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Asylkompromiss im ParlamentAufruf zur Revolte

Verfechter von Rot-Rot-Grün fordern, das Gesetzespaket abzulehnen. Die Linksregierung in Thüringen ist sich derweil uneinig.

Keine Kompromisse: Das Institut Solidarische Moderne lehnt Verschärfungen im Asylrecht ab Foto: dpa

Berlin taz | In einem gemeinsamen Papier wenden sich Politiker aus SPD, Grünen und Linkspartei gegen den Asylkompromiss zwischen Bund und Ländern. „Wir fordern all jene, die darüber entscheiden werden, auf, diese Vereinbarung nicht wirksam werden zu lassen“, heißt es in einem Debattenbeitrag der Denkfabrik Institut Solidarische Moderne (ISM).

Insbesondere fordere das Institut „Amts- und Mandatsträger_innen der SPD, der Grünen und der Linken auf, das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten abzulehnen.“

Der Appell ist durch den Vorstand des ISM unterzeichnet. Neben Linkspartei-Chefin Katja Kipping sitzen dort Vertreter der linken Flügel von SPD und Grünen, so zum Beispiel die Sozialdemokratinnen Andrea Ypsilanti und Hilde Mattheis. Der Thinktank wurde im Jahr 2010 gegründet, seine Mitglieder gelten als Vordenker rot-rot-grüner Bündnisse.

Reihe von Verschärfungen

Der Asylkompromiss, den der ISM in seinem Papier kritisiert, soll in der kommenden Woche durch Bundestag und Bundesrat gehen. Das Gesetzespaket enthält eine Reihe von Asylrechtsverschärfungen. So sollen Geldzahlungen an Asylbewerber zum Teil durch Sachleistungen ersetzt werden. Zudem werden Abschiebungen erleichtert und drei weitere Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt.

Das ISM nennt die geplanten Maßnahmen einen „Schlag ins Gesicht für all die solidarischen Menschen, für die lokalen Initiativen und die Fluchthelfer_innen“. Das Engagement der Zivilgesellschaft sei eine „historische Chance für einen gesellschaftlichen Aufbruch“. Statt diese Chance zu nutzen, sendeten die Verantwortlichen für den Asylkompromiss allerdings eine „Grußadresse an das rechte und dumpf-braune Lager“.

Während der ISM-Vorstand mit seinem Papier Eintracht zeigt, spaltet der Asylkompromiss allerdings die Koalition in Thüringen, dem Vorzeigeland der Rot-Rot-Grün-Anhänger.

Thüringen gespalten

Wie das Bundesland im Bundesrat abstimmen wird, ist noch unklar. Die Linkspartei in Thüringen lehnt den Asylkompromiss ab, die Grünen sind eher gespalten, die SPD dagegen wirbt geschlossen für eine Zustimmung. Die Kreisvorsitzenden der Thüringer Sozialdemokraten drohen laut MDR sogar mit dem Bruch der Koalition.

In einer am Mittwoch einstimmig beschlossenen Resolutionen heißt es demnach, der Asylkompromiss sei das „fair ausgehandelte Gebot der Stunde“. Man fordere die Landesregierung daher „unmissverständlich“ dazu auf, im Bundesrat zuzustimmen.

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3 Kommentare

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  • Ich höre immer und immer wieder, "alle" aufnehmen geht nicht? Alle? Gerade einmal ca. 2,5% der gesamten Flüchtlinge von ca. 60 Millionen Flüchtlinge weltweit sind alle?

     

    Solange der Westen mit gerade einmal 10% der Weltbevölkerung den Rest der Welt als seine Kolonien betrachtet und auch so behandelt, braucht sich im Westen niemand über Flüchtlinge oder Terrorlisten beschweren.

     

    Die weltweiten Konflikte welche überwiegend auf die aggressive Außenpolitik des Westens zurückzuführen waren und sind, müssen endlich beendet werden.

     

    Wer auf Grund von Lügen, Völkerrechtswidrige Kriege beginnt, Drohnen einsetzt, foltert und entführt, Landgrapping sprich Landraub, Destabilisierung von Ländern betreibt, einseitige Handelsabkommen schließt , Waffenlieferungen an Despoten die Privatisierung von Wasser durch groß Konzerne des Westens, oder Saatgut und vieles mehr im Westen als "normal" ansieht, kann doch nicht allen ernstes sich dann darüber beschweren, dass die betroffenen Menschen vor soviel Menschenverachtung fliehen?

     

    Da aber der Mainstream im Westen, schon seit Jahrzehnten, indoktriniert "wir sind die Guten" kommt im Westen so gut wie niemand auf die Idee, bei sich anzufangen. Deshalb ist man nicht nur erstaunt, sondern empört sich über Flüchtlinge?

     

    Wir im Westen sind eben nicht, auf Grund unserer besonderen "Weisheit" oder weil der Westen besonders fleißig war und ist, den anderen Kulturen weltweit überlegen, sondern wir haben schon seit Jahrhunderten, in erster Linie durch Ausbeutung und schlimmeres, die Menschenrechte anderer Kulturen mit Füßen getreten, wenn es den Interessen des Westens diente. DER WESTEN ist für mich ein Imperium der Schande, so wie es Jean Ziegler sehr treffend beschreibt.

  • Das Thema "sichere Herkunftsstaaten" in Verbindung mir "Wirtschaftsflüchtlingen" entwickelt sich zu einem eigenständigen Superproblem.

    Wirtschaftsflüchtlinge sind keine politischen Flüchtlinge, denn sie werden nicht politisch verfolgt. Dennoch gibt es sog. Wirtschaftsflüchtlinge, die quasi einer Dauerverfolgung ausgesetzt sind. Die Verfolger sind Internationale Konzerne, durch deren Treiben Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt werden und dann entweder mittellos sind oder zu einem Hungerlohn Sklavenarbeit verrichten müssen. Wie geht man mit solchen Flüchtlingen um, die von solchen Konzernen um den Zugang zu brauchbarem Trinkwasser oder um ihren Acker beraubt wurden und nur die Wahl haben, zu fliehen oder umzukommen? Verschmilzt in solchen Fällen nicht das Politische mit dem Wirtschaftlichen?

    Doch alle aufnehmen geht auch nicht, weil sonst leicht das Elend importiert werden könnte. Es bleibt somit ein vielleicht unlösbares Problem.

  • Die SPD in Thüringen zeigt damit wieder eindrucksvoll, warum sie für wirkliche Linke und sozialdemokratische Menschen unwählbar ist. Und auch die Grünen sollten sich endlich mal entscheiden, welchen Weg sie in Zukunft gehen möchten.