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Volksbegehren für mehr Schule„Wer darf unterrichten?“

Eine Initiative will ein Volksbegehren für Unterrichtsgarantie auf den Weg bringen. Initiator Florian Bublys kontert die Kritik der Lehrergewerkschaft.

Dass viel zu viel Unterricht ausfällt, wissen alle. Nur: Was tun dagegen? Bild: dpa
Anna Klöpper
Interview von Anna Klöpper

taz: Herr Bublys, Sie sind einer der Mitinitatoren des Volksbegehrens Unterrichtsgarantie. Das fordert: Zehn Prozent Vertretungsreserve an Fachlehrern für jede Schule. Haben Sie schon Hassmails von Schülern bekommen?

Florian Bublys: Nein, im Gegenteil. Insbesondere die Schüler, die jetzt in den Abiturprüfungen sind, wissen sehr genau: Jede Stunde, die ausfällt, geht zu Lasten einer guten Prüfungsvorbereitung. Im Übrigen gehört ja auch der Landesschülerausschuss zu den Unterstützern unserer Initiative.

Der Senat sagt: Lediglich zwei Prozent des Unterrichts fällt wirklich aus, weitere acht Prozent finden als Vertretungsunterricht statt. Klingt doch gar nicht so dramatisch.

Die Frage ist aber: Wie wird vertreten? Und da kommen wir auf 1,2 Millionen Stunden im Schuljahr, die den Namen Vertretungsunterricht nicht verdienen. Da werden Teilungsstunden für Förderunterricht mit dem normalen Unterricht zusammengelegt. Oder Oberstufenschüler sollen sich Aufgaben im Sekretariat abholen. Das hat mit pädagogischer Sinnhaftigkeit nichts zu tun.

Unterrichtsausfall ist ein Dauerthema. Warum ausgerechnet jetzt das Volksbegehren?

Politik ist ja auch immer die Frage des richtigen Zeitpunkts. Mit Sicherheit wird im nahenden Wahlkampf wieder erklärt werden, wie wichtig Investitionen in Bildung sind – da hoffen wir natürlich auch auf Aufmerksamkeit für uns.

Im Interview: Florian Bublys

Jahrgang 1977, ist Lehrer am Gymnasium, Vorsitzender von Bildet Berlin! e.V. und Mitinitiator von "100 % Unterricht - Volksbegehren Unterrichtsgarantie".

SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres hat bereits gesagt: super Anliegen. Aber wenn man mehr Lehrer einstelle, würden die zum Beispiel für Förderunterricht eingesetzt – und wieder wäre die Vertretungsreserve weg.

Der Senat muss bei der Umsetzung des Volksbegehrens natürlich dafür Sorge tragen, dass genau das nicht passiert – und die Vertretungsreserve beispielsweise nicht dazu benutzt wird, kleinere Klassengrößen herbeizuführen oder Förderunterricht zu ermöglichen.

Volksbegehren: so geht's

Die erste Hürde: Innerhalb von sechs Monaten müssen mindestens 20.000 Unterschriften gesammelt werden. Dann darf beim Senat ein Antrag auf Volksbegehren gestellt werden. In dieser Phase befindet sich auch das Volksbegehren Unterrichtsgarantie.

Die Prüfungsphase: Die Bezirksämter kontrollieren die Gültigkeit der Unterschriften, der Senat entscheidet über die rechtliche Zulässigkeit. Das Abgeordnetenhaus berät über die Vorlage - und kann sie in ihrem "wesentlichen Bestand" annehmen.

Die zweite Hürde: Lehnt das Parlament die Vorlage ab, müssen in vier Monaten sieben Prozent der Wahlberechtigten für das Begehren unterschreiben. Lehnt das Parlament den Gesetztestext erneut ab, kommt - der Volksentscheid. (akl)

Ausgerechnet von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kommt Kritik an Ihren Forderungen: Es sein nicht der richtige Weg, eine Unterrichtsgarantie gesetzlich regeln zu wollen.

Da hat die GEW leider den Gesetzestext nicht richtig gelesen. Wir fordern ja nicht, dass keine Schulstunde mehr ausfällt. Wir wollen vielmehr erreichen, dass definiert wird, wer an einer Schule unterrichten darf. Dazu wollen wir im Schulgesetz den Begriff der Fachlehrkraft einführen. Wir geben aber die Hoffung nicht auf, die GEW doch noch überzeugen zu können, unsere Forderungen zu unterstützen.

Die GEW befürchtet auch, dass die Senatsbildungsverwaltung im Falle eines erfolgreichen Volksentscheids zum Beispiel einfach das Stundenvolumen der Lehrkräfte hochsetzen könnte – und so rein rechnerisch Ihren Forderungen Genüge getan wäre.

Das wäre ganz einfach politischer Selbstmord. Im Übrigen hat die Senatsverwaltung selbst ausgerechnet, dass man für eine zehnprozentige Vertretungsreserve 2.700 zusätzliche Lehrkräfte bräuchte. Wenn unser Volksbegehren erfolgreich ist, geben wir Senatorin Scheeres das beste Argument an die Hand, sich in den Haushaltsverhandlungen genau dafür einzusetzen.

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4 Kommentare

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  • Muss das so sein in einem Interview? Ich meine: Muss die taz ihre Interviewzeit so knapp halten, dass ein Lehrer, der ein Volksbegehren anschieben will, in Panik geraten und alle Probleme in einen großen Topf kippen muss, damit nur ja keines vergessen wird? Das tut der Sache nicht besonders gut, oder?

     

    Eine Unterrichtsgarantie ist meiner Meinung nach nur dann sinnvoll, wenn der Unterricht selbst Sinn ergibt. Bei Lesen habe ich mich beispielsweise gefragt, ob die Prüfungsvorbereitung der Oberstufenschüler und die Teilungsstunden im Zuge des Förderunterrichts wirklich gleich behandelt werden sollten. Eine gute Prüfungsvorbereitung setzt meiner Ansicht nach nicht unbedingt die Anwesenheit eines Lehrers voraus. Eine gute Förderung hingegen schon.

     

    Oberstufenschüler könnten, wenn man unter einer "guten Prüfungsvorbereitung" nicht nur stumpfes Auswendiglernen bestimmter Inhalte und Formen versteht, durchaus im Selbststudium erfolgen. Im Betrieb und an der Uni muss der Absolvent ja schließlich auch ganz oft alleine denken. In der Schule sollte er das ohnehin lernen. Warum also nicht im „Ernstfall“? Fragen, die sich beim selbständigen Lösung von Aufgaben ergeben, könnten ja beantwortet werden, wenn der Lehrer wieder da ist. Vorausgesetzt, das „System“ verlangt dann nicht von allen, dass sie doppelt so viel pauken.

     

    Mit den Teilungsstunden ist das anders, denke ich. Im Grundsatz geht es dabei darum, das selbständige Denken und Arbeiten erste einmal zu lernen in der intensiven Lehrer-Schüler-Interaktion. Fallen solche Stunden aus, weil Lehrer „springen“ müssen (womöglich gar in völlig fremde Fächer), gibt es in der Oberstufe jene Selbständigkeit nicht, die angeblich allenthalben händeringend gesucht wird. Dann bleibt nur das stupide Büffeln im Rhythmus eines in regelmäßigen Abständen auf den Katheder sausenden Rohrstocks.

  • Hatten denn die Berliner Lehrerinnen nicht sage und schreibe durchschnittlich 39 Fehltage im letzten (Schul-) Jahr?

    Bei 38 Unterrichtswochen sind das -man glaubt es kaum- über 20 Prozent.

    Vielleicht sollte man die Damen und Herren Lehrkörper zu etwas mehr Gesunderhaltung motivieren?

    • @Saccharomyces cerevisiae:

      Im sogenannten Vorabendprogramm des deutschen Fernsehens sind vor Kurzem in einer Art "Bildungsfernsehen für Bildungsferne" Jobs vorgestellt worden, bei denen man 50% oder 60% seiner Arbeitszeit im Pausenraum verbringt. Der Sender hat offenbar darauf gesetzt, dass nackte Zahlen Neid auslösen können – und dieser Neid unterhaltsam demontiert werden kann.

       

      Die staunende Zuhörerschaft, jedenfalls, hat im Verlauf der Sendung erfahren, dass die verbleibenden 40-50% Arbeitszeit dermaßen anstrengend sind, dass die besondere Zeiteinteilung durchaus ihre Gründe hat - eben die erhoffte bzw. geforderte "Gesunderhaltung" der Beschäftigten. Die Rede war von Leuten, die Asbest aus Wohnungen entfernen, an Hochöfen kochenden Stahl abstechen oder in Kühlhäusern Elektrogeräte reparieren. Allesamt waren diese "Helden der Arbeit" männlich und mit besonderen Körperkräften ausgestattet. LehrerInnen aus Berliner "Problemkiezen" wurden nicht vorgestellt an jenem Abend.

       

      Wieso nicht? Keine Ahnung. Vermutlich, weil Kopfarbeit, besonders wenn sie von Frauen bewältigt wird, grundsätzlich als nicht anstrengend gilt. Was sie nicht ist, wie die vielen Fehltage des sogenannten Lehrkörpers zeigen. Was meinen Sie, verehrteR S.C., sollte man den Damen und Herren Kuktusministern vielleicht zu etwas mehr mehr Bildungsfernsehen raten? Sie könnten ja fürs erste mit Pro7 und RTL beginnen...

      • @mowgli:

        Vielleicht, sollte der/die Mowgli einmal genauer auf das Berufsbild Lehrer/In schauen:

        Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer mit 40-StundenWoche arbeitet im Jahr

        (ca.) 230 Tage à 8 Stunden also 1840 Stunden.

        Eine Lehrkraft unterrichtet 38 Wochen à 28 (Grundschule) oder 26 (Gymnasium) Unterrichtseinheiten (45 Minuten) also Netto 798 Stunden bzw. 741 Stunden. Die "restliche" Zeit dient der Vor- und Nachbereitung, dem Korrigieren, und ist "Kooperationszeit". Dass da noch 8 Wochen "Erholungsurlaub" dazukommen müssen erschließt sich mir nicht.