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Alte Post in NeuköllnFlüchtlings-Aktivisten besetzen Haus

Erneut besetzt ein linkes Bündnis ein Gebäude, um dort ein autonomes Flüchtlingszentrum einzurichten. Nach wenigen Stunden räumt die Polizei.

Da waren sie noch drin: Hausbesetzer in Neukölln. Foto: promo

Berlin taz | Das linke Bündnis „Social Center 4 All“ hat am frühen Mittwochabend ein leer stehendes Gebäude an der Neuköllner Karl-Marx-Straße besetzt. Die AktivistInnen kündigten an, in dem seit 2003 leer stehenden ehemaligen Postamt ein selbstverwaltetes soziales Zentrum einrichten zu wollen, das insbesondere Flüchtlingen offen stehen solle. Einen ähnlichen Versuch hatte es bereits im Oktober in Charlottenburg gegeben, damals waren die BesetzerInnen aber nach wenigen Stunden geräumt worden. Gegen 18 Uhr waren rund 50 UnterstützerInnen in Neukölln vor Ort.

Die Polizei hielt sich vorerst zurück: Sie war mit drei Einsatzwagen vor Ort, von einer Räumung war indes zu diesem Zeitpunkt keine Rede. Der Grund: bisher ist völlig unklar, wem das Gebäude eigentlich gehört. Gegen halb sieben räumten die Beamten dann doch.

Das eindrucksvolles Gebäude direkt an der viel befahrenen Karl-Marx-Straße wird immer wieder bei Kunstaktionen zwischengenutzt, steht aber ansonsten leer. Es liegt genau gegenüber dem ebenfalls leerstehenden einstigen C&A-Gebäude. Derzeit wird laut Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) geprüft, ob das C&A-Gebäude als Flüchtlingsunterkunft in Frage komme.

„Geflüchtete müssen in Berlin auf der Straße schlafen, während leerstehende Gebäude zu Spekulationsobjekten werden“, sagte Marcus Staiger, Sprecher des Bündnisses „Social Center 4 All“. Auch zwei Geflüchtete unterstützten die Besetzung. Sie hätten zwar Hostelgutscheine des Lageso, berichteten sie der taz. Diese seien jedoch wertlos, weil keine Unterkunft sie mehr akzeptieren würde, weil das Amt nicht mit der Bezahlung hinterherkäme. Sie fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen.

Die Initiative „Moabit hilft“ erklärte am Mittwochabend den BesetzerInnen in einer Videobotschaft ihre Unterstützung.

Bereits im Oktober hatten die AktivistInnen ein ehemaliges Gebäude der Technischen Universität in Charlottenburg besetzt. Damals räumte die Polizei nach wenigen Stunden.

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1 Kommentar

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  • Menschen im (deutschen) Staat zahlen Steuern auch für die staatliche Absicherung und Verteidigung dessen Monopole. Und Staat-über-alles ist der Kompass allen Sozialautismus (geworden) und der (monopol- und auch sonst) bewaffnete (jeweilige Regional-) Arm der Neoliberalen Weltfürsten.

    Völlig egal also, dass Staat den Flüchtlingen kaum was Konkretes/Funktionierendes bietet. Zu deren Integration oder auch nur Menschenrechten.

    Und wenn sich dann ein paar Menschen („BürgerInnen“/“SteuerzahlerInnen“) zusammentun, weil sie meinen es ganz hands-on-grassroots – yes, we can! – und ohne so deutsch“tugend“typischer Obrigkeitshasenstarre tun zu können (woran Staat scheinbar wollentlich und also chronisch versagt), dann werden bewaffnete Einheiten, zwangsbezahlt auch von ebendiesen mitdenkenden und –handelnden Mutigen, auf sie losgeschickt und dem „Spuk“ ein Ende gesetzt.

    Denn unser Monopol ist uns sakrossankt. Sonst hätten wir ja gleich – um Gottes Willen! – Anarchie, oder was?!

    Aus transatlantischer Ferne, obschon vor zwei Möndinnen noch zu Besuch in Neu-Kölln, ziehe ich den Moralhut vor jenen Menschen, die da handelten (ich meine NICHT die Uniformierten BefehlsausführerInnen).

    Und den grossen Rest „der Unbeteiligten“ kann ich nur warnen: Mit dem Kopf im Sand werdet Ihr „Euren“ Staat nur zu immer präpotenteren/kriminelleren Handlungen animieren. Ich weiss wovon ich spreche. „Meiner“ – Brasilien – ist „Eurem“ da schon Meilenschritte voraus...