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Befristete Stellen im FamilienministeriumZeitverträge als Anti-Babypille

Das Bundesfamilienministerium stellt Wissenschaftler am liebsten befristet ein. Dabei will die Bundesregierung weg von den Zeitverträgen.

Alles nur Show? Bei der Vertragsvergabe ist Frau Schwesig nicht so kinderfreundlich, wie sie sich gibt. Foto: dpa

BERLIN taz | Die Anzeige klingt, als brauche Manuela Schwesig (SPD) einen ganzen Schwung neuer MitarbeiterInnen: Das Familienministerium sucht derzeit Sozial- und WirtschaftswissenschaftlerInnen „für verschiedene Bereiche des Hauses“, darunter für Familie, Gleichstellung, Kinder, Jugend.

Gefragt sind gute Noten, Fremdsprachenkenntnisse und die Bereitschaft zu Dienstreisen. Eines sollten die BewerberInnen aber besser nicht haben: Kinderwunsch. Denn die ausgeschriebenen Stellen sind auf zwei Jahre befristet.

Laut Daten des Statistischen Bundesamtes hatten im vergangenen Jahr 431.895 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes Zeitverträge. Im Familienministerium ist der Anteil der befristet Beschäftigten zwischen 2004 und 2013 rasant gestiegen: von 1,2 auf 18,6 Prozent, wie eine Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag ergab. 2013 wurden mehr als 90 Prozent aller neuen Verträge befristet abgeschlossen. Damit gehört das Familienministerium zu den Spitzenreitern unter den befristenden Bundesministerien.

Eine zeitliche Befristung von bis zu zwei Jahren ist gesetzlich gestattet, ohne dass dafür ein sachlicher Grund angegeben werden muss. Das ist aber nur zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber in den vergangenen drei Jahren kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. In diesem Fall bedeutet das: Werden die Verträge nicht entfristet, sind die WissenschaftlerInnen für die nächsten drei darauf folgenden Jahre für den Dienst bei Bundesbehörden gesperrt und müssen sich ein anderes Arbeitsfeld suchen.

Verhütung durch Befristung

Der Personalrat im Familienministerium ist nicht begeistert. „Befristungen sind meistens eine Notlösung“, sagt Bernhard Schmidt, Chef des Hauptpersonalrats in Schwesigs Ministerium. So müssten die Ministerien bei erhöhtem Arbeitsbedarf mit befristeten Stellen aufstocken. Die Schuld dafür liege weniger bei den einzelnen Verwaltungen oder MinisterInnen, sondern beim Haushaltsgesetzgeber, der nicht genügend Planstellen bewillige. Welchen Grund die Befristung im Fall des Familienministeriums hat, ist unklar. Das Haus äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht.

Befristungen sind meistens eine Notlösung

Bernhard Schmidt, Personalrat

Aus politischer Sicht ist die Ausschreibung ein schlechtes Signal. Schließlich zeigt sich die Bundesregierung neuerdings verständnisvoll gegenüber NachwuchswissenschaftlerInnen. Mit der kürzlich beschlossenen Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes will sie jungen AkademikerInnen „bessere Planbarkeit und Verlässlichkeit“ ermöglichen.

Das scheint das Familienministerium dann doch nicht so ernst zu nehmen. Dabei hatte ausgerechnet Schwesig vor einem Jahr Zeitverträge für die niedrige Geburtenrate in Deutschland verantwortlich gemacht: „Befristete Jobs wirken wie die Anti-Baby-Pille.“

Wer gerne auf diese Art verhütet, muss sich beeilen: Die Bewerbungsfrist läuft am Freitag ab.

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1 Kommentar

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  • Die Ostdeutschen, fast alle (wenn auch nicht immer ganz freiwillig) politisch bestens unterrichtet, hatten da früher diesen Spruch: Die Theorie ist Marx und super. Die Praxis leider eher Murx und nicht so toll.

     

    Für die Familienförderung und überhaupt in der Bundespolitik scheint dieser Spruch nicht weniger zu gelten, als im angeblich real existiert habenden Staatssozialismus. Sieht also aus, als hätte das Phänomen weniger mit irgendwelchen Theorien zu tun, als vielmehr mit bestimmten Leuten, die nicht fähig oder nicht willens sind sie praktisch umzusetzen – oder sich ganz offiziell von ihnen zu verabschieden.

     

    Ehrlichkeit ist offenbar nichts, was Menschen leisten, die es an die Spitze schaffen und sich da eine Weile halten können. Ich finde es ausgesprochen schade (und vergleichsweise gefährlich), dass so viele von uns sich damit schon abgefunden zu haben scheinen.