Unabhängiger Journalismus in Kuba: „Ich glaube nicht an eine Öffnung“
Im Internet ließe sich Kritik an der Regierung von Raúl Castro üben, sagt die Journalistin Elaine Díaz. Viel sei das nicht, aber immerhin.
taz: Frau Díaz, auf Ihrem Blog Periodismo de Barrio verpflichten Sie sich zu „gutem, unabhängigem und fairem Journalismus“. Wie unabhängig kann Journalismus auf Kuba denn heutzutage sein?
Elaine Díaz: Das hängt davon ab, wie viele Risiken die Journalisten einzugehen bereit sind, wie verpflichtet sie sich ihrem journalistischen Auftrag fühlen. Aber das geht. Periodismo del Barrio ist frei geboren, unabhängig von jeder politischen oder ökonomischen Einflussnahme, allerdings, das schon, mit einer ungewissen Zukunft. Unsere Redaktion besteht aus fünf Leuten, in zwei Wochen geht die Webseite online. Sie beschäftigt sich mit Naturkatastrophen und deren Langzeitfolgen auf Kuba. Die Einzigen, denen wir uns verpflichtet fühlen, sind die Leute, über die wir berichten.
Aber laut Artikel 53 der kubanischen Verfassung stehen alle Medien unter staatlicher Kontrolle.
Nur Fernsehen, Radio und Zeitungen. Das Gesetz wurde geschrieben, bevor das Internet nach Kuba kam. Deswegen konnten sich in den letzten Jahren einige Blogs etablieren, auch regierungskritische. Sie registrieren ihre Webseite im Ausland und tun so, als seien sie Korrespondenten dieses ausländischen Medienbetriebs. Das ist absurd, aber es funktioniert.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Kuba auf Platz 169 von 180, hinter dem Irak, Libyen und Ägypten. Demnach dürften es regierungskritische Journalisten auch im Internet nicht leicht haben.Das stimmt. Ich kenne einige Fälle von Bloggern, die im Gefängnis saßen, verfolgt oder bedroht wurden. Mir selbst ist das noch nie passiert. Ich habe 2008 angefangen zu bloggen, damals auch über Politik und Gesellschaft. Es kam schon vor, dass mein Boss oder mein Professor aus der Uni anrief und sagte: „Das solltest du so nicht schreiben“ oder: „Bitte lösch diesen Eintrag.“ Darauf habe ich nie gehört und hatte Glück. Freunde von mir haben wegen kritischer Einträge ihren Job verloren.
Was hat sich für Journalisten geändert seit der Annäherung mit den USA?
Gar nichts. Ich denke, die Medien werden der letzte Bereich sein, den die Regierung öffnet. Sie wollen das Monopol auf Meinungsbildung und die Verbreitung ihrer Ideologie behalten, deswegen halten sie an den Staatsmedien fest. An die große Öffnung der kubanischen Presse glaube ich sowieso nicht. Ich glaube eher, dass immer mehr Räume entstehen werden, in denen unabhängige Journalisten publizieren können.
Passiert das schon?
29, ist eine von zehn kubanischen JournalistInnen, die mithilfe der taz Panter Stiftung derzeit einen Workshop in Berlin machen. Sie betreibt den Blog Periodismo de Barrio und diskutiert heute um 19.30 Uhr im taz Café über Pressefreiheit auf Kuba.
Ganz langsam. Seit etwa einem Jahr toleriert der Staat immer mehr private Medieninititiaven. So fangen kleine Redaktionen an, dünne Zeitungen oder Blättchen herauszugeben. Die meisten beschäftigen sich mit Sport, Stars, Musik und Restaurants. Oppositionelle oder politische Medienmacher sind aber nicht darunter.
Was hat sich für Sie persönlich geändert?
Die Einstellung zu meiner Arbeit: Wenn meine Regierung mit der US-Regierung verhandelt, dann habe ich auch das Recht, ein Medium zu gründen und Geld von ausländischen NGOs zu nehmen. Das können sie mir nicht mehr verbieten.
Aber die Verbreitung wird schwer: Nur 5 Prozent der Kubaner haben Zugang zum Internet. Wie wollen Sie Ihren Blog bekannt machen?
Es stimmt, dass sich nur reiche Kubaner Internet leisten können. Eine Stunde im Internetcafé kostet 2 Dollar – und das bei einem Durchschnittslohn von monatlich 25 Dollar. Öffentliches Wifi gibt es so gut wie nicht. Auf Kuba haben sich deshalb die sogenannten Paquetes semanal etabliert. Da laden Leute jede Woche Inhalte aus dem Internet, also Fernsehserien, Apps, Spiele und Nachrichten auf Festplatten, die man gegen eine Gebühr ausleihen kann. Ich bekomme mein Paquete immer sonntags für 1 Dollar bei mir im Viertel. Ich bin gerade dabei, mit den Verkäufern der Paquetes zu verhandeln: Wenn sie die neuesten Einträge unserer Webseite jede Woche auf die Paquetes laden, dann werden wir schnell bekannt. Das bedeutet allerdings, dass wir überlegen müssen, wie wir uns auf den Paquetes präsentieren. Bei uns heißt es deshalb nicht „mobile first“, sondern „paquetes first“.
Das heißt, Sie sehen in den Paquetes eher die Zukunft?
Nein, aber ich glaube, es wird lange dauern, bis das Internet günstiger und leichter verfügbar wird. Der Staat hat ja auch Interesse daran, den Ausbau zu verhindern. Die sozialen Netzwerke sind in den vergangenen Jahren immer wichtiger für unsere Meinungsbildung geworden. Seit 2008 gibt es Facebook auf Kuba – das hat viel verändert. Am Anfang hatten die Leute dort noch Profile mit Pseudonymen, um über Politik zu diskutieren. Heute tun sie das mit ihrem Klarnamen.
Beobachten Sie so eine Lockerung bei dem, was staatliche Journalisten schreiben?
Nicht direkt in den Zeitungen oder Sendern. Aber ich kann Ihnen ein Beispiel erzählen: Wir haben mit unserer Gruppe hier in Berlin den Bundestag besucht und gesehen, wie einige Abgeordnete mit dem Fahrrad zur Arbeit kamen. Wir haben das alle fotografiert und bei Facebook hochgeladen. Selbst meine Kollegen, die für staatliche Medien arbeiten, haben dazu geschrieben: „Ich wünschte, unsere Abgeordneten würden mit dem Rad zur Arbeit kommen.“ Selbst eine solch harmlose Aussage hätte sich vor vier Jahren noch niemand getraut.
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