! Die eigene Erwartung scheint ihm doppelt so wichtig zu sein wie das tatsächliche Wahlverhalten derer, die sie angeblich vertreten möchten. Ist das die "Arroganz der Macht", von der manchmal die Rede ist?

     

    Die Damen und Herren (Ex-)Parteifunktionäre und (Ex-)Mandatsträger halten sich wohl was zugute auf ihre Erfahrungen. Sie pokern offenbar. Sie wetten darauf, dass Hillary Clinton, anders als Sanders, in Größenordnungen republikanische Wähler von sich überzeugen kann. Dafür riskieren sie den Frust der eigenen, offenbar sicher geglaubten Wählerschaft. Das muss nicht funktionieren.

     

    Clinton ist zwar eine Frau, aber Republikaner-Wählerinnen sind manchmal noch konservativer und verbohrter als ihre Männer (Frauen an den Herd!). Und Donald Trump als Gegenkandidat steht erstens noch nicht fest, seine Ausfälle scheinen ihn, zweitens, keineswegs unwählbar zu machen und drittens kann der Republikaner, der was auf sich hält, auch gar nicht wählen, wenn er Trump nicht mag.

     

    Da sind ne ganze Menge Unbekannte in dieser Rechnung für meinen Geschmack. Die muss also nicht aufgehen. Was allerdings passiert, wenn die Basis der Demokraten erst mal überzeugt ist, dass ihre Vorstellungen selbst dann ignoriert werden von den eigenen "Leadern", wenn sie in fairer Abstimmung deutlich zum Ausdruck gebracht worden sind, kann ich an meinen fünf Fingern abzählen. Das brauche ich nicht auszurechnen. Vor allem dann nicht, wenn die Chose schief geht. In Deutschland höre und sehe ich es Tag für Tag in allen Medien.