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UNO-Bericht zu Rassismus in DeutschlandNachhilfe für Polizisten und Richter

Der Bericht sieht Fremdenfeindlichkeit als gesellschaftliches Problem in Deutschland. Behörden bräuchten antirassistische Schulungen.

Schöne Geste, aber das reicht nicht, Deutschland: Teilnehmer einer Kundgebung gegen Rassismus reichen sich die Hände Bild: dpa

BERLIN taz | Die Vereinten Nationen fordern verbindliche Trainings für Polizei, Richter und Staatsanwälte in Deutschland, damit diese „rassistische Vorstellungen erkennen“. Die Empfehlung ist Teil des Abschlussberichts des Antirassismus-Ausschusses der UN zu Deutschland (pdf), der jetzt in Genf vorgestellt wurde. Damit sollen Konsequenz aus dem NSU-Skandal und der wachsenden Zahl fremdenfeindlicher Übergriffe gezogen werden.

Die Polizei und Justizbeamten müssten geschult werden, um „Verständnis für den Begriff der Rassendiskriminierung“ zu bekommen, zu lernen, wie man diese bekämpft und gegebenenfalls bestraft, heißt es in dem Dokument. Nötig sei auch die Schaffung unabhängiger Instanzen im Bund sowie in den Ländern, bei denen Beschwerden gegen Diskriminierung durch Polizisten und andere Sicherheitskräfte vorgebracht werden können.

„Der Ausschuss ist sehr besorgt über die Zunahme und Ausbreitung rassistischen Gedankenguts durch gewisse politische Parteien und Bewegungen“, heißt es weiter – ohne allerdings zu benennen, wer konkret gemeint sei. Die UN beklagen die Diskriminierung von Minderheiten auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, anti-muslimische Ausfälle von Politikern und Gewalt gegen Asylbewerber. In Deutschland mangele es an „effizienten Maßnahmen zur Bestrafung und Unterbindung entsprechender Reden und Verhaltensweisen“.

Das Gremium unter Vorsitz des Menschenrechtlers José Francisco Cali Tzay aus Guatemala hatte geprüft, ob und wie Deutschland die Antirassismus-Konvention der UN umsetzt. Deutschland muss sich wie alle anderen Vertragsstaaten einer regelmäßigen Kontrolle unterziehen. Empfehlungen des Gremiums sind nicht bindend.

Mängel in der Gesundheitsversorgung

Anfang Mai waren Regierungsvertreter dazu in Genf angehört worden. Dabei hatten sie eingeräumt, dass Diskriminierung und rassistische Vorurteile „in allen Teilen der Gesellschaft“ anzutreffen seien. Der Kampf dagegen solle intensiviert und wo nötig auch stärker mit strafrechtlicher Verfolgung geführt werden.

In seinem „Concluding Remarks“ genannten Abschlussbericht kritisierten die UN-Experten jetzt auch die Versorgung von Asylbewerbern und Migranten. Ihnen müsse ungehinderter Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung gewährt werden. Asylsuchende haben in Deutschland nur Anspruch auf eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung.

Weiter listen die Experten einige der verheerenden Pannen bei der Aufklärung der Mordserie durch die Terrorgruppe NSU auf. Auch sehen die Prüfer die deutschen Politiker und Behörden beim Schutz der Sinti und Roma in der Pflicht. Deshalb fordern sie die Einführung eines Gedenktages für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma. Die Angehörigen dieser Minderheit seien immer wieder Opfer von Rassismus.

Zudem verlangen die Fachleute von der Bundespolizei, das sogenannte Racial Profiling einzustellen. Polizisten untersuchten bei Personenkontrollen häufig gezielt Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe, kritisierte der Ausschuss.

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4 Kommentare

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  • "Empfehlungen des Gremiums sind nicht bindend."

     

    Das ist für unsere Politiker der wohl wichtigste, befreiende und springende Punkt - und gleichzeitig für die Betroffenen das Problem. Wäre Deutschland zu Änderungen in seiner gängigen Praxis verpflichtet, wären weitreichende Änderungen nötig - beginnend bei den Eignungstests für Bewerber, weiter über Lehr- und Ausbildungspläne bis hin zu korrektem Umgang der Diensthabenden in einer Spannbreite von Polizei über Behörden bis hin zu Justiz und Politik, die lieber das Grundgesetz ändern würden als es zunächst selbst einzuhalten und dann die Einhaltung auch bei den Kollegen und Bürgern aktiv einzufordern (siehe u.a. Berichte über schleppenden Polizeieinsatz bei Notrufen von Asylunterkünften, beleidigende und diskriminierende Äusserungen in Ausländerämtern, und und und)...

     

    Solange so aktiv weggesehen wird wie bei uns, werden rassistische Umtriebe sich nicht eindämmen lassen, weil sich der betreffende Teil unserer Gesellschaft bis heute legitimiert und bestätigt fühlt durch Politiker, Behörden, Polizei und auch nicht zuletzt unsere Justiz. In diesem Netz sind aufrechte Bürger nur Störenfriede, die es zum Schweigen zu bringen gilt. Solange einzelne anständige Menschen aus diesen Berufsgruppen von den Medien gefeiert werden müssen und es nicht verpflichtender Standard ist, "ist bei uns etwas faul im Staate D..."

     

    Man kann sich ja immer herausreden mit dem Recht auf Meinungsfreiheit. Ich weiss gar nicht mehr, ob nicht mittlerweile der Straftatbestand der "Volksverhetzung" auch schon abgeschafft wurde. Jedenfalls konnte ich davon schon lange nichts mehr hören auch wenn ich mir dafür aktuell schon so etliche Kandidaten vorstellen könnte.

  • Maßnahmen zur Bestrafung und Unterbindung von Reden klingen genau nachdem was eine Demokratie braucht. Find ich super, EU.

    • @DasNiveau:

      Was hat die EU damit zu tun?

      • @Age Krüger:

        Ups, verlesen. War die UN. Zumindest das U war richtig, wenn auch an falscher Stelle.