Nach der Parlamentswahl in der Türkei: Erdogan droht mit Neuwahl
Die AKP kann nicht mehr alleine regieren – aber auch die Koalitionsbildung fällt schwer. Nun macht Präsident Erdogan, der Hauptverlierer der Wahl, Druck.
„Aber wenn die Politiker nicht in der Lage sind, das zu lösen, dann bleibt nur noch das Volk, um dies zu lösen“, erklärte Erdogan mit Blick auf Neuwahlen. Als Präsident kann er laut Verfassung das Parlament auflösen und Neuwahlen veranlassen, wenn eine Regierungsbildung nicht binnen anderthalb Monaten gelingt.
Nach 13 Jahren Alleinherrschaft hatte Erdogans islamisch-konservative AKP bei der Parlamentswahl am 7. Juni ihre absolute Mehrheit verloren. Im Parlament stellt sie künftig nur noch 258 von 550 Abgeordneten, die neue Volksvertretung tritt am Dienstag zusammen. Danach dürfte Erdogan die AKP mit der Bildung einer Regierung beauftragen. Sollte ihr dies nicht binnen 45 Tagen gelingen, kann der Staatschef das Parlament auflösen.
Bislang lehnten die drei Oppositionsparteien im türkischen Parlament ein Regierungsbündnis mit der AKP ab. Am kommenden Dienstag tritt das neue türkische Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, wie die Oberste Wahlbehörde (YSK) am Donnerstag in Ankara mitteilte.
Mit dem Wahlergebnis von etwa 13 Prozent gelang es der prokurdischen HDP erstmals, ins Parlament einzuziehen. Die AKP verlor in diesem Zuge nicht nur die absolute Mehrheit – sie ist nun weit entfernt von einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit. Erdogan wollte die Wahl zu einem Plebiszit für einen Systemwechsel machen. Das bisherige parlamentarischen System sollte durch eine Präsidialsystem ersetzt werden, dasalle Macht in seiner Hand versammelt hätte.
Erdogan warnte vor negativen außenpolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer möglichen Hängepartie. „Umgeben von einem Feuerring“ müsse die Türkei stark bleiben, um „Schaden zu verhindern und ihren Brüdern zu helfen“, erklärte der Staatschef mit Blick auf die Krisen in den Nachbarländern Syrien und Irak.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen