Ungarns Grenzzaun gegen Flüchtlinge: Nur Rotwild bleibt hängen
Ungarn baut einen Zaun an der Grenze zu Serbien. Seitdem dies angekündigt wurde, reisen dreimal so viele Flüchtlinge ein wie zuvor.
Von der „Ungarischen Mauer“, wie der Schutzwall in manchen Medien getauft wurde, erhofft man sich in Budapest die Eindämmung des Flüchtlings- und Migrationsstroms über die „Westbalkan-Route“. Bisher wurde das Gegenteil erreicht: Die Anzahl der Schutzsuchenden hat sich seit der Ankündigung des Zaunbaus von 600 auf rund 1.800 Menschen täglich verdreifacht.
Mehrere hundert Meter stehen bereits. Allerdings bisher nur in Gestalt von drei Rollen Nato-Draht übereinander. Abgehalten wurde vom nicht einmal mannshohen Verhau bisher nur das Rotwild. Zahlreiche Tiere, die gegen die messerscharfen Stachel rannten, sind dort hilflos verblutetet.
Trotzdem tun die Grenzbeamten inzwischen Dienst, als wäre der Zaun schon fertig. Wärmebildkameras verraten ihnen, wo wieder eine Gruppe die Grenze überschritten hat. Die Eindringlinge werden gestellt und in Lager gebracht, wo sie registriert werden sollen. Viele wollen darauf aber nicht warten. Bei der ersten Gelegenheit setzen sie sich nach Österreich ab, um dann nach Deutschland oder in andere Staaten weiterzureisen. In Zukunft sollen jene Flüchtlinge, die das Hindernis überwinden, hinter Stacheldraht interniert werden.
Regierungssprecher Zoltán Kovács kündigte die Fertigstellung des Zauns bis Ende August an. Der bisherige Baufortschritt lässt das als Wunschdenken erscheinen, obwohl Sozialhilfeempfänger und Billigstarbeiter der kommunalen Beschäftigungsprogramme für den Bau rekrutiert wurden. Die ursprünglich veranschlagten Kosten von knapp 21 Millionen Euro wurden inzwischen um 50 Prozent höher angesetzt. Nach „genaueren Schätzungen“, wie Kovács erklärte. Andere gehen eher von 80 Millionen aus.
Die Strecke über Mazedonien und Serbien/Ungarn ist derzeit der schnellste Weg in die EU. Ungarn hat allerdings auch lange Grenzen zu Rumänien und Kroatien. Und niemand zweifelt daran, dass die Schlepper neue Routen finden werden, bevor die Regierung in Budapest darauf eine angemessene Antwort gefunden hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind